Bei Anruf Kunst

Von Camilla Hildebrandt · 10.12.2008
Wer noch nach dem besonderen Weihnachtsgeschenk auf der Suche ist, kann vielleicht bei Barbara Wrede fündig werden. Die Künstlerin erschafft Kunst per Anruf – "Vision by call", wie sie es nennt. Für ein von ihr gemaltes Bild muss der Kunde nur ein paar Stichwörter nennen. "Die Leute sollten auch wissen, dass sie etwas mit Humor kriegen", sagt Wrede. Außerdem malt zeichnet, schreibt und illustriert die Wahl-Berlinerin auch Bücher, war u.a. Dozentin an der Universität der Künste Berlin und ihre Werke sind schon in zahlreichen Ausstellungen zu sehen gewesen.
Barbara Wrede: "Ich hab schon im Abitur Kunst-LK gehabt, was ein bisschen verpönt war damals, ganz zuerst wollte ich eigentlich Schriftstellerin werden - als ich klein war -, dann Bildhauerin. (…) Mein Vater hatte eine Tischlerei. Und eigentlich war es so gedacht, das ich die übernehme. Hab dann eine Lehre gemacht. (…) Das mit dem Tischlern konnte ich mir nicht mehr vorstellen, außerdem wäre ich auch auf dem kleinen Dorf ziemlich unglücklich geworden. (lachen) (…) Lets go, where the action is. "

Statt Tischlern in Wittingen-Emmen, Niedersachsen, hieß es also für die junge Frau mit dem kurzen roten Haarschopf: Kunststudium in Kassel. Und Anfang der 90er zog sie schließlich als freischaffende Künstlerin nach Berlin.

" "Ich wäre auch in jede andere Stadt in Deutschland gegangen, aber in Berlin bot mir ein Mitstudent, der selbst nach Düsseldorf ging, eine Wohnung an." (lachen)

Seit ein paar Jahren hat Barbara Wrede ein Atelier in einer ehemaligen Schlosserei in Berlin-Neukölln. Ganz in der Nähe lebt die 42-Jährige zusammen mit ihrem Freund. Auf den drei langen Tischen und den Fensterablagen der Werkstatt stehen Farbtöpfe, liegen Pinsel, Plastik-Puppenköpfe, Federspitzen und alle Farben an Buntstiften. Die weißen Wände sind voll mit Malereien, Zeichnungen und Entwürfen.

"Das, was Sie jetzt hier sehen, hat kaum noch jemand vorher gesehen. Das ist meine ganz neue Serie, die ist in diesem Jahr entstanden. Sie heißt: Über das Verschwinden."

Ganz links an der Wand hängen 5 große Bilder, die an Grasflächen erinnern. Eine Art Roll-Rasen, sei das, erklärt Wrede, den man über eine ganze Wand ziehen könne.

"Dann Zeitungsfotos und Texte, die ich dazu geschrieben habe und hier übermalte Zeitungsfotos und handschriftliche Texte ..."

Auf einem der Fotos: Bush und Putin, sie gehen durch einen Park, winken dem Fotografen freundlich zu. Daneben steht: "Und nun? Was jetzt? Verschwinden - so lange wir noch können!"

"Das sind kurze Momente, die ich beim spazieren gehen gesehen habe. (…) Wenn man sich auf das Verschwinden in der Sprache konzentriert, dann hört man überall dieses Wort, auf der Straße, wenn man den Fernseher anmacht, Zeitung liest, es ist unglaublich, wie oft dieses Wort gesagt wird."

Papst Benedikt vor einer Menschenmenge: Kinder werden zu ihm hoch gereicht, er küsst sie auf die Stirn: "Sie sind abgehauen, verschleppt, unauffindbar, rund 40.000 Kinder verschwinden jedes Jahr in Deutschland."

Und "Vison by call”, ihr Projekt "Kunst per Anruf”? Barbara Wrede, rund 1,68 groß, schmal, in Jeans, Pulli und Daunen-Weste, schmunzelt. Das sei beim Abendessen mit Freunden entstanden:

"Wir saßen zusammen und jemand wusste nicht, was eine "Schnappleine" ist, und das habe ich dann gezeichnet. Und das fanden alle sehr komisch, und eine Freundin sagte dann: Sie können ja auf Zuruf zeichnen! Und dann hab ich überlegt, was man damit machen könnte und bin beim Rumspinnen auf Vision by Call gekommen. Und dann sagte ein anderer Freund: Das musst du dir sofort sichern, die Domain! (…) Hier sind die ganzen Wünsche auch drin (...) Hier die Skizzen … "

Während sie erzählt, fährt sie den Computer hoch und blättert in einem Ordner, in dem sie alle Wünsche der Kunden aufgehoben hat.

" "Ein Fisch mit Katzenohren im Liegestuhl, daneben eine Schale Cracker. Darunter steht als Text: Und ausdrücklich ohne Fernseher. Ob man das Meer wohl ahnen kann?"

Das Prinzip: der Kunde nennt ihr ein paar Stichwörter, mehr nicht. Dann beginnt Barbara Wrede ihre Fantasie arbeiten zu lassen. Eine schnelle Zeichnung, so soll das Werk später aussehen, erklärt Wrede, auch wenn sie tatsächlich Stunden dafür gebraucht hat. Zeichnung oder Aquarell-Bild sind dafür genau das Richtige. Ihr aktuelles Lieblingsbild: der "innere Bayer". Genau das waren die Stichwörter der Kundin.

" "Das war mir dann fast ein bisschen zu wenig. Und dann fiel mir beim spazieren gehen ein: diese Matrjoschka-Puppen, ich weiß nicht, was ich gesehen hatte, vielleicht etwas auf einem Werbeplakat, ein Überraschungs-Ei. Dann fiel mir diese Puppe ein, und aus der ließ ich dann einen Mann in Lederhose springen. "Der innere Bayer". Das hat ihr sehr, sehr gut gefallen und ihrem Mann auch."

Eine wunderbare Abwechslung seien diese Wunschbilder, findet Barbara Wrede.

"... als Künstler sitze man oft da und kocht sehr in seinem eigenen Brei ..."

Und außerdem eine gute "Fingerübung". Aber Humor müsse man als Kunde schon haben ...

"... sonst geht das in die Hose. Ich finde, die Wünsche sollten schon gut überlegt sein, und die Leute sollten auch wissen, dass sie etwas mit Humor kriegen. So ein Wunsch muss bei mir auch ein Feuerwerk auslösen, sonst geht das nicht. Ich darf mich nicht quälen. Und ich darf es auch nicht langweilig finden, dann kann ich das nicht machen!" (lachen)