Jeb Loy Nichols: "Long Time Traveller"

Reggae meets Country

Fahne von Jamaika
In Jamaika wird nicht nur Reggae gehört, sondern auch viel Country © dpa / picture alliance / Frank Rumpenhorst
Jeb Loy Nichols im Gespräch mit Thorsten Bednarz · 16.02.2016
Als der Songwriter Jeb Loy Nichols nach Jamaika ging, staunte er nicht schlecht: Die Musiker dort waren mit derselben Musik aufgewachsen wie er selbst – mit Country. Auf dem Album "Long Time Traveller" führt er die beiden musikalischen Kulturen nun noch ein Stückchen weiter zusammen.
"Long Time Traveller" - der Albumtitel passt perfekt und erhält jetzt eine ganz neue Aktualität. Vor fünf Jahren erschien das Album erstmals in Japan, über das Internet ging es dann tatsächlich auf eine "weite Reise". Die Fans sprachen darüber, ohne es jemals gehört zu haben. Nun wurde das Album ganz offiziell auch hierzulande veröffentlicht.
Aber wie ist es für den Amerikaner Jeb Loy Nichols, der diese Songs vor sechs oder sieben Jahren schon schrieb, jetzt wieder darüber zu reden? In diesem Zeitraum kann sich schließlich sehr viel verändern. Und was einst für einen Künstler relevant war, hat er heute womöglich längst hinter sich gelassen. Jeb Loy Nichols sieht das - zum Glück für uns - anders.
"Da sind zwei Aspekte: Für mich ist die Platte nicht alt. Sie wurde ja überarbeitet, Adrian Sherwood hat ein paar Mixe neu gemacht und die Platte zu dem Album gemacht, was es für uns immer sein sollte. Also zehn Songs. Es sollte auch auf Vinyl erscheinen. Ich bin froh, dass es endlich so veröffentlicht wurde und jetzt die Anerkennung erfährt, die dem Album zusteht. Es sind nicht viele Platten, die ich gemacht habe und die ich liebe. Aber diese schon!"
Zumindest in unserer Wahrnehmung verändern sich Songs mit der Zeit. Manche Titel können auch nach Jahren noch denselben Charme wie beim ersten Hören entfalten, andere altern schlechter und klingen altbacken. Hört Jeb Loy Nichols die Platte nach fünf Jahren Abstand anders?
"Oh ja, völlig anders! Die Musik verändert sich immer. Auch die Platten, die du vielleicht am besten kennst, verändern sich. Das ist ja das Wunderbare! Es gibt da einen Maler, den ich sehr mag, William Roberts. Er malte im Lauf von rund 50 Jahren Hunderte Porträts seiner Frau. Jemand fragte ihn, ob ihn das nicht langweile und er sagte: 'Nein, es interessiert mich, wie sich ihr Gesicht verändert und wie sich meine Beziehung zu diesem Gesicht verändert.' Das ist wie in der Musik! Du hörst eine Platte, von der du meinst, du kennst sie in- und auswendig, und dann erscheint sie dir nach einem Jahr ganz anders."

Erste Zusammenarbeit mit Adrian Sherwood

Als Jeb Loy Nichols mit dem britischen Reggae-Produzenten Adrian Sherwood ins Studio ging, da kannten sich die beiden schon beinahe 30 Jahre lang und hatten doch nie zusammen gearbeitet - zumindest nicht musikalisch.
"Ich traf Adrian 1981, als ich nach London kam. Einige meiner Freunde aus New York waren dorthin gezogen, lebten in einem besetzten Haus und ich besuchte sie. Ari Up von den Slits war eine von ihnen, und auch Adrian gehörte dazu. Gleich am nächsten Tag musste ich schon für Adrian arbeiten und mit einem Transporter seine Platten ausliefern. Wir waren sofort beste Freunde und sind es noch immer. Wir reden fast jeden Tag miteinander. Oder jedenfalls sehr oft."
2009 fuhren sie gemeinsam nach Jamaika, und irgendwie schien die Zeit reif für diese erste gemeinsame Platte des Singer/Songwriters Jeb Loy Nichols und des Reggae- und Dub-Produzenten Sherwood. Doch als Nichols in Jamaika eintraf war die Überraschung groß, denn all seine jamaikanischen Lieblingsmusiker hörten keinen Reggae, sondern Country!

Johnny Cash und Jim Reeves - auch in Jamaika sehr beliebt

"Ich wusste eigentlich immer, dass Musiker wie Johnny Cash und Jim Reeves in Jamaika sehr groß waren. Ich wusste es eigentlich. Aber wenn du dann dort ankommst und merkst, dass all diese Leute auch mit derselben Musik wie du selbst aufgewachsen sind - das war fantastisch! Man konnte sich zusammensetzen und hatte sofort Gemeinsamkeiten! Und viele von ihnen wie Gregory Isaacs, Toots and the Maytals, Burning Spear - die sind ja alle auf dem Land aufgewachsen und kamen erst nach Kingston, um dort Musik zu machen. Aber es waren alles Country-Boys!"
Schon bei seiner früheren Band Fellow Travellers hat Jeb Loy Nichols immer wieder Reggae-Elemente anklingen lassen, aber ein richtiges Reggae-Album gab es weder vor noch nach "Long Time Traveller". Und kaum einmal klang der Singer/Songwriter so entspannt, selbst wenn er ganz entschiedene politische Forderungen aufstellt. Zum Beispiel, dass Reichtum als Verbrechen angesehen werden sollte. Man könnte meinen, dies sei ein Lied aus den Wahlkampfkampagnen von Jeremy Corbyn oder Bernie Sanders. Auch hier bekommt das Album von Jeb Loy Nichols plötzlich ganz aktuelle Bezüge.
"Wenn es so funktioniert, dann ist das wohl gutes Timing! Auch wenn ich kein großer Bernie Sanders-Fan bin. Für die amerikanische Politik mag er ja toll sein, aber ich glaube ganz generell nicht an die westliche Politik. Ich bin eher Anarchist. Ich glaube nicht daran, dass man jemanden in ein korruptes System wählt und er dann groß aufräumt. Das gab es noch nie."