Begehrtes Staatsgebräu

Von Jan Uwe Stahr · 14.05.2009
Der südliche Teil des Hochschwarzwaldes gehört zum Badener Land. Die Menschen hier oben gelten als heimatverbunden, traditionsbewusst und konservativ, manchen auch als stur. Aber vielleicht ist gerade das ein Erfolgsrezept, denn mit der Biermarke Tannenzäpfle macht die landeseigene Brauerei satte Gewinne.
In engen Kurven schlängelt sich die Landstraße von St. Blasien in die Höhe. Durch dichte, dunkle Tannen- und Fichtenwälder. Ganz oben, auf fast 1000 Meter über dem Meeresspiegel – ein großes, burgartiges Anwesen: Mächtige Mauern, zinnenbewehrt. Gestrichen in zartem Rosa. Doch hier hat sich kein Adelsgeschlecht verschanzt in vergangenen Jahrhunderten - das imposante Gemäuer ist eine Fabrik. Genauer: ein staatliches Unternehmen – die Badische Staatsbrauerei Rothaus AG. Hinter der Brauerei rauscht ein wilder Bach. Davor, auf dem Parkplatz, parken Reisebusse. Es werden immer mehr Besucher, sagt Frau Morat, die schon vor 16 Jahren von der Brauerei als Gästebetreuerin eingestellt wurde.

"Also wo ich angefangen hab, wenn ich ne Gruppe gehabt dort zwischen 20 und 30, dann hab ich schon gedacht: Ha, heut´ hast viel Leut´! Aber heut ist das ne kleine Gruppe."

Rund 15.000 Besucher wollten allein im letzten Jahr die staatliche Brauerei im Hochschwarzwald besichtigen.

"Von überall, von ganz Deutschland, vom Ausland, in der Nähe von der Schweiz, in der Nähe von Frankreich. Italien, so überall ..."

Senioren aus Bad Säckingen sind es heute vor allem, die sich in die Geheimnisse des Bierbrauens einweihen lassen wollen. Natürlich ist das Bier aus Rothaus in dem 50 Kilometer entfernt liegendem Luftkurort am Rhein bestens bekannt.
"'N guter Biertrinker, oder ´n richtiger Biertrinker, der trinkt Tannenzäpfle, der trinkt kein anderes."

Auch die 75-jährigen Emmi Kofler macht sich hin- und wieder ein Fläschchen Tannenzäpfle auf. So heißt das Pils aus dem Hochschwarzwald. Gebraut von der Brauerei, die zu 100 Prozent dem Land Baden-Württemberg gehört. Und 230 Menschen in der strukturschwachen Region Arbeit bietet.

"... das ist ja ein alter Betrieb, der ernährt ja den ganzen Hotzenwald, oder? Wenn man so sieht, was hier alles geboten wird, wieviele Arbeiter das so sind und ich glaube nicht, dass die mal kurzschaffe müsse, oder? Ich weiß es nicht, ich hoffe es nicht. Grad jetzt in der Zeit ist es ja ganz schwierig."

Frau Morat führt ihre Besuchergruppe nun durch einen kühlen Keller. In der weiß gekachelten Halle stehen haushohe zylinderfömige Tanks aus glänzendem Edelstahl. Vor einem bleibt Frau Morat stehen. Ihre Gäste bilden einen Halbkreis – wie bei einer Museumsführung.

"Und das sind etwa 220 Hektoliter fertig filtriert, abfüllbereit. Und das sind über 167.000 die man damit in einer Woche herstellen kann."

Über 900.000 Hektoliter Bier, das sind 90 Millionen Liter, brauen die Hochschwarzwälder pro Jahr. Das sind immerhin rund ein Siebtel des Ausstoßes von Deutschlands größter Brauerei, der Oettinger in Bayern. Das Rothaus-Bier ist bekannt auch über den Schwarzwald und Baden-Württemberg hinaus. Sogar im Bierbrauer-Land Sachsen, findet es Anhänger.

