Berichterstattung über Gewalttaten

Mit gebotener Distanz

Die Polizei hat nach einer Schießerei am Vortag das Areal um das Olympia-Einkaufszentrum OEZ in München (Bayern) am 23.07.2016 weiträumig abgesperrt.
Der Amoklauf in München rief den größten Polizeieinsatz in der Geschichte der Stadt hervor. Die Situation war über Stunden hinweg sehr unübersichtlich. © pa/dpa/Hildenbrand
Marie Sagenschneider im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke  · 25.07.2016
Wegen der Berichterstattung über die Gewalttaten der vergangenen Tage in München, Reutlingen und Ansbach haben die Medien viel Kritik einstecken müssen. Wortchefin Marie Sagenschneider skizziert die Herangehensweise von Deutschlandradio Kultur in solchen Ausnahmesituationen.
Die Medien wurden für die Berichterstattung über die jüngsten Gewalttaten in München, Reutlingen und Ansbach zum Teil heftig kritisiert. Im Interview mit "Studio 9" sagte der Traumapsychologe Georg Pieper unter anderem, gerade bei einem Amoklauf würden viele Journalisten sogar zu "Helfershelfern" des Täters.

Berufliche und persönliche Ebene trennen

"Es ist relativ leicht, sich an die Fakten zu halten, auch wenn eine Situation unüberschaubar ist", sagt Marie Sagenschneider, Wortchefin bei Deutschlandradio Kultur. "Was uns verwirrt, ist, dass wir zwei Ebenen durcheinanderbringen", meint sie. "Das eine ist die persönliche Ebene, wo man reflexartig alles an Informationen sammelt, und das andere ist die berufliche Seite: Wir sind Journalisten und wir halten uns an Fakten."
Bei Geschehnissen wie beim Amoklauf in München gebe es Fakten, die von Journalisten eingeordnet werden müssten. Zur Arbeit eines Journalisten gehöre es aber auch, zu sagen: "Bestimmte Dinge können wir nicht einordnen, bei bestimmten Informationen wissen wir nicht, ob es Fakten sind, aber es gibt auch Fakten, die wir benennen können. Und wenn man so operiert und sagt: 'Das wissen wir tatsächlich noch nicht, aber es ist auf dem Markt', ist das vollkommen in Ordnung", sagt Sagenschneider.

Konkurrenz zu Schnelligkeit der Sozialen Medien

Mit gebotener Distanz berichten und auch das Gespräch mit den Hörerinnen und Hörern suchen - so umreißt Sagenschneider die Position von Deutschlandradio Kultur, wenn es um die Berichterstattung in solchen Ausnahmesituationen geht: Glaubwürdig die Informationen einordnen, den Stand der Dinge skizzieren, aber auch sagen: "Das ist möglicherweise ein Gerücht". Heraushalten dürfe man sich bei solchen Ereignissen jedenfalls nicht, denn: "Wir haben ja auch eine Informationspflicht." Das gelte auch für die Tatsache, ob der Täter einen Migrationshintergrund hat oder nicht - wenn das bestätigt sei, müsse man das berichten.
Eine gewisse Konkurrenz zur Schnelligkeit der Sozialen Medien lasse sich dabei nicht vermeiden, meint Sagenschneider. "Man kann sich da auch nicht außerhalb stellen, weil man sonst unglaubwürdig wird", sagt sie.
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