"Bekenntnis zur europäischen Integration"
Nach Einschätzung von Gunther Krichbaum ist das Verfassungsgerichtsurteil zum Lissabon-Vertrag ein wichtiger Schritt, um Europa handlungsfähiger zu machen.
Hanns Ostermann: Ja, aber … So in etwa kann man das gestrige Urteil des Bundesverfassungsgericht überschreiben. Einerseits billigte Karlsruhe den Lissabon-Vertrag, er sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Andererseits – jetzt kommt das Aber: Das deutsche Begleitgesetz sei verfassungswidrig. Dem Bundestag und dem Bundesrat würden darin keine ausreichenden Beteiligungsrechte eingeräumt. Mit anderen Worten: So wichtig die europäische Integration auch ist, die demokratischen Mitbestimmungsinstrumente bei uns dürfen nicht ausgehöhlt werden. Was das Karlsruher Urteil für die Politik bedeutet, darüber möchte ich mit Gunther Krichbaum von der CDU sprechen. Er ist Vorsitzender der Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union im Bundestag. Guten Morgen, Her Krichbaum!
Gunther Krichbaum: Guten Morgen!
Ostermann: Hat Karlsruhe den Parteien jetzt nicht so etwas wie eine demokratische Nachhilfestunde erteilt?
Krichbaum: Das würde ich nicht ganz so sehen. Man muss das differenziert betrachten, und zwar aus folgendem Grund: Zunächst hat Karlsruhe den in der Hauptsache in Rede stehenden Vertrag von Lissabon als verfassungsgemäß gebilligt. Also das war das, worum es eigentlich auch im Kern ging und wo eben hier die Kläger die Beseitigung dieses Vertrages wollten. Deswegen, sie konnten ja auch nicht obsiegen, und deswegen bin ich zunächst mal sehr froh, dass der Vertrag von Lissabon jetzt auch durch das höchste Verfassungsgericht, was wir eben hier haben in Deutschland gebilligt wurde. Auf der anderen Seite – Sie haben es schon gesagt –, es geht um das Begleitgesetz, ich kann nur etwas begleiten, was in der Hauptsache auch überhaupt vorhanden ist. Und hier hatten wir schon in der Vergangenheit eine Zusammenarbeitsvereinbarung mit der Bundesregierung – Bundestag, Bundesregierung. Diese Zusammenarbeitsvereinbarung existiert jetzt seit zwei Jahren, aber hier hat auch das Bundesverfassungsgericht klargestellt, es reicht uns diese Art der Handlungsgrundlage nicht aus, wir wollen das konkret in einem Gesetz haben. Und um ein Beispiel auch weiterzugeben, weil es auch gestern darum im Kern ging, um sogenannte Brückenklausen – hier an der Stelle wird es auch bereits kompliziert: Es reicht eben in Zukunft nicht aus, wenn man hier vom Einstimmigkeitsprinzip auf das Mehrheitsprinzip umstellen möchte, dass man genau in diesen Fragen hier lediglich auf das Schweigen des Bundestages setzt. Hier hätte der Bundestag aktiv eingreifen müssen, das hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, das ist dem Bundesverfassungsgericht zu wenig. Hier muss der Bundestag aktiv gefragt werden und im konkreten Einzelfall auch seine Zustimmung erteilen.
Ostermann: Ja, aber trotzdem, Karlsruhe kritisiert den Ausverkauf hoheitlicher Staatsinteressen, war das nicht absehbar, das Papier, das Sie eben angesprochen haben, zwischen Bundestag und Regierung, das reichte doch offensichtlich nicht aus? Das war nicht absehbar?
Krichbaum: Es geht nicht hier um den Ausverkauf hoheitlicher Staatsinteressen, das ist das, was die Klägerseite die ganze Zeit versuchte, Glauben zu machen. Das Bundesverfassungsgericht hat ein klares Bekenntnis zur europäischen Integration abgegeben, die ja auch schon bereits in der Präambel des Grundgesetzes vor 60 Jahren angelegt war. Zum ersten Mal wurde so deutlich, dass hier das Europarecht, die Europapolitik ein Verfassungsziel darstellt, was es auch zu verwirklichen gilt. Nur das das Bundesverfassungsgericht – wenn ich das mal nach meinen Worten interpretieren darf: Hier bitte nur bei der europäischen Integration auf Sicht fahren, vieles ging da offensichtlich auch dem höchsten Gericht bei uns zu schnell. Man darf auch nicht ganz vergessen, wir haben hier eine Art "Konkurrenzverhältnis" in Anführungszeichen hin zum EuGH, zum Europäischen Gerichtshof, und das hat auch dem Bundesverfassungsrichtern in der Vergangenheit nicht immer so geschmeckt.