"Selbst bei uns in Leipzig, ist es so, dass das Rothaus immer mehr im Kommen ist."

Die Staatsbetriebe wurden danach privatisiert. Nur hier im Westen gibt es sowas heute noch – eine Staatsbrauerei. Die junge Altenpflegerin schmunzelt:

"Ich find's ganz gut so, weil die staatliche Brauerei immer noch ganz andere Möglichkeiten hat, als wenn's privat wäre. Also ich würde sagen, die würden dann auch mehr in die eigene Tasche wirtschaften."

"Wir verstehen uns als konservative Brauerei, als konservative Pilsbrauerei, ganz genau gesagt, heißt schon bewahren, aber sich nicht dem Neuen verschließen."

Auch Thomas Schäuble versteht sich als Konservativer. Der jüngere Bruder des derzeitigen Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble studierte Jura und Staatswissenschaften. Wurde erst Richter am Verwaltungsgericht, dann Bürgermeister in Gaggenau, Landtagsabgeordneter in Stuttgart, später Verkehrsminister, Justizminister und schließlich Innenminister von Baden-Württemberg. Vor viereinhalb Jahren stieg er aus der Politik aus, die Stuttgarter Landesregierung schickte ihn nach Rothaus in den Hochschwarzwald, als Vorstand der Staatsbrauerei – oder wie man vielleicht auch sagen könnte: als "Leiter eines volkseigenen Betriebes"

"Ja, das ist natürlich etwas überspitzt gesagt."

findet der Schwarzwälder Christdemokrat. "Sicher", sagt er ...

"... wir sind insoweit eine Staatsbrauerei, indem wir als Aktiengesellschaft – der Aktienbesitz gehört dem Land. Das Land hält alle Aktien, aber – wie gesagt – eine Aktiengesellschaft. Das heißt, der Vorstand ist und die Geschäftsleitung ist ja im operativen Geschäft von der Bürokratie unabhängig und außerdem sind wir keine Gründung des Staates sondern eine Gründung der Kirche."
Das stimmt! 1791 wurde die Brauerei Rothaus durch das Kloster St. Blasien gegründet. Es ging damals um eine zuverlässige Bierversorgung der Geistlichkeit und um die Schaffung von Arbeitsplätzen und Einkommen. Der Standort an dem knapp 1000 Meter hoch gelegenem Ort war günstig: Hier kreuzten sich zwei wichtige Handelswege, es gab bereits eine Gaststätte "Zum Roten Haus". Außerdem reichlich Wasser zum Brauen und Holz für die Energieversorgung. 1806 – unter Napoleon – wurde der Kirchenbesitz "säkularisiert" wie es damals hieß und kam zum Eigentum des Großherzhogtum Baden. 1922 wurde die Badische Staatsbrauerei dann in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Musste von nun an nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen arbeiten und nicht nach Anweisungen der staatlichen Obrigkeit. Gleichwohl blieb das Wirtschaftsunternehmen immer weiter im staatlichen Besitz. Und immer mehr wuchs die Bierproduktion am Roten Haus.

Gegen Ende des letzten Jahrhunderts – nach 1980 - verbreitete sich ein neuer Glaube in der Ökonomie – der Neoliberalismus. Erst in England und den USA, später auch in Deutschland. Staatsunternehmen aller Art galten nun als sozialistisches Teufelszeugs. Privatisierung wurde zum Zauberwort der Politik. Auch in Baden-Württemberg. In fast allen Parteien. "Privatisierungserlöse helfen die Zukunft des Landes zu sichern" schrieb die FDP noch 2006 in ihr Koalitionspapier bei den Regierungsverhandlungen mit der CDU. Und forderte "staatliche Unternehmensbeteilungen gehören auf dem Prüfstand." Gemeint war auch die Rothaus-Brauerei. Doch die CDU, die Partei von Thomas Schäuble, eigentlich ebenfalls Verfechter des Privatisierungs-Glaubens, schmetterte das Anliegen ab. Wieder einmal.

