Bayerische Schmutzeleien

Michael Watzke · 31.08.2013
Es gibt Deutschland und es gibt Bayern mit der CSU: Landesfürst Horst Seehofer, der bisweilen selbst nicht mehr weiß, was er sagt und den WDR aus seinen Ländereien jagen will. Kronprinz Markus Söder und Kronprinzessin Ilse Aigner, die ihren Dolch noch in Zuckerwatte verstecken sowie Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die wie ein Grab schweigt.
Soeben verriet uns Bayerns früherer Ministerpräsident Edmund Stoiber einen Geheimplan: Er habe schon im Jahr 2006 mit Horst Seehofer unter vier Augen vereinbart, dass Seehofer Stoibers Nachfolger als CSU-Chef werden solle.
Bekanntlich kam damals Erwin Huber dazwischen – der niederbayerische Königsmörder entmachtete Stoiber 2007 zusammen mit seinem fränkischen Putschistenführer Günther Beckstein.

Erwin Huber sagt heute: Er habe von einem solchen Stoiber-Seehofer-Plan nichts gewusst – was möglicherweise daran liegt, dass es ein Geheimplan war. Zumindest ist nicht überliefert, dass Seehofer nach dem Stoiber-Treffen im ZDF-heute-journal verkündet hätte: "Das können Sie alles senden!"

Horst Seehofer ist ein durch und durch geheimnisvoller Politiker. So geheimnisvoll, dass er bisweilen selbst nicht mehr weiß, was er gestern gesagt hat. Es interessiert ihn meistens auch nicht. Manchmal ist Seehofer von seinen eigenen, geheimsten Gedanken geradezu überrascht.

Vergangene Woche etwa: Da ließ der CSU-Chef ein Fernsehteam des Westdeutschen Rundfunks wissen, es müsse "raus aus Bayern". Der bayerische Ministerpräsident weitete also das Prinzip der Residenzpflicht, das man bisher nur aus der Asylpolitik kannte, auf die Medienbranche aus.

Der Grund: Ein Kamerateam des WDR-Polit-Magazins "Monitor" wollte unbedingt ein Interview mit Bayerns Landtagspräsidentin Barbara Stamm – die hatte aber keine Lust auf Interviews. Schon gar nicht zur leidigen Abgeordneten-Affäre. Da müsste sie ja ihre geheimsten Geheimnisse ausplaudern und von 6000 Euro teuren Leica-Kameras berichten.

Stamm ist vom Bayerischen Rundfunk gewohnt, dass er sich stets an Interview-Absagen hält – der BR will ja schließlich auch nächstes Jahr wieder ins Schloss Schleißheim eingeladen werden, zum rauschenden Sommer-Empfang des bayerischen Landtags, mit köstlichsten Häppchen von Feinkost Käfer. Die Monitor-Journalisten haben noch nie eine Einladung zum Sommer-Empfang mit Barbara Stamm bekommen – wahrscheinlich haben sie die Grande Dame der CSU allein aus Wut darüber von der Seite angeraunzt.

Nach dem Interview-Überfall beklagte sich die Landtags-Präsidentin bei CSU-Chef Seehofer mit den Worten – "wenn dieses Verhalten nicht unhöflich war, dann weiß ich nicht, was unhöflich ist!" Seehofer war empört: gerade er, der sich in der CSU stets um höfliche Umgangsformen bemüht – vor allem auf Weihnachtsfeiern! – musste von solchen Schmutzeleien hören. Seehofer hält nichts von Schmutzeleien und könnte keinem Glühwürmchen je etwas zuleide tun. Der CSU-Chef betrachtete das Verhalten des WDR-Kamerateams schon deshalb als ungebührlich, weil die Journalisten der Landtagspräsidentin ihre Fragen Auge in Auge stellen wollten. Das gilt in Teilen der CSU als respektlos – hier spricht man keinesfalls Auge in Auge, sondern hinter dem Rücken des anderen übereinander.

Über die bayerische SPD spricht die CSU schon längst nicht mehr. Mit ihren 18 Prozent in den Umfragen ist sie nicht satisfaktionsfähig. Nächste Woche, im TV-Duell Ude gegen Seehofer, darf der SPD-Kandidat wenigstens kurzzeitig auf Augenhöhe mit dem Gegner stehen. So kann Ude vielleicht verhindern, dass die bayerischen Grünen noch an der SPD vorbeiziehen.

Die größte Gefahr aber droht CSU-Chef Seehofer aus der eigenen Partei, von seinen Kronprinzen. In Franken, das sich den Bayern nur begrenzt zugehörig fühlt, hätte sich der Nürnberger Markus Söder über das exilierte Monitor-Fernsehteam durchaus gefreut. Der Finanzminister saß nämlich gerade einträchtig mit Ilse Aigner im Bierzelt. Die WDR-Leute hätten jede Frage stellen dürfen. Sie hätten sogar zauberhafte Bilder drehen können von Markus und Ilse, die gemeinsam Zuckerwatte aßen und sich zuprosteten. Der Kronprinz und die Kronprinzessin der CSU wollten allen zeigen: Wir mögen uns – so sehr, dass wir uns an den Händen fassen und gemeinsam Karussell fahren. Denn auf diese Weise können wir uns beide sicher sein, dass der jeweils andere keinen Dolch hinterm Rücken führt.

Früher oder später aber wird einer der beiden den Dolch aus der Zuckerwatte zücken. Vielleicht gibt es ja sogar schon wieder einen Geheimplan. Man sollte vielleicht mal nachfragen. Aber Stoiber sagt nichts, Seehofer hätte es morgen schon wieder vergessen, Huber und Beckstein wissen sowieso null, und Barbara Stamm… fragt man besser gar nicht erst. Man will ja schließlich noch eine Weile in Bayern bleiben.
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