BER-Aufsichtsrat "vollkommen zerstritten"

Anton Hofreiter im Gespräch mit Nana Brink · 08.03.2013
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hat dem Aufsichtsrat des Großflughafens Berlin-Brandenburg (BER) ein dreistes Vorgehen vorgeworfen. Jetzt müsse man sehen, wie man das Projekt noch retten könne, sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag.
Nana Brink: Die Aufsichtsratssitzung des Hauptstadtflughafens heute in Potsdam gleicht wohl einem Spießrutenlaufen für alle Beteiligten, denn die Pannenserie hat in den letzten Tagen neue Höhepunkte erreicht! Erst wurde bekannt, dass rund 20.000 Mängel auf der Baustelle ungelöst sind, dann gab Frankfurts Exflughafenmanager Wilhelm Bender dem Aufsichtsrat einen Korb, er wolle nicht mehr als Berater tätig sein. Kein Flughafenretter also in Sicht, und nicht zu vergessen: Die Stimmung im Aufsichtsrat ist auf dem Nullpunkt, seit sich die beiden Gesellschafter Berlin und Brandenburg in Gestalt ihrer Regierungschefs Matthias Platzeck und Klaus Wowereit über das Nachtflugverbot in die Haare bekommen haben!

Und wir blicken also gespannt auf die heutige Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft, und zwar zusammen mit dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses des Bundestages, Anton Hofreiter von Bündnis 90/Die Grünen. Schönen guten Morgen, Herr Hofreiter!

Anton Hofreiter: Guten Morgen!

Brink: Wie hat der Aufsichtsratschef Matthias Platzeck gestern so schön gesagt: Mich wundert nichts mehr. – Wundert Sie auch nichts mehr?

Hofreiter: Mich wundert ehrlich gesagt überhaupt nichts mehr an dem Flughafen, aber auf der anderen Seite, was mich doch noch in einem gewissen Umfang wundert, ist das dreiste Vorgehen der Verantwortlichen. Nämlich, eins darf man nicht vergessen: Matthias Platzeck tut so, als wenn er jetzt der Aufräumer und der Retter wäre, aber er war die ganze Zeit stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Herr Wowereit klopft schon wieder große Sprüche und gibt große Ratschläge, dabei hat er den ganzen Flughafen ins Desaster geführt. Und das Verkehrsministerium handelt so, wie es immer gehandelt hat, es tut so, als wenn es mit den ganzen Problemen nichts zu tun hätte, obwohl sie fast mit einem Drittel beteiligt sind! Also, insgesamt ist das nicht nur ärgerlich, das ist eigentlich fast unglaublich, was da insgesamt vor sich geht!

Brink: Man kann ja das Ausmaß dieses Baustellenspektakels namens BER komisch finden, wäre es, wie Sie ja auch schon angedeutet haben, nicht so unendlich teuer! Nur mal eine kleine Zahl – oder eine große Zahl! –, die Flughafengesellschaft beziffert die Kosten durch die verzögerte Inbetriebnahme auf 15 Millionen Euro pro Monat! Haben Sie einen Überblick über das Ausmaß der Technikprobleme, Planungsfehler und Baumängel?

Hofreiter: Natürlich haben die Abgeordneten nicht einen Überblick in allen Details. Aber da wir uns inzwischen regelmäßig Herrn Amman kommen lassen, haben wir einen groben Überblick, und man muss sagen ...

Brink: Das ist der Technikchef, muss man dazu sagen.

Hofreiter: Genau, das ist der Technikchef des Flughafens. – Haben wir einen groben Überblick über die Probleme. Und ich persönlich glaube, dass die 15 Millionen absolut untertrieben sind! Ich persönlich glaube ja, dass wir uns eher im Bereich 40 bis 50 Millionen Kosten bewegen. Und man muss sagen, das ist im Grunde der ganz große Skandal im Skandal, nämlich dass der Flughafen sich inzwischen so extrem verzögert durch die irren Entscheidungen dieses Aufsichtsrats. Denn Sie dürfen ja eins nicht vergessen: Nach der Verschiebung vom 3. Juni haben die ja nicht nur damaligen Technikchef entlassen, sondern dieser Aufsichtsrat hat entschieden, alle, alle, alle Planer, die an diesem Flughafen tätig waren, vom obersten Chefplaner bis runter zum kleinsten technischen Planer, zu entlassen!

Und das bedeutete: Der Aufsichtsrat hat damals aus einer Baustelle mit Terminverzögerung eine Bauruine gemacht, und deshalb sind die immer noch an der Aufnahme letztendlich, was an der Baustelle vorhanden ist. Denn es gab ja dann, nachdem alle Verantwortlichen entlassen waren, niemand mehr, der wusste, in welchem exakten Stand die Baustelle ist! Und die neuen Leute müssen sich da im Detail erst alle einarbeiten. Und das kostet im Enddefekt, wenn wir die Zeit zusammenzählt, Hunderte von Millionen, und das ist im Grunde unglaublich!