"Aber ich schließe es selbst nicht aus, die Diskussion, die war ja auch schon im vorigen Jahrhundert über den Verkauf, dass dieses Ungeheuer von Loch Neß immer mal wieder auftaucht."

Zurzeit hat sich der Wind der Weltwirtschaft gedreht. Jetzt, in der großen Krise, rufen immer mehr private Unternehmen nach der Hilfe des Staates. Auch – zumindest vorübergehende - staatliche Beteilungen an privaten Wirtschaftsunternehmen sind auf einmal nicht mehr tabu.

"Zurzeit kommen viele Fragen, ob es angesichts der bekannten Krise nicht Rothaus, ein gutes Beispiel wäre, dass der Staat sich doch jetzt stärker bei den Firmen und Unternehmen beteiligt. Da muss ich dann immer darauf hinweisen: Erstens haben wir nie Geld vom Staat bekommen, zweitens sind wir operativ unabhängig und drittens sind wir ein Sonderfall."

Der Verdrängungskampf auf dem deutschen Biermarkt ist beinhart, nicht erst seit der Wirtschaftskrise: Seit Jahren geht deutschlandweit der Bierkonsum zurück. Viele Brauereien gerieten deshalb in Schwierigkeiten oder wurden mit anderen zu immer größeren Konzernen fusioniert. Doch die Badener Staatsbauerei Rothaus AG, blieb unabhängig. Konnte ihren Bierabsatz sogar immer weiter steigern. 940.000 Hektoliter braute sie im vergangenen Geschäftsjahr. Setzte dabei 85 Millionen Euro um. Und erwirtschaftete daraus einen Gewinn von 30 Prozent. Das ist mehr Rendite als Josef Ackermann auf dem Höhepunkt der Finanzblase von der Deutschen Bank je forderte. Und dreimal mehr als die meisten Wettbewerber in der Bierbranche schaffen. Doch was ist das Geheimnis der staatlichen Bierbrauer aus dem Hochschwarzwald?

"Das ist die Maische. Wasser und Malz wird zwei Stunden gemaischt, der Sinn des Maischens ist die Malz-Stärke. Mit Hilfe von Enzymen, die in dem Malz kaum drin sind, die Stärke zu verzuckern, weil nur Zucker ist vergärbar, sie können aus Stärke keinen Alkohol gewinnen."

Braumeister Max Sachs schaut durch das Sichtfenster in die Maischepfanne. Insgesamt sieben, auf Hochglanz polierte, Braukessel stehen in dem neuem Sudhaus, dem Herzstück der Brauerei. Fünf Millionen Euro hat Rothaus hier vor zwei Jahren investiert. In einen kathedralenartigen Bau mit großen Fenstern, die vorbeikommenden Schwarzwald-Wandernden Einblicke in die blitzblanke Brauhalle gewähren. Und in traditionelle aber auch sehr teuere Braukessel aus handgearbeitetem Kupfer.

"Für uns ist das Werk, dass wir uns das geleistet haben die Tradition. Und das ist das letzte dieser Art in dieser Größenordnung in einer doch relativ großen Brauerei, die sowas macht. Die anderen machen noch nicht einmal Edelstahl poliert oder Edelstahl geschliffen, sondern die machen halt raffinerieartige Gefäße hin. Die machen auch Bier, aber das ist ein bisschen unser Image unser Selbstverständnis."

