Berg Grünten im Allgäu

Junge Klimaschützer kämpfen gegen ein Skigebiet

04:21 Minuten
Untersicht auf zwei Skigondeln vor blauem Himmel.
Ski-Lifte ziehen auch im Sommer Touristen an - doch zu viel Tourismus ist nicht gut für die Bergwelt. © Imago / Photocase / Flügelwesen
Von Tobias Krone · 15.08.2019
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Eine Sommerachterbahn, ein Schneeteich für Kunstschnee und viele neue Sessellifte - Investoren wollen am Grünten im Allgäu ein Skigebiet errichten. Dagegen kämpfen Umweltschützer und Fridays for Future, allen voran die 19-jährige Lucia Böck.
Ein bisschen traurig baumeln die Sessel im Sommerwind. Das Kassenhäuschen ist verwaist, seit der Pleite vor zwei Jahren läuft hier nichts mehr. Das Gras auf den Skipisten sprießt kniehoch.
Wer die sanften Hänge des Grünten hinaufwandert, kommt sich vor wie auf einem Friedhof des Wintersports. Und genau so soll es bleiben, sagt Lucia Böck. Sie will nicht, dass das Skigebiet Grünten wieder aufmacht:
"Wenn wir an jedem Ort solche Sachen verhindern, die einfach wieder ein Schlag ins Gesicht sind für den Klimaschutz, dann können wir einen großen Beitrag leisten – wir müssen auf allen Ebenen ansetzen."
Lucia Böck ist das lokale Gesicht von Fridays for Future. Im Winter veranstaltete sie die erste Demo in Kempten.
"Das war so eine richtig coole Demo", sagt sie. "Wir hatten nur ein Megafon und hatten die zwei Tage vorher angekündigt. Und es kamen einfach 600 Leute. Während der Schulzeit. Das ist für Kempten schon richtig gut. Und dann hatten wir ja kein Podest und wir durften nicht auf die Treppen und bla bla bla. Und dann habe ich auf einem Schneehaufen meine Rede gehalten. Was echt lustig war."

"Ein Berg wird zum Rummelplatz gemacht"

Ein halbes Jahr später hat die 19-Jährige auf ihren Wanderrucksack eine mit Edding beschriebene Demo-Pappe geschnallt mit dem Slogan: Rettet den Grünten! Es geht um ihren Hausberg. Eine ortsansässige Familie würde das Skigebiet gerne wiederbeleben und investieren. Umweltschützer und nun auch Fridays For Future wollen das verhindern.
"Ein Berg wird wieder zu einem Rummelplatz gemacht und zu einem Freizeitpark", kritisiert Böck. "Anstatt dass man einfach sagt: Ein Berg ist ein Berg, das ist Natur – und es gehört der Natur. Es ist doch nicht so, dass wir wieder hergehen können und sagen: Einzelne Leute wollen Profit, also opfern wir wieder einen ganzen Berg dafür."
Eine Gondelbahn – und ein Sechser-Sessellift sollen die alten Lifte ersetzen, die neben Kühen auf den Almwiesen herumstehen. Und auch mehr Kunstschnee als bisher soll es geben. Und dazu womöglich ein weiterer Schneeteich, das befürchtet der Bund Naturschutz. Die Investorenfamilie hält sich die Option offen.
Abendsonne taucht den Gipfel des Grünten (1737 m) der Allgäuer Berge in warmes Licht, an einem Winterabend bei Missen, Bayern, Deutschland.
Klimaschutz ist auch Landschaftsschutz, finden die Akivisten von Fridays for Future im Allgäu.© imago /Kickner
Der Gedanke, dass Wasser auf dem Berg für Kunstschnee reserviert bleiben soll, leuchtet Fridays-Aktivistin Lucia Böck nach der Erfahrung des vergangenen Sommers nicht ein.
"Wir hatten Wasserknappheit, da gab es Dörfer, die hatten kein Trinkwasser mehr. Da musste mit dem Lastwagen Wasser angeschleppt werden. Und hier ist auf einmal 70.000 Kubikmeter Trinkwasser da, um Schnee herzustellen."
Der Grünten ist ein Traditions-Schigebiet. Die neuen Bahnen ersetzen nur alte Skilifte, deshalb dürfte die Genehmigung kein Problem sein. Doch die Investorenfamilie will die Gondelbahn auch im Sommer betreiben.
Und als besondere Attraktion hat sie den Grünten-Glider geplant – eine Art Hänge-Achterbahn, auf der die Besucher einzeln durch den Bergwald ins Tal kurven – mit einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h.
Die Stahlschiene wäre an Bäumen befestigt. Es wäre eine Weltneuheit, aber auch eine hohe Belastung des Waldes und seiner Tiere, fürchtet Lucia Böck. Einige Bäume müssten sicher gerodet werden.
"Auch im Winter haben wir jetzt gesehen, dass wir Wälder brauchen, die uns schützen. Weil auch unser Haus hätte vielleicht getroffen werden können von einer Lawine, wäre nicht da der ganze Wald."

Die Anwohner sind gespalten

Die Investorenfamilie, die für den Glider lieber das Wort Walderlebnisbahn verwendet, hält die Eingriffe für vertretbar. Noch halten sich Attraktionen wie die sogenannte "Walderlebnisbahn" in den bayerischen Alpen in Grenzen – im Gegensatz zu Tirol, wo Mountainbike-Trails, Hochgeschwindigkeits-Seilbahnen oder Streichelzoos fest zum Sommer-Portfolio gehören. Erlebnishungrige Touristen fragen so etwas nach. Der Weg vom Wintersportgebiet zum Sommererlebnispark erfordere daher Attraktionen wie einen Grünten-Glider.
Der Gemeinderat ist geschlossen für das Projekt. Lucia Böck ist nicht die einzige, die dagegen ist. Auch einige Bergbauern wollen keinen Erlebniswald.
Sogar der Hüttenwirt würde gerne so weitermachen. Mit Skitourengehern und Wanderern verdiene er genug – auch ohne Lifte. Für Lucia Böck ist die Frage, wie es weitergeht mit dem Grünten, auch eine Frage der Fairness – aus ganz pragmatischen Gründen, wie sie findet:
"Solche Projekte verhindern den notwendigen Strukturwandel, um zukunftsorientierten Tourismus zu haben. Es ist einfach nur noch fahrlässig, solche Projekte zu genehmigen, zu bauen, und wir, unsere Generation darf dann die ganzen Konsequenzen tragen. Wir sollen ja hier auch noch leben. Wenn wir dann aber die ganze Zeit beschäftigt sind, irgendwelche Murengänge zu reparieren, ist es fraglich, inwieweit wir dann noch einen Tourismus haben."
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