Ostermann: In welchen Fragen müssen Bundesrat und Bundestag jetzt stärker einbezogen werden?
Krichbaum: Also es geht ganz konkret hier zum einen um die sogenannten Brückenklauseln, das ist das, was ich gerade sagte, dass hier, wenn man auch von der Einstimmigkeit auf das Mehrheitsprinzip umschwenken möchte, dass hier auch der Bundestag vorher aktiv gehört werden muss. Allerdings wir wollen das auch, damit dieses Europa handlungsfähiger wird. Ich darf nur daran erinnern, dass früher auch in der Vergangenheit gerade das Erfordernis von Einstimmigkeitsentscheidungen dieses Europa oft lähmte in sehr zähen Sitzungen. Es geht, um ein weiteres Beispiel zu benennen, um das grenzüberschreitende Strafrecht. Strafrecht ist nun mal das, was auch zum Kernbestand eines jeden Landes, eines jeden Mitgliedsstaates gehört. Und wenn hier tatsächlich Kompetenzen übertragen werden sollen, dann nur in sehr, sehr engen Grenzen. Und hier ist nach meiner Überzeugung das Bundesverfassungsgericht am deutlichsten geworden, dass dies nur dann geschehen darf auf ausdrückliche Weisung des Bundestages, wenn also hier der Bundestag für sich aktiv in der Richtung tätig wird, dass wir hier der Regierung ein konkretes Handeln vorschreiben. Der Hintergrund vielleicht, wenn ich das noch anfügen darf, ist, traditionell ist die Außen-, die Europapolitik sehr vom Handeln der Regierungen geprägt, nicht nur in Deutschland, sondern ganz allgemein, aber gerade in der Europapolitik zieht hier Karlsruhe die Handbremse an und möchte, dass eben hier dann auch der Bundestag in Zukunft aktiver eingreift, sodass Zufallsprodukte dann natürlich auch ausgeschlossen wären.
Ostermann: Die Zeit drängt, rechnen Sie dennoch vor der Bundestagswahl damit, dass das Ganze, dass das Gesetz die entsprechenden Hürden nimmt?
Krichbaum: Weil die Zeit drängt, ein eindeutiges Ja.
Ostermann: Ich danke Ihnen sehr. Das war Gunther Krichbaum von der CDU. Er ist Vorsitzender des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union im Bundestag. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!
Krichbaum: Ihnen auch, vielen Dank!
Gunther Krichbaum: Guten Morgen!
Ostermann: Hat Karlsruhe den Parteien jetzt nicht so etwas wie eine demokratische Nachhilfestunde erteilt?
Krichbaum: Das würde ich nicht ganz so sehen. Man muss das differenziert betrachten, und zwar aus folgendem Grund: Zunächst hat Karlsruhe den in der Hauptsache in Rede stehenden Vertrag von Lissabon als verfassungsgemäß gebilligt. Also das war das, worum es eigentlich auch im Kern ging und wo eben hier die Kläger die Beseitigung dieses Vertrages wollten. Deswegen, sie konnten ja auch nicht obsiegen, und deswegen bin ich zunächst mal sehr froh, dass der Vertrag von Lissabon jetzt auch durch das höchste Verfassungsgericht, was wir eben hier haben in Deutschland gebilligt wurde. Auf der anderen Seite – Sie haben es schon gesagt –, es geht um das Begleitgesetz, ich kann nur etwas begleiten, was in der Hauptsache auch überhaupt vorhanden ist. Und hier hatten wir schon in der Vergangenheit eine Zusammenarbeitsvereinbarung mit der Bundesregierung – Bundestag, Bundesregierung. Diese Zusammenarbeitsvereinbarung existiert jetzt seit zwei Jahren, aber hier hat auch das Bundesverfassungsgericht klargestellt, es reicht uns diese Art der Handlungsgrundlage nicht aus, wir wollen das konkret in einem Gesetz haben. Und um ein Beispiel auch weiterzugeben, weil es auch gestern darum im Kern ging, um sogenannte Brückenklausen – hier an der Stelle wird es auch bereits kompliziert: Es reicht eben in Zukunft nicht aus, wenn man hier vom Einstimmigkeitsprinzip auf das Mehrheitsprinzip umstellen möchte, dass man genau in diesen Fragen hier lediglich auf das Schweigen des Bundestages setzt. Hier hätte der Bundestag aktiv eingreifen müssen, das hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, das ist dem Bundesverfassungsgericht zu wenig. Hier muss der Bundestag aktiv gefragt werden und im konkreten Einzelfall auch seine Zustimmung erteilen.