Vor 22 Jahren kam der bayerische Franke Max Sachs als junger Braumeister ins badische Rothaus. Seitdem haben er und seine Kollegen den jährlichen Bierausstoß der Brauerei verdreifacht. Die Brauerei mit modernster Technik ausgerüstet. Aber ohne dabei von den bewährten Rezepturen abzurücken oder immer neuen Moden auf dem Biermarkt mitzumachen. Dosenbier – das gab es nie bei Rothaus. Immer leichtere Biere, Billigmarken oder gar Biermixgetränke – auch hier: Fehlanzeige. Lediglich ein Weizenbier und ein Radler bietet die Staatsbrauerei neben ihrem traditionellen Pilsbier, dem "Tannenzäple", an. Und das ist auch noch deutlich teurer als die meisten anderen Premium-Biere. Nicht nur, weil die Biersteuer nach der Stammwürze berechnet wird, die beim Rothaus-Pils höher liegt als bei Anderen.

"Sie müssen parallel dazu auch mehr Malz kaufen. Mehr Malz verträgt mehr Hopfen. Also das heißt, uns kostet die Herstellung doch – da sind wir im Betriebsvergleich immer deutlich mehr als bei den Mitbewerbern. Wir liegen in vielen Sachen, wir liegen letztendlich in der Produktivität liegen wir in allen Abteilungen gut. Wir sind im Stromverbrauch günstig. Wir sind beim Energieverbrauch allgemein günstiger usw. Aber bei den Rohstoffen sind wir immer wesentlich teuerer. Und die erklären sich aus unseren doch etwas speziellen Rezepten."

Bei der Rothaus AG wird aber auch viel Geld eingespart. Nicht bei den Rohstoff-Lieferanten, die aus der Region kommen und zu denen man langjährige und verlässliche Beziehungen pflegt. Auch nicht bei den 230 Mitarbeitern, die mit einem 13. und sogar einem 14. Monatsgehalt an dem wirtschaftlichen Erfolg der Staats-AG beteiligt sind. Gespart wird zum Beispiel bei den Banken: Bei Rothaus werden seit Jahrzehnten alle Betriebsinvestitionen aus eigenen Ersparnissen finanziert. Und: Gegeizt wird auch dort, wo andere große Brauereien Millionen ausgeben, bei der Werbung, sagt Braumeister Sachs.

"Wir machen also keine Fernsehwerbung, wir machen keine Zeitschriftenwerbung, nicht im Radio. Wir schalten mal ne kleine Anzeige, wenn ein Verein was hat und im Sportsponsoring und im Kultursponsoring sind wir schon aktiv, aber es ist ein Bruchteil dessen, was vergleichbare andere Brauereien tun."

Für die Werbung ist bei Rothaus seit Jahrzehnten eine - in bunten Farben gemalte - Frau zuständig. Sie trägt eine Schwarzwald-Tracht hat rote Wangen und hält in jeder Hand ein schäumendes Glas Bier. "Biergit" heißt sie – was auf hochdeutsch soviel bedeutet wie: "die, die das Bier gibt". Ihr Nachnahme ist "Kraft". "Biergit Kraft" also. Oder - übersetzt - "Bier gibt Kraft". Das Markenzeichen und der Slogan stammen noch aus der Werbe-Steinzeit der 70er-Jahre – das räumt Brauerei-Vorstand Thomas Schäuble freimütig ein:

"Wir machen ein Marketing, was nicht jedem Zeitgeist hinterher läuft. Experten haben uns lange versucht einzureden: Euer Bier ist gut, aber Euer Werbeauftritt ist altmodisch, da müsst ihr mal was machen. Wir Schwarzwälder sind stur und sind seit Jahrzehnten immer beim gleichen Werbeauftritt geblieben. Und ich glaub, das zahlt sich aus."

Das Tannenzäpfle und die Biergit sind inzwischen deutschlandweit bekannt. Zumindest in den Metropolen. In Hamburger, Kölner oder Berliner Szenekneipen gilt das Bier der Badener Staatsbrauerei als Kultgetränk. Und das alles fast ohne Werbung.

