Facebook & Co. als Verlage?

"Das Ende der sozialen Medien, wie wir sie kennen"

Auf Smartphone sind Apps "facebook", "whats app", "instagram", "Twitter", "Tumblr", "Snapchat" und "Messenger" zu sehen.
Was würde passieren, wenn Facebook und Google voll verantwortlich für alle Inhalte wären, die Nutzer dort hochladen oder teilen? © dpa/Britta Pedersen
Till Kreutzer im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 16.10.2017
Aus Großbritannien kommt die Anregung, Facebook und Google als Verlage einzustufen. Das würde bedeuten, dass sie für alle Nutzer-Inhalte verantwortlich wären. Anwalt Till Kreutzer warnt: Den freien Meinungsaustausch im Internet würde das in seiner jetzigen Form beenden.
Bereits auf der nächsten Buchmesse könnten die größten Verlage Facebook und Google heiße. Zumindest, falls sich durchsetzt, was die Chefin der britischen Medienaufsicht anregt: Für Sie sind die beiden Onlinegiganten bereits jetzt als Verlage einzustufen. Als solche aber müssten sie – wie alle anderen Verlage auch – viel stärker reguliert werden: Als Verlag wären sie klar verantwortlich für alle Inhalte ihrer Nutzer. Das Argument in Bezug auf Facebook lautet etwa: Facebook ist ein Medienunternehmen, das fremde Werke publiziert. Also ist es ein Verlag und sollte sich dem Verlagsrecht unterwerfen.

Erheblicher Unterschied

"So ist es nicht", sagt der Hamburger Rechtsanwalt Till Kreutzer im Deutschlandfunk Kultur. Er ist spezialisiert auf Urheber- und Onlinerecht und Gründungsmitglied der Plattform irights. "Facebook ist eine Plattform, auf der Nutzer Inhalte veröffentlichen und nicht Facebook. Das ist ein erheblicher Unterschied und war auch immer in der Regulierung ein erheblicher Unterschied."
Konkret bedeuten würde eine Einstufung von Facebook als Verlag laut Kreutzer:
"Jeder Beitrag, der auf Facebook hochgeladen wird von den Nutzern, müsste im Prinzip vorab daraufhin untersucht werden, dass er keine Rechtsverstöße enthält: beispielsweise Urheberrechtsverletzungen, wenn Bilder hochgeladen werden; Persönlichkeitsrechtsverletzungen, wenn über andere Personen etwas geschrieben wird; oder solche Sachen wie strafrechtliche Verstöße wie etwa die Verherrlichung von rechtsnationalen Gedanken. Wenn so eine Untersuchung fehlgeht oder nicht erfolgt, müsste diese Plattform voll dafür haften, was da passiert. Das wäre das Ende des Internets und der sozialen Medien, wie wir sie kennen."

Würden nur Facebook und Google übrig bleiben?

Gegenüber Presseverlagen, wo Redaktionen bestimmen, was veröffentlicht wird, bestehe der Vorteil beim Internet gerade darin, dass es dort keine solche Instanz gebe. Nutzer könnten sich dezentral austauschen.
Beim Umgang mit diesen Fragen nach der Verantwortung von Plattformbetreibern sieht er einen Irrglauben, erklärt Kreutzer. Es gehe nicht um die Internetkonzerne Facebook und Google, sondern um die Frage, wie Plattformen und soziale Medienanbieter im Internet eingeschätzt werden sollten. Dabei gebe es weitaus mehr derartige Unternehmen als Google und Facebook. Alle zusammen erfüllten einen sehr wichtigen Auftrag in Bezug auf den freien Meinungsaustausch.
"Wenn jeder Inhalt, bevor er von den Nutzern veröffentlicht wird, auf Rechtsverletzungen untersucht werden müsste, gäbe es bald nur noch Facebook und Google", so Kreutzer. "Weil das die einzigen Unternehmen sind, die aufgrund ihrer Größe so etwas überhaupt bewerkstelligen könnten."

Gesetzliche Regelungen ausreichend

Auch angesichts des Problems von Fake-News über Hetze bis hin zu strafrechtlich relevanten Inhalten etwa bei Facebook sieht Kreutzer die gesetzlichen Regelungen als ausreichend. Bei derartigen Plattformen und Host-Providern gelte, dass sie aktiv werden müssten, sobald sie darauf hingewiesen werden, dass ein Inhalt rechtlich nicht in Ordnung ist.
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das am 1. Oktober in Kraft getreten ist, diene lediglich dazu, dass schneller reagiert werden müsse. Umstritten sei das Gesetz, weil es aufgrund von angedrohten Sanktionen dazu führen könnte, dass übermäßig schnell Inhalte geblockt und gelöscht werden. "Das wäre wiederum nicht gut für die Kommunikationsfreiheit."
Ob das Gesetz funktioniert, müsse sich noch herausstellen, so Kreutzer.
(abr)
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