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Frankreichs Meistermaler
Delacroix-Retrospektive in Paris

Von Facebook wurde sie zensiert, jetzt ist sie in einer großen Schau zu sehen: Eugène Delacroix' barbusige Marianne in "Die Freiheit führt das Volk". Zusammen mit knapp 200 anderen Werken zeigt der Louvre das Bild in einer großen Retrospektive, der ersten seit 1963.

Von Kathrin Hondl | 27.03.2018
    Eugène Delacroix’ Gemälde "Die Freiheit führt das Volk" von 1830 zeigt die barbusige, Trikolore-schwenkende Marianne in den Wirren der Juli-Revolution.
    Eugene Delacroix' Gemälde "Die Freiheit führt das Volk" von 1830 (imago stock&people)
    Eigentlich ist ja in Paris immer Delacroix-Retrospektive: Der Louvre besitzt die bedeutendste Sammlung von Werken des französischen Malers, außerdem gibt es ein Delacroix-Museum und natürlich Delacroix-Gemälde in Kirchen und historischen Gebäuden. Warum da also jetzt noch eine große Delacroix-Retrospektive im Louvre?
    Kurator Côme Fabre: "Ja, die Frage kann man sich stellen. Denn die Franzosen kennen Delacroix schon. Delacroix ist sehr präsent hier in Paris. Aber eine solche Synthese, also wirklich seine ganze Karriere, sein ganzes Leben zusammenzubringen und zu versuchen, es global zu verstehen, diesen Versuch hat man sehr selten gemacht. Und man hat selten die Gelegenheit, so viele Meisterwerke zusammenzubringen und auszustellen. Deswegen gab es keine solche Ausstellung seit 55 Jahren."
    Ein vielfältiges Werk
    Côme Fabre ist einer der beiden Kuratoren dieser historischen Retrospektive, die in Zusammenarbeit mit dem New Yorker Metropolitan Museum organisiert wurde. Und angesichts des riesigen Gesamtwerks von Eugène Delacroix hatten die Kuratoren nicht nur die Qual der Auswahl. Eine Herausforderung war es auch, der ungeheuren Vielfalt seiner Kunst gerecht zu werden. Die berühmten spätromantischen Meisterwerke wie "Die Freiheit führt das Volk", "Der Tod des Saradanapal" oder "Dante und Vergil in der Hölle" entstanden fast alle für die Pariser Salons der 1820er-Jahre, also im ersten Jahrzehnt von Delacroix' über 40-jähriger Karriere. Insgesamt aber hinterließ er mehr als 800 Gemälde und zahllose Zeichnungen, über 2.000 allein in der Sammlung des Louvre.
    "Diese Vielfalt ist wirklich kompliziert zu verstehen. Und das war auch eine der Schwierigkeiten für uns: Wie kann man das verstehen? Wie erzählt man das, wie erklärt man das den Besuchern? Schon in seiner Jugend hatte er beschlossen, alle Genres der Malerei zu beherrschen. Sowohl Historienmalerei, als auch Schlachtenbilder, Porträts, Tiere, Stilleben, Landschaft etc. Und dann hat er beschlossen, sich mit allen Traditionen zu konfrontieren. Er wollte wie Rubens malen, dann wie Tizian, dann wie Caravaggio."
    All das zeigt nun die Pariser Ausstellung mit einer klugen Auswahl von 180 Werken aus allen Schaffensperioden: Die für die damalige Zeit provokanten wild romantischen und exzessiv farbigen Gemälde, die Delacroix' Ruf als großen Erneuerer der Malerei begründeten. Dekorative, fast schon barock wirkende Blumenbilder. Christus-Darstellungen in dramatischer Hell-Dunkel-Malerei. Und es wird deutlich: Dieser Delacroix war ein Besessener, besessen nicht nur von der künstlerischen Arbeit, sondern auch davon, berühmt zu werden.
    Mit dem Pinsel zum Ruhm
    "Ruhm ist für mich kein leeres Wort", schrieb der 26-Jährige in sein Tagebuch, und weiter: "Der Lärm der Lobreden berauscht mich mit echtem Glück." Wie sein Vater, der zur Revolutionszeit Botschafter und Minister war, wie seine Brüder, die unter Napoleon I. Militärkarriere gemacht hatten, strebte Delacroix nach gesellschaftlicher Anerkennung.
    "Delacroix wird erwachsen ungefähr 1815, als diese ganze Welt zusammenbricht. Und er beschließt sehr jung, sehr berühmt zu werden. Aber nicht durch die Waffen sondern durch seinen Pinsel!"
    Die einzigartige Überblicksschau im Louvre zeigt und würdigt den Meistermaler Delacroix als selbstbewussten, experimentierfreudigen und virtuosen Künstler seiner Zeit. Kurz: Als den ersten wirklich modernen Künstler. Schließlich sagte kein geringerer als Paul Cézanne einmal: "Wir malen alle in der Sprache von Delacroix."
    "Es ist klar, dass Delacroix Cézanne und Picasso sehr sehr tief beeindruckt hat. Er hat ihnen gezeigt, dass man durch die Farbe eigentlich das Beste, also die Leidenschaften, die Gefühle am meisten wiedergeben kann. Und er hat auch durch seine Karriere gezeigt, dass man, auch wenn man sehr selbstständig ist, trotzdem sehr schnell berühmt werden kann. Auch wenn man den Normen und Konventionen seiner Zeit nicht entspricht."