Berichterstattung über Rechtsextremismus

Was bleibt, wenn der Medientross weiterzieht

07:53 Minuten
Mikrofone liegen am Boden
Nach Großereignissen sinkt die Aufmerksamkeit nationaler und internationaler Presse schnell wieder. © Bernd von Jutrczenka/ dpa
Bastian Wierzioch im Gespräch mit Vera Linß und Marcus Richter · 08.09.2018
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Erinnern Sie sich noch an Tröglitz 2015? Und haben Sie je erfahren, was aus dem dortigen Bürgermeister wurde, den Neonazis bedrohten? Bastian Wierzioch berichtet kontinuierlich über Rechtsextremismus in Sachsen. Auch wenn das gefährlicher und "sehr viel brutaler" geworden ist.
Bei Geschehnissen wie in Chemnitz reisen nationale und internationale Medienvertreter an, um zu berichten. Doch genauso schnell wie sie gekommen sind, sind sie auch wieder verschwunden. Ganz anders Journalisten wie Bastian Wierzioch, der in Leipzig lebt und für Medien wie den MDR seit den 90er-Jahren über Rechtsextremismus in Sachsen berichtet.
Er sieht, was geschieht, wenn der Medientross weitergezogen ist, beispielsweise in Tröglitz, das im Frühjahr 2015 deutschlandweit in den Schlagzeilen stand: Einmal, "als der Ortsbürgermeister zurücktrat, weil Neonazis mit Tröglitzern an seinem Haus vorbeigelaufen sind, weil er sich für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen hat". Und ein paar Monate später, als die Flüchtlingsunterkunft brannte.

Medienberichterstattung: erst Schutz, dann ein Problem

Damals, in der "Hochphase der Berichterstattung", seien die Medien für den Bürgermeister Markus Nierth eine Art Schutz gewesen. "Es kam zu Morddrohungen und da war das ein positiver Medieneffekt."
Jetzt, im Nachhinein stehe die Familie aber "isoliert" da, berichtet Wierzioch. "Es geht das Narrativ um: Nierth hat damals die Medien geholt, der ist der Nestbeschmutzer, der ist Schuld, dass wir negativ in den Schlagzeilen waren. Da wird die Schuld der Familie zugeschrieben und nicht etwa Brandstiftern und Neonazis, die demonstrieren."

"Das hat es vorher nicht gegeben"

Eine weitere Entwicklung, die Wierzioch im Zusammenhang mit Berichterstattung über Rechtsextremismus beobachtet: Die Sache sei "sehr viel brutaler" geworden, die Arbeit nicht ungefährlich.
"Für mich war der Wendepunkt 2013 in Schneeberg. Da ging es los mit diesen Anti-Asyl-Demonstrationen. Da trotte ich als Reporter hinterher, hinter diesem Demonstrationszug und plötzlich krachte es und ein Fotograf lag blutüberströmt auf der Straße, das Gesicht zusammengeschlagen, komplett. Das hat es in den Jahrzehnten vorher nicht gegeben." Nun müssen Journalisten sich absprechen und schützen, "wenn man als Reporter da hingeht".

"Angriff der extremen Rechten auf die Mitte der Gesellschaft"

Eine kontinuierliche Berichterstattung der Medien, aber auch die Beobachtung durch zivilgesellschaftliche Gruppen wie "NSU Watch" oder "chronik.le", die zum Phänomen Rechtsextremismus "kontinuierlicher recherchieren als manche Tageszeitung", sei wichtig, betont Wierzioch.
Denn "hier haben wir es jetzt offenbar mit einem Angriff der extremen Rechten auf die Mitte der Gesellschaft zu tun, mit dem Versuch einer Diskursverschiebung, einer Normalisierung von rechtsextremistischer, rechtsextremer Ideologie".
(lk)
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