Beethovens Schatten

02.11.2012
Über Jahrhunderte war das Musikleben Europas geprägt von lebenden Komponisten und ihren Werken, manche hatten ihre Inspiration, das Sujet, die aktuelle Eingabe aus den unmittelbaren Ereignissen der Politik oder Gesellschaft oder ganz einfach des Zeitgeistes schöpfen können. Eine Sonate, welche schon 20 Jahre alt war, aufzuführen, kam niemand in den Sinn, es sei denn, sie hatte einen aktuellen Bezug zum Rest des jeweiligen Programms.
Manche Säulen der abendländischen Musikkultur, die heute aus dem globalisierten Betrieb nicht wegzudenken wären, wie zum Beispiel Bachs Matthäus-Passion, existierten als große Ikone des Lernens über Jahrzehnte nur für die schmale Zunft der Tonkünstler, bevor sie – hier von Mendelssohn-Bartholdy - für die Allgemeinheit wieder entdeckt wurden. Dieser Prozess wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erweitert und beschleunigt: das Idol der Romantisierung war ohnehin neben der Entdeckung individueller Gefühlswelten vor allem eine Sicht auf das Vergangene. Was lag darum näher, als sich an Mozart und Beethoven zu ergötzen?

Im 20. Jahrhundert geriet der Geschmack der musikliebenden Teile der Gesellschaft dann vollends in Konflikt mit den Bestrebungen der Moderne. Inzwischen hatte sich auch noch eine unterhaltende, quasi light-Variante, heute als U-Musik bezeichnet, von der sogenannten Ernsten Musik abgespalten. Auch das eine Tendenz, die bis heute andauert und durch den Religions- und damit Werte- und Kulturverlust großer Teile der Bevölkerung noch verstärkt wurde.

Man hört nur, was man weiß (Hans Zender) und am liebsten hört man, was man eigentlich schon kennt. Damit steht die Tradition der Rezeption auf dem Kopf! Schuld ist jedoch nicht nur die nachlassende musikalische Bildung der Hörerschaft und damit ihrer Möglichkeit zur Differenzierung, schuldig sind auch die Interpreten, die einen schmalen Kanon von Meisterwerken – oft ohne wirkliche Berechtigung – wieder und wieder aufführen und auf Tonträger aufnehmen und damit aus dem Auge verlieren, dass es eine Spitze nur geben kann, wenn dahinter auch die Breite existiert.
In diesem Prozess der Verarmung sind nun nicht nur jene Werke unter das Rad der Vergessenheit gekommen, die eine qualitative Auslese ohnehin dort hin gebracht hätte. Nein, auch wirkliche Meisterwerke fallen ihr zum Opfer! Es sei noch darauf verwiesen, dass es oft überhaupt einer Einspielung bedarf, um das jeweilige Werk beurteilen zu können, denn wer nähme sich noch die Zeit und Mühe, die Partitur am Klavier durch zu spielen. Es sollte also Aufgabe von uns Interpreten sein, wachen Sinnes nach solchen Werken zu suchen und diesen zu einer hörbaren und damit bewertbaren Renaissance zu verhelfen... (Matthias Moosdorf) leipzigquartet



Live aus dem Mendelssohn-Haus Leipzig

Wolfgang Amadeus Mozart
Quartett C-Dur KV 465 ("Dissonanzenquartett")

Andreas Romberg
Quartett in g op. 16/2

ca. 21:00 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
"Auf der Suche nach dem geheimnisvollen Lack" - Geigenbau in Palästina
Von Volker Michael
Ruth Jarre im Gespräch mit Matthias Moosdorf und
Jürgen Ernst, dem Leiter des Leipziger Mendelssohn-Hauses

Franz Schubert
Quartett a-Moll D 804 ("Rosamunde")

Leipziger Streichquartett:
Stefan Arzberger, 1. Violine
Tilman Büning, 2. Violine
Ivo Bauer, Viola
Matthias Moosdorf, Violoncello