Brink: Aber, Herr Hofreiter, wenn ich Sie richtig verstehe, dann gibt es Ihrer Meinung nach niemanden, der wirklich einen Überblick hat! Ja, wie soll denn das dann weitergehen?

Hofreiter: Na ja, im Grunde müsste es so weitergehen, wie ich schon vor längerer Zeit im Bundestag bei der damaligen Debatte gesagt habe: Man müsste alle Leute, die letztendlich über die Baustelle Bescheid wissen, zusammenholen. Das heißt, man müsste sich anschauen, wer hat alles Wissen über die Baustelle? Das sind jetzt die neuen Planer, das sind die alten Planer, die man damals entlassen hat, das sind die Firmen. Man müsste daraus eine Arbeitsgruppe gründen und dann müsste man sehr schnell einen Plan aufstellen, wie letztendlich die Baustelle fertiggeführt werden kann.

Und dann müsste man einen neuen Zeitplan machen und dann könnte man auch irgendwann wieder einen Termin nennen. Aber da ein erheblicher Teil der Beteiligten, die Wissen über die Baustelle haben, sich gegenseitig vor Gericht beklagen, kann das natürlich noch sehr, sehr lange dauern, bis es da weitergeht!

Brink: Aber es muss doch irgendeiner managen! Also, es muss doch irgendeiner dann eine Art Masterplan haben, um das zum Beispiel, was Sie jetzt gerade fordern, nämlich alle, die Wissen haben, an einen Platz zu bringen. Wer kann denn das leisten? Der Aufsichtsrat?

Hofreiter: Das müsste letztendlich ... Das müsste der Aufsichtsrat entscheiden und die Detailmanager müsste dann entweder Herr Amman machen oder ... Aber Herr Amman kann ja auch nicht alles machen, sondern im Grunde bräuchten wir auch erst mal einen neuen Geschäftsführer für den ganzen Laden. Ich meine, es war zwar absolut richtig, Herrn Schwarz zu entlassen, weil Herr Schwarz ausreichend bewiesen hat, dass er überfordert war, auch dass er offensichtlich mit den Tatsachen gegenüber Aufsichtsrat und Ausschuss nicht immer bis ins letzte Detail so genau genommen hat.

Aber da das eigentlich seit Monaten klar war, hätte Herr Wowereit sich längst auf die Suche nach jemand – er war ja dann noch lange Zeit Aufsichtsratsvorsitzender –, nach jemand Neuem begeben müssen. Aber das ist natürlich auch wieder nicht gemacht worden, sondern man hat bis zur letzten Minute darum gerungen, wird jetzt Herr Schwarz entlassen, ja, nein? Und jetzt erst, Monate nach der Entlassung von Herrn Schwarz, macht man sich ernsthaft auf die Suche nach jemand Neuem! Also, das sind ja, wie gesagt, schon was alleine an Management und Fehlern seit 2., 3. Juni passiert ... Das ist ja, wie gesagt, das ist längst wieder ein neuer Skandal!

Brink: Ihre Partei fordert einen kompletten Neustart, also auch eine Neubesetzung des Aufsichtsrates, der ja heute tagt. Was soll das bringen? Ist das realistisch?

Hofreiter: Na ja, in einem gewissen Umfang gehören dort auf alle Fälle Leute neu besetzt. Nämlich, nach allem, was man hört, ist der Aufsichtsrat inzwischen ja vollkommen zerstritten, blockiert Herr Wowereit eher. Und wenn ich mir das alles anschaue, kriegt man natürlich ein Projekt natürlich überhaupt nicht mehr aus dem Dreck raus! Also, sie haben keine Geschäftsführung, davor hatten sie eine Geschäftsführung, Herr Amman und Herr Schwarz, wo man nach allem, was man gehört hat, praktisch nicht mal miteinander geredet hat. Jetzt haben sie nur noch Herrn Amman, dann haben sie einen Aufsichtsrat, wo sich die Beteiligten untereinander nicht über den Weg trauen, weil ... Auf der einen Seite ist der Bund, der immer so tut, als wenn er mit dem Ganzen nichts zu tun hätte, das Verkehrsministerium, Herr Ramsauer, der das Ganze dazu nutzt, um die Schuld auf Herrn Wowereit und auf Herrn Platzeck zu schieben! Also, auf der anderen Seite, wie gesagt, streiten sich Platzeck und Wowereit über den Nachtflug tot ...

Brink: Ja, Herr Hofreiter, noch mal ganz kurz, um das Ganze abzurunden, weil uns die Zeit davonläuft: Das letztgenannte Datum war 2014. Wann wird es wieder verschoben?

Hofreiter: Das steht, glaube ich, noch vollkommen offen, wann das wieder verschoben wird. Das hängt einfach daran, wie lange Herr Amman noch mit seiner Aufnahme braucht. Sie dürfen ja eins nicht vergessen: Da ist immer noch nicht mit der Baustelle begonnen worden! Also, die arbeiten immer noch nicht wirklich!

Brink: Die liegt brach, genau. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter von Bündnis 90/Die Grünen. Herr Hofreiter, schönen Dank für das Gespräch!

Hofreiter: Ich sage Danke!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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