"Nein, aber rückblickend ist man ja immer schlauer. Ich glaube einfach unser altmodischer, heimatbewusster Schwarzwald-Auftritt, der wird die Leute zum Teil amüsieren, zum Teil auch irgendwie ansprechen, weil in dieser globalisierten verrückten Welt ist die Heimat ja auch irgendwie den Leuten näher. Im Übrigen ist der Schwarzwald auch ein Positiv-Faktor auch vom Urlaub her und da mag einiges zusammenkommen und wenn man sieht, dass in Berlin doch viele Baden-Württemberger leben, kann man sich das im Nachhinein erklären, warum das in Berlin doch ein ganz netter Erfolg ist."

Noch immer liegt der Hauptabsatzmarkt für Rothaus aber im heimischen Baden-Württemberg. Trotz aller überregionalen Erfolge versteht man sich als regionale Biermarke. Und als Unternehmen, das in der Region verwurzelt ist. Vor allem in der 2300 Einwohner zählenden Gemeinde Grafenhausen, zu der Rothaus gehört.

Das Rathaus von Grafenhausen: Ein Schmuckstück, über 100 Jahre alt und in hellem rosa gestrichen. So wie auch die drei Kilometer entfernte Staatsbrauerei. Damals, 1791, half die Brauereigründung dem vom Dreißigjährigen Krieg schwer geschädigte Grafenhausen wirtschaftlich wieder auf die Beine, sagt Bürgermeister Erich Kiefer. Dreißig Jahre ist er schon im Amt Und bis heute bringt Rothaus der Gemeinde großes Glück. Es kommt zumeist im Wonnemonat Mai.

"Ja gut, der Mai ist insofern interessant. April, Mai spätestens Juni kommt so der Steuerbescheid des Vorjahres. Und das ist für uns ganz entscheidend, was sich da getan hat."

Knapp drei Millionen Euro an Gewerbesteuer brachte die Brauerei im letzten Jahr auf. Das ist ein stolzer Betrag für eine kleine Gemeinde im strukturschwachen Hochschwarzwald. Zwar müssen 80 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen an das Land abgeführt werden. Dennoch bleibt genug Geld, um Grafenhausen komfortabel auszustatten. Bürgermeister Kiefer blickt lächelnd aus dem Fenster des Ratsaales. Auf den neu gepflasterten Marktplatz, den von Künstlerhand gestalteten Brunnen und die vielen hübsch renovierten alten Gebäude.

"Und das da oben ist die Grundschule, rechts davon das ehemalige Farren-Gebäude, das ist denkmalgeschützt, das mussten wir originalgetreu erhalten und dann den Kurpark haben wir gemacht, das Haus des Gastes, das ist ganz gigantisch."

Es gibt auch noch ein Hallenbad, neue Gemeindestraßen und ein neues Gewerbegebiet auf dem sich Kleine und Mittelständische Betriebe angesiedelt haben. Und dennoch ist Grafenhausen schuldenfrei. Alles dank des gut laufenden Staatsbetriebes. Doch die über die Jahre ständig gestiegenen Gewerbesteuer ist noch nicht alles. Die Rothaus AG ist ein beliebter Arbeitgeber, sie vergibt - wenn immer möglich - ihre Handwerks- und Bauaufträge in der heimischen Umgebung. Und dazu noch ihren guten Namen: "Grafenhausen im Rothauser Land" so darf die Hochschwarzwald-Gemeinde ihre Urlaubsangebote bewerben –mit dem offiziellen roten Schriftzug der Rothaus AG. Natürlich umsonst. Grafenhausen und Rothaus – das ist hier ein und dasselbe, sagt der Bürgermeister und lächelt zufrieden.

"Man identifiziert sich mit der Brauerei, das ist unsere Brauerei. Und ich glaub auch kaum, dass auch groß ne andere Biersorte groß in Grafenhausen Fuß fassen wird oder kann überhaupt."

Hat der florierende Staatskapitalismus im Hochschwarzwald womöglich ein Biermonopol geschaffen, das anderen Brauern das Wasser abgräbt? Es sieht fast so aus. Doch nur auf den ersten Blick ...

