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Eröffnung vor 25 Jahren
East Side Gallery - buntes Denkmal aus Beton

Die längste Open-Air-Galerie der Welt verläuft auf 1,3 Kilometer am Berliner Spreeufer zwischen Oberbaumbrücke und Ostbahnhof. Im Februar 1990 hatten 118 internationale Künstler begonnen, Themen wie Freiheit, Frieden oder Umweltschutz auf dem Mauerstück zu inszenieren. Doch seit seiner Einweihung vor 25 Jahren ist das Denkmal immer wieder bedroht.

Von Regina Kusch | 28.09.2015
    Eine Frau und ein Mann gehen am 18.04.2015 in Berlin im Licht der untergehenden Sonne an der East Side Gallery spazieren.
    Eine Frau und ein Mann gehen am 18.04.2015 in Berlin im Licht der untergehenden Sonne an der East Side Gallery spazieren. (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    "1989, 12 Uhr Nachts, hab ich durchs Radio erfahren, Mensch, die Mauer ist gefallen. Im dritten Stock hab ich gewohnt, genau am Checkpoint Charlie. Vier Meter weit wohnte ich also von der Mauer. Und dort hab ich die ganzen Szenen an dem Abend erlebt. Wie die Menschenmasse langsam, langsam von Osten nach Westen kam. Da hab ich dann schnell eine Leinwand geholt und genau die Szene hab ich dann in meinem Kopf eingespeichert und die hab ich dann gemalt."
    "Es geschah im November" heißt das Bild des deutsch-iranischen Künstlers Kani Alavi, auf dem sich vor einem blauen Hintergrund die weiße Betonmauer teilt und eine Flut von Gesichtern hindurchströmt.
    "Es war eine kurze Zeit, eine Epoche, wo sehr viele Menschen in Gedanken waren, wir kommen raus, aber was wird danach? Diese unsichtbaren Gefühle. Ängste, ich komme raus, weiß nicht wohin. Und ob ich überhaupt wieder zurückkehren kann. Ob die Mauer wieder hinter uns nicht zugemacht wird. Und das waren die Gefühle, die ich auf deren Gesichtern gesehen habe."
    Heute ist dieses Gemälde auf der East Side Gallery zu sehen.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Viele Menschen wollen nicht, dass Mauer-Reste abgerissen werden (Bild: picture alliance / dpa) (picture alliance / dpa)
    Im Februar 1990 hatten 118 internationale Künstler begonnen, ein 1,3 Kilometer langes graues Mauerstück am Spreeufer, der Grenze zwischen Kreuzberg und Friedrichshain, im Ostteil der Stadt zu bemalen und Themen wie Freiheit, Frieden oder Umweltschutz farbenfroh zu inszenieren. So entstand die größte Freiluft-Ausstellung der Welt, die am 28. September 1990 eröffnet und ein Jahr später unter Denkmalschutz gestellt wurde. Das längste, noch zusammenhängende Mauerstück wurde mittlerweile zum Kultobjekt. Gut zwei Millionen Besucher pilgern jährlich dorthin, um Dimitri Wrubels berühmten Bruderkuss von Honecker und Breschnew anzusehen oder den Trabi der Leipzigerin Birgit Kinder, der die Mauer durchbricht, das bekannteste Bild der East Side Gallery. Auf seinen Kunstführungen wird Kani Alavi immer wieder zu den Motiven befragt.
    "Wenn der Trabi durch die Wand durchfährt, warum eigentlich hat die Künstlerin sowas gemalt? Sie hat ihren eigenen Trabi, der wirklich aus Pappe bestand, durch die Wand, also richtig massive Mauer durchbrochen. Das heißt also, man kann alles durchbrechen, wenn man einfach den Freiheitsgedanken hat. Oder zum Beispiel ein ungarischer Künstler hat mit zwei Menschenschreien von rechts und links die Mauer durchbrochen. Wie einfach ein Mensch sich befreit und gleichzeitig dies künstlerisch umsetzt. "
    Von Witterungseinflüssen und Schmierereien schwer beschädigt, musste das Denkmal 2009 restauriert werden. Ein Verein zum Erhalt der East Side Gallery, dessen Vorsitzender Kani Alavi ist, akquirierte die nötigen Gelder. Die Betonsegmente wurden saniert. Die meisten Künstler von 1990 reisten noch einmal nach Berlin und erneuerten ihre verblichenen Werke, die anschließend mit einem Speziallack überzogen wurden, von dem man Graffitis wieder abwaschen kann.
    (Links seht Ihr die Mühlenstraße in Berlin vor der Deutschen Einheit und rechts ist die inzwischen als East-Side-Gallery bekannte Straße heute zu sehen. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.)
    Die Mühlenstraße in Berlin vor und nach der Deutschen Einheit (Picture alliance / dpa / Eberhard Klöppel; Lukas Schulze)
    Auch durch städtebauliche Maßnahmen, wie zum Beispiel Wohnungsbauprojekte am begehrten Spreeufer, droht dem Kunstwerk immer wieder ein Teilabriss. Für den Bau einer Veranstaltungshalle wurden über 40 Meter Mauer herausgelöst und am Westlichen Ende der Galerie wieder aufgestellt. Zahlreiche Künstler und Denkmalschützer setzen sich daher seit Jahren für den unveränderten Erhalt der East Side Gallery ein. Außerdem engagiert sich Kani Alavi für den Bau eines Museums vor Ort.
    Das Beispiel der East Side Gallery soll international Schule machen, wünscht sich Kani
    Alavi. Schließlich gäbe es noch genügend andere Grenzen auf der Welt, die Menschen gegen ihren Willen trennten.
    "Wir sind demnächst in Korea und machen genau dasselbe Projekt, eine zweite East Side Gallery, direkt an der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea. Die East Side Bilder wurden im Kleinformat von den Künstlern hergestellt und diese Bilder werden dann im Kriegsmuseum in Südkorea ausgestellt und nächstes Jahr werden wir dann dort eine ganz große Fläche direkt an der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea in der Stadt Imjingak aufstellen und dann 14 Tage lang mit Künstlern, auch von nordkoreanischen Künstlern, für die friedliche Zusammenkommen, für die Versöhnung zumindest einen kleinen Beitrag leisten. "