Ostermann: Ja, aber trotzdem, Karlsruhe kritisiert den Ausverkauf hoheitlicher Staatsinteressen, war das nicht absehbar, das Papier, das Sie eben angesprochen haben, zwischen Bundestag und Regierung, das reichte doch offensichtlich nicht aus? Das war nicht absehbar?
Krichbaum: Es geht nicht hier um den Ausverkauf hoheitlicher Staatsinteressen, das ist das, was die Klägerseite die ganze Zeit versuchte, Glauben zu machen. Das Bundesverfassungsgericht hat ein klares Bekenntnis zur europäischen Integration abgegeben, die ja auch schon bereits in der Präambel des Grundgesetzes vor 60 Jahren angelegt war. Zum ersten Mal wurde so deutlich, dass hier das Europarecht, die Europapolitik ein Verfassungsziel darstellt, was es auch zu verwirklichen gilt. Nur das das Bundesverfassungsgericht – wenn ich das mal nach meinen Worten interpretieren darf: Hier bitte nur bei der europäischen Integration auf Sicht fahren, vieles ging da offensichtlich auch dem höchsten Gericht bei uns zu schnell. Man darf auch nicht ganz vergessen, wir haben hier eine Art "Konkurrenzverhältnis" in Anführungszeichen hin zum EuGH, zum Europäischen Gerichtshof, und das hat auch dem Bundesverfassungsrichtern in der Vergangenheit nicht immer so geschmeckt.
Ostermann: In welchen Fragen müssen Bundesrat und Bundestag jetzt stärker einbezogen werden?
Krichbaum: Also es geht ganz konkret hier zum einen um die sogenannten Brückenklauseln, das ist das, was ich gerade sagte, dass hier, wenn man auch von der Einstimmigkeit auf das Mehrheitsprinzip umschwenken möchte, dass hier auch der Bundestag vorher aktiv gehört werden muss. Allerdings wir wollen das auch, damit dieses Europa handlungsfähiger wird. Ich darf nur daran erinnern, dass früher auch in der Vergangenheit gerade das Erfordernis von Einstimmigkeitsentscheidungen dieses Europa oft lähmte in sehr zähen Sitzungen. Es geht, um ein weiteres Beispiel zu benennen, um das grenzüberschreitende Strafrecht. Strafrecht ist nun mal das, was auch zum Kernbestand eines jeden Landes, eines jeden Mitgliedsstaates gehört. Und wenn hier tatsächlich Kompetenzen übertragen werden sollen, dann nur in sehr, sehr engen Grenzen. Und hier ist nach meiner Überzeugung das Bundesverfassungsgericht am deutlichsten geworden, dass dies nur dann geschehen darf auf ausdrückliche Weisung des Bundestages, wenn also hier der Bundestag für sich aktiv in der Richtung tätig wird, dass wir hier der Regierung ein konkretes Handeln vorschreiben. Der Hintergrund vielleicht, wenn ich das noch anfügen darf, ist, traditionell ist die Außen-, die Europapolitik sehr vom Handeln der Regierungen geprägt, nicht nur in Deutschland, sondern ganz allgemein, aber gerade in der Europapolitik zieht hier Karlsruhe die Handbremse an und möchte, dass eben hier dann auch der Bundestag in Zukunft aktiver eingreift, sodass Zufallsprodukte dann natürlich auch ausgeschlossen wären.
Ostermann: Die Zeit drängt, rechnen Sie dennoch vor der Bundestagswahl damit, dass das Ganze, dass das Gesetz die entsprechenden Hürden nimmt?
Krichbaum: Weil die Zeit drängt, ein eindeutiges Ja.
Ostermann: Ich danke Ihnen sehr. Das war Gunther Krichbaum von der CDU. Er ist Vorsitzender des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union im Bundestag. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!
Krichbaum: Ihnen auch, vielen Dank!