Die Privatbrauerei Waldhaus liegt nur zwanzig Kilometer von Rothaus und Grafenhausen entfernt. Seit 1894 befindet sich das Unternehmen im Besitz der Familie Schmid. 30 Mitarbeiter beschäftigt der Junior-Chef Dieter Schmidt heute, braut rund 36.000 Hektoliter im Jahr. Das ist gerade mal ein fünfundzwanzigstel des Bierausstoßes der benachbarten Staatsbrauerei. Trotzdem – bedrängt fühlt sich man sich bei Waldhaus nicht vom Riesen Rothaus

"Es lebt sich sehr gut, weil man muss ja sehen: Wir waren ja schon immer Nachbarn also schon Jahrhunderte lang sind wir Nachbarn. Das ist sicher ein anderes Verhältnis, als wenn jetzt plötzlich eine Brauerei in eine Gegend kommt, in der sie früher nicht vertreten war. Da ist natürlich eine starke Konkurrenz-Situation da. Bei uns ist das nicht so. Es war eher so, dass Rothaus schon immer ein hervorragendes Bier gebraut hat und das spornt natürlich an."

Bei Waldhaus braucht man sich nicht zu verstecken. Die Bierspezialitäten der kleinen Privatbrauerei sind vielfach prämiert. Das Pils bekam sogar eine Auszeichnung in den USA: als zweitbestes Bier der Welt. Natürlich kann Dieter Schmid seine Bierspezialitäten aus Waldhaus nicht weltweit vertreiben, dafür sind die Brauerei und der Ausstoß viel zu klein. Aber bis nach Berlin und in andere deutsche Großstädte schafft man es mit dem Waldhaus-Bier trotzdem, dank dem großen Nachbarn in Rothaus.

"Zum einen ist es sehr lustig natürlich, wenn man überregional reist. Dann wird man gefragt, was für ein Bier das man hat und dann sagt natürlich jeder: ja, das kenn ich, aber das sind dann meistens nicht wir im Schwarzwald, das ist dann natürlich unser großer Nachbar. Aber nichtsdestotrotz haben wir den großen Vorteil: große Logistik-Unternehmen haben es dann nicht weit bis zu uns, weil die müssen dann nur noch die Strecke von Rothaus bis zu uns fahren. Und ich sag immer: Den Sattelzug voller Rothaus und den Anhänger voller Waldhaus – dann passt das schon."

Auch bei Waldhaus konnte man in den letzten Jahren – trotz Bierkrise – den Absatz steigern. Und das nachdem die Preise erhöht wurden. Marktwirtschaft paradox ...

Bei der Staatsbrauerei in Rothaus sind die Grenzen des Wachstums jetzt erreicht, glaubt Vorstand Thomas Schäuble.

"Wir dürften nie den Fehler begehen, in der Liga von Bitburger oder Krombacher oder wie die alle heißen mitspielen zu wollen. Dann müssten wir genau Fernsehwerbung und all die anderen Dinge machen und das ist wohl nicht Aufgabe einer Brauerei, die dem Land Baden-Württemberg gehört."

17 Millionen Euro pro Jahr kann Schäuble an das Land Baden-Württemberg überweisen - als Dividende. Ein stolzer Betrag für ein mittelständisches Unternehmen. Wenn das so bleibt, wird in der Landeshauptstadt Stuttgart wohl erstmal keiner mehr über die Privatisierung der Staatsbrauerei reden, davon ist der ehemalige Innenminister überzeugt.

"Aber ich füge auch ganz offen hinzu, die Tatsache, dass wir operativ unabhängig sind und in Ruhe gelassen werden, die beruht darauf, dass wir Erfolg haben. Sobald der Erfolg nicht mehr da wäre, dann würde natürlich auch das Land ganz anders auf der Matte stehen."