Beatles-Bühnenjubiläum in Hamburg

Die Fab Four werden gefeiert - ein bisschen

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Eine Schwarzweißfotografie auf Papier zeigt die Beatles bei ihrem ersten Auftritt im Hamburger Indra-Club am 17. August 1960.
Der erste Gig der Beatles vor 60 Jahren: Für Fans weltweit ist Hamburg daher eine Beatles-Stadt. © DPA
Von Dirk Schneider · 17.08.2020
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Für Millionen Fans in aller Welt ist Hamburg Beatles-Stadt, denn hier traten die Liverpooler Jungs vor 60 Jahren zum ersten Mal auf. Die Hansestadt könnte davon profitieren, doch es sind eher private Initiativen, die hier das "Beatles-Erbe" bewahren.
Niemand hält in Hamburg die Erinnerung an die Beatles mit so viel Energie, aber auch Enthusiasmus am Leben wie Stefanie Hempel. Seit 16 Jahren führt sie Touristinnen und Touristen aus aller Welt durch St. Pauli, um die Geschichte der Beatles in Hamburg zu erzählen: Indra, früherer Star Club, Kaiserkeller, Bambi Kino, Pacific Hotel, Jägerpassage, wo das berühmte John-Lennon-Foto entstanden ist, das später das Cover seines "Rock ’n’ Roll"-Albums werden sollte.
Hempel hat enge Kontakte zu Zeitzeugen und Verwandten der Beatles in Großbritannien, ist in regelmäßigem Austausch mit Beatles-Biograf Mark Lewisohn, und wenn jetzt das 60. Bühnenjubiläum der Beatles ansteht, stehen auch die Journalisten der britischen Boulevardblätter zum Interview bei ihr an. In Hamburg hatte sie damit nicht immer einen leichten Stand.
Stefanie Hempel: "Die Beatles, und alles, was hier an Pop- und Rockgeschichte geschrieben wurde in Hamburg, das wurde vor zehn Jahren noch nicht als Kultur angesehen."

"Come Together"-Festival fällt aus

Und zehn Jahre später auch nur ein bisschen: Für März dieses Jahres hatte Hempel das ganz große Beatles-Projekt auf die Beine gestellt, gemeinsam mit dem Hamburger Unternehmer Uritz von Oertzen: das dreitägige "Come Together"-Festival. Veranstaltungen mit Zeitzeugen, Beatles-Touren, vor allem aber mit jungen Bands, die in ihrer Musik auf unterschiedlichste Weise den Beatles huldigen.
Die Coronapandemie hat auch dieses Vorhaben weggeblasen, das - wie fast alle Beatles-Initiativen in Hamburg - vorwiegend privat finanziert war.
"Die Idee fand man bei Hamburg Marketing, Hamburg Tourismus, auch der Kulturbehörde, sehr gut", sagt sie. "Schwierig wurde es dann mit der finanziellen Unterstützung, die hat dafür dann nicht stattgefunden. Obwohl: Zum Teil sollten von Hamburg Marketing ein paar Gagen und Flüge übernommen werden, aber zum kleinen Teil."
Das große Geld ist in den Beatles nicht drin, jedenfalls nicht in Deutschland, sonst hätten Investoren St. Pauli wahrscheinlich längst in ein Beatles-Disneyland verwandelt, wie man es in Liverpool zum Teil erleben kann. Die große Fanbase befindet sich eher in anderen Ländern, Japan, Skandinavien, Nord- und längst auch Südamerika.

Manche Fans brechen in Tränen aus

Stefanie Hempel kennt diese Hardcore-Fans, die auf ihren Touren auch mal vor Rührung in Tränen ausbrechen.
Wenn diese Fans beim Besuch des Beatles-Platzes in Tränen ausbrechen, hat das meistens andere Gründe. Der runde Platz am Ende der Großen Freiheit, dessen Benennung und Gestaltung auf die Initiative eines privaten Radiosenders zurückgehen, gibt ein trauriges Bild ab.
Einem Plattenteller nachempfunden, sollten im Boden eingelassene Lichter den Eindruck erwecken, der schwarz gepflasterte Platz drehe sich. Auch die Stahlsilhouetten der Musiker sollten nachts eigentlich erleuchtet sein. Hier leuchtet nichts mehr. Eine Enttäuschung für Beatles-Touristen, die Guido Neumann von der Marketingagentur der Stadt Hamburg durchaus im Blick hat.
"Der internationale Beatles-Fan ist superattraktiv für Hamburg", sagt er. "Er ist ein bisschen älter, er ist wohlhabend, und es gibt auf der Welt einen richtigen Beatles-Tourismus. Das heißt: Die Leute reisen zu den Punkten, nach Liverpool, teilweise auch nach Hamburg, zu den Punkten der Beatles."
Diese Punkte der Beatles, in Hamburg bestehen sie vor allem aus Hausfassaden: Hier war mal, hier haben mal, … Ein privates Beatles-Museum auf der Reeperbahn hat nach drei Jahren wieder geschlossen: Familien mit Kindern wollten hier tagsüber nicht hin, abends gab es dann Probleme mit betrunkenen Fans.
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda möchte das Thema "Hamburg und die Beatles" nicht zu hoch hängen: "Sie sind hier zwar, wie John Lennon gesagt hat, erwachsen geworden. Aber groß geworden und richtig durchgestartet, damit verbinden sich dann ja andere. Das ist dann immer die British Invasion und der Übergang in die USA, und da war Hamburg dann eine schmale Erinnerung am Horizont."

Popkulturelles Erbe der Stadt

Dabei ist Brosda wahrscheinlich Hamburgs erster Kultursenator, der mit Popkultur sozialisiert wurde. Er versteht die Beatles und ihr Erbe, glaubt aber nicht, dass sich die Stadt hier mehr engagieren müsste:
"Das ist schon Gegenstand des popkulturellen Erbes", sagt er. "Und das muss ich nicht uncool immer wieder behaupten und mir vor die Brust klopfen. So nach dem Muster: 'Behauptet das nur oft genug, dass ihr die Beatles-Stadt seid, dann glauben die Leute euch das auch irgendwann.' Ich glaube, wenn Sie das große Zeichen suchen, wie Hamburg mit den Beatles umgeht, dann ist es das Reeperbahn Festival. Ohne, dass man 'Beatles' draufschreibt."
Doch für Millionen Fans in aller Welt ist Hamburg Beatles-Stadt, und die ersten Jahre der Band sind für sie sicher mehr als eine "schmale Erinnerung am Horizont". Sie sind vielleicht sogar interessanter für viele als die Jahre des Ruhms - hier waren die Fab Four noch Nobodys, umso intimer wirkt die Begegnung mit den Schauplätzen.
Das Schöne aber ist: Die Straßenecken und Fassaden, vor denen Stefanie Hempel heute die Beatles-Geschichten erzählt, wirken heute noch so lebendig, so wenig abgegriffen wie damals. Sie wirken noch nach 60 Jahren: authentisch.

Das 60. Bühnenjubiläum der Beatles wird in Hamburg natürlich trotzdem gefeiert: In der Elbphilharmonie spielt die Jazzpianistin Julia Hülsmann mit Christopher Dell und Nils Wogram Beatles-Arrangements. Im Anschluss startet im Club Indra, dem Ort des ersten Beatles-Auftritts, unter dem Titel "Stream and Shout" eine Jubiläumsgala mit Livegästen wie der Musikerin Cäthe, dem Kaiser Quartett, Bernd Begemann, mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und Livezuschaltungen aus Liverpool und New York. Das Ganze wird im Livestream übertragen.

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