Beabadoobee und ihr Debüt "Fake it Flowers"

Generation Z entdeckt den Sound der 90er

08:37 Minuten
Die britische Musikerin Beabadoobee singt bei einem Auftritt mit geschlossenen Augen und zurückgelehntem Kopf in ein Mikrofon.
Alanis Morissette, Suzanne Vega und The Cranberries hätten sie inspiriert, sagt Musikerin Beabadoobee. © picture alliance / Photoshot
Christine Franz im Gespräch mit Oliver Schwesig · 16.10.2020
Audio herunterladen
Ihr Vater schenkt ihr eine Gitarre und sie landet via Youtube einen Hit: Nun bringt die 20-jährige Londoner Musikerin Beabadoobee ein Album heraus, das wie die 90er-Jahre klingt. Sie habe das Zeug zum Role Model, sagt Kritikerin Christine Franz.
Die Klamotten aus den 90ern sind längst wieder da, mit ihren übergroßen Jeansjacken, Holzfällerhemden und weißen Tennissocken in weiten Hochwasserhosen. Nun entdeckt die Generation Z auch den Sound der 90er wieder. Aber unter den Bedroom-Musikern sind Laptopfrickler der Marke James Blake schon wieder Vergangenheit. Jetzt sind die Gitarren zurück. Bestes Beispiel ist die Londoner Musikerin Beabadoobee, mit bürgerlichem Namen Beatrice Laus. Sie wurde innerhalb kürzester Zeit zum Star im Netz. Jetzt ist ihr Debüt-Album "Fake It Flowers" erschienen.
Die Musik erinnere sehr an die 90er, an Grunge, an Lo-Fi Rock, sagt Musikkritikerin Christine Franz. "Verzerrte Gitarren, mit Ecken und Kanten, nicht zu glattproduziert, dafür aber mit eingängigen Pop-Melodien als Basis. Dazu dieser perfekt-unperfekte Gesang, wie man ihn noch aus den 90ern von Bands wie Mazzy Star oder Moldy Peaches kennt." Dass sich Beabadoobee so stark an den 90ern orientiert, sei kein Zufall, so Franz, die mit der Musikerin geskypt hat. Schuld seien ihre Eltern, genauer gesagt die Plattensammlung ihrer Mutter, erzählt Beabadoobee:
"Als ich klein war, hat meine Mutter immer Musik aus den 90ern gehört, zum Beispiel Alanis Morissette. Die habe ich wiederentdeckt, als ich mein Album aufgenommen habe. Von Alanis bin ich dann auf Suzanne Vega gestoßen und von Suzanne auf The Cranberries. Und schon wurde ich wie Alice im Wunderland in den Kaninchenbau der fantastischen Musikerinnen aus den 90ern gezogen. Diese Zeit ist für mich total interessant und so ‚echt‘."
Mit diesem Retro-Sound ist Beabadoobee aber nicht alleine. Es scheint, als entdecke die Generation Z den Sound der 90er gerade wieder. "Ja, es gibt eine Reihe junger Bands, alles Frauen Anfang 20, zum Beispiel Soccer Mommy, Dream Wife oder The Coathangers", erklärt Christine Franz. "Die haben alle so einen 90er-Jahre-inspirierten Sound und man merkt ihnen an: Es ist keine Marketingstrategie, sondern sie sind wirklich Fans."

Selbstbestimmung, Mental Illness und Beziehungen

Beabadoobee sagt zur Wiederentdeckung der Gitarre: "Ohne Gitarre kann ich einfach keine Songs schreiben." Im Unterschied zu ihr komponierten die Bedroom Artists ihrer Generation in den vergangenen Jahren am Laptop und die Gitarre war ziemlich out. Die Gitarre haben etwas "Ermächtigendes, Starkmachendes", so Beabadoobee. "Und man kann sie ganz unterschiedlich stimmen." Sie biete endlose Möglichkeiten.
Die Geschichte der Musikerin klinge ein bisschen wie aus einer Coming-of-Age-Doku, die bei Netflix laufen könnte, meint Christine Franz. Geboren wurde sie im Jahr 2000 auf den Philippinen und kam mit drei Jahren mit ihren Eltern nach London. Dort ging sie auf eine katholische Mädchenschule, auf der sie sich als philippinisches Mädchen total isoliert fühlte.
"Mit fast 15 hat sie dann angefangen, mit Drogen herumzuprobieren, und fliegt deshalb von der Schule", so Franz. Aber sie habe einen ziemlich coolen Vater, der ihr geholfen habe, das Ganze zu verarbeiten und ihr eine Gitarre schenkte. "Sie schreibt einen Song und stellt ihn auf Youtube und der geht durch die Decke."
Der Titel von Beabadoobees Debüt-Album "Fake It Flowers" sei ein Wortspiel, so Franz. "Fake Flowers sind Kunstblumen. Und bei faken geht es darum, etwas darzustellen, was man nicht ist, ums Simulieren." Das sei das Motto der Platte. "Es geht viel um Selbstbestimmung, Mental Illness und Beziehungen."

"Als weibliches Role Model taugt sie sehr gut"

Der Guardian rief Beabadoobee gerade zur "Voice der Generation Z" aus. "Ich finde, das könnte ganz gut aufgehen", bilanziert Christine Franz. "Sie hat als Künstlerin eine sehr besondere Ausstrahlung. Es gibt inzwischen schon Schminktutorials im Internet."
Das Album selbst sei zwar "unglaublich retro", aber die Musikerin strahle eine Liebe zur Musik und eine Frische aus, die man lange nicht mehr gehört habe. Und sie beweise: "Man muss sich nicht verbiegen, man kann sein Ding machen und damit erfolgreich sein. Ich glaube, als weibliches Role Model taugt sie da sehr gut."
Ein wenig befürchte sie nun aber, so Christine Franz, "dass sich jetzt viele große Major Labels dieser Idee bedienen werden und mit irgendeiner 90s-inspierierten jungen Künstlerin um die Ecke kommen."
(abr)
Mehr zum Thema