Bart-Ausstellung im Neuen Museum

Zwischen Brennscheren und Barttassen

Ein Busfahrer der Verkehrsbetriebe in Berlin hat am 02.12.2015 kleine Weihnachtskugeln in seinen Bart gehängt. Foto: Thalia Engel
Bart mit eigenwilliger Deko – wenn gerade kein Adventskranz zur Hand ist... © picure alliance/dpa/Thalia Engel
von Annette Schneider · 10.12.2015
Bart oder nicht Bart? Die Berliner Ausstellung „Bart – zwischen Natur und Rasur“ nimmt die Kulturgeschichte der männlichen Gesichtsbehaarung ins Visier - und zeigt, dass der Bart zu allen Zeiten auf die eine oder andere Art ein Machtfaktor war.
Altindische Götterabbildungen, antike Porträtbüsten, 4000 Jahre alte Rasiermesser aus Bronze, historische Fotografien von Männern mit Wallebärten, eine Conchita-Wurst-Skulptur auf einer Mondsichel - jedes der ausgestellten Exponate erzählt eine eigene, exemplarische Bartgeschichte. Denn, so Alexa Küter:
"Der Bart hat zu verschiedenen Zeiten ganz verschiedene Bedeutung. Und die Bedeutungen können sich auch widersprechen."
Die Archäologin gehört zu den Berliner Museumsvolontären, die die kleine, aber ungewöhnliche Ausstellung erarbeiteten.
"Das ist eigentlich das spannende an dem Thema: Der Bart ist grundsätzlich erst einmal immer ein Kommunikationszeichen. Ein Zeichen, um sich innerhalb einer Gruppe zu definieren, dazugehörig zu zeigen oder auch abzugrenzen."
Ob Vollbart, Kinnbart, Knebelbart oder Ziegenbart: Das Haar im Gesicht des Mannes ist, so der Archäologe Benjamin Wehry:
"... kulturspezifisch. Es ist regionalspezifisch und epochenspezifisch: jede Zeit hat ihre eigenen Überlegungen zum Bart."
Mitten in der Ausstellung lagert eine große Steinbüste der ägyptischen Pharaonin Hatschepsut. Und: Sie trägt einen Bart. Der Bart galt als Insignie des Königs und ermöglichte ihm, Kontakt zu den Göttern aufzunehmen.
Die Totenmaske von Tutanchamun im Ägyptischen Museum in Kairo. Die Totenmaske des Tutanchamun im Ägyptischen Museum, aufgenommen am 12.10.2015. Durch eine Unachtsamkeit brach im August 2014 der Zeremonialbart der goldenen Totenmaske des Pharaos Tutanchamun im Ägyptischen Museum in Kairo ab. Daraufhin wurde der Bart mit einem Epoxitkleber eilig wieder an die Maske geklebt. Seit einiger Zeit ist ein Restauratorenteam vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz damit beschäftigt, die Maske zu restaurieren, soweit dies möglich ist. Mit Lindenholzstäbchen wird Millimeter für Millimeter des Klebers mechanisch abgetragen, Ende des Jahres, so hofft man, sei diese Arbeit erledigt.
Der Bart als Insignium der Macht: Die Totenmaske des Tutanchamun mit dem charakteristischen Knebelbart der Pharaonen.© picture alliance/dpa/Matthias Tödt
"Und wenn das eine Frau ist, gehört das eben zur Frauenausstattung eines Königs. Und man kann, wenn man ganz genau hinschaut, die Seitenbänder sehen, an denen der Bart unter das Kinn gebunden wurde. Im übrigen hat auch der männliche Pharao den Bart unters Kinn gebunden, weil Ägypter grundsätzlich rasiert waren. Das gehörte zur Hygiene."
Der Bart dient als Verkleidung. Er beugt angeblich Erkältungen vor, gilt als besonders männlich, als Ausdruck künstlerischen Genies und als Zeichen von Macht und Weisheit. Bart oder nicht Bart – schon in der Antike war das auch eine Frage der Mode. Oder ein politisches Statement:
Obwohl vor rund 1900 Jahren im Römischen Reich gerade kein Bart angesagt war, zeigt eine Büste Kaiser Hadrian mit kurzem, gekräuseltem Kinnbart. Hadrian trägt einen Bart, um seinen Philhellenismus deutlich zu machen: seine Bewunderung für die griechische Kultur. Und wenn der Kaiser als Vorbild agiert, sind natürlich alle anderen Adligen, die die Leistungen dieses Herrschers bewundern, auch bereit, sich der Konvention entgegenzustellen und dann einen Bart zu tragen.
Wie das öffentliche Haarescheren galt – und gilt – auch das gewaltsame Abschneiden von Bärten als gezielte Demütigung: Ein Foto zeigt einen deutschen SD-Mann, der einem Juden in Warschau auf offener Straße den Bart abschneidet.
Etwas weiter liegen in einer Vitrine – zwischen Barttassen und Brennscheren für den Kaiser-Wilhelm-Bart –zwei kleine Münzen: Im Rahmen seiner Modernisierungspolitik hatte Zar Peter einen Rasier-Befehl erlassen. Da die Altgläubigen ihn aber verweigerten, führte der Zar die sogenannte Bart-Kopeke ein.
Alexa Küter: "Das sind Jetons, die belegen, dass man eine bestimmte Steuer entrichtet hat. Die Marke tragen sie in der Tasche. Wenn eine Kontrolle ist, zeigen sie, dass sie die Steuer bezahlt haben, indem sie die Marke vorzeigen – und dann können sie ihren Bart behalten."

Dieser Mann präsentierte sich bei der World Championships der Bartträger. Prämiert werden jedes Jahr die schönsten und kunstvollsten Bärte. Die Veranstaltung war 2015 im österreichischen Leogang. 350 Männer aus 20 Nationen nahmen teil.
Sein ganzer Stolz: Ein kunstvoller Bart - hier bei der World Championship der Bartträger 2015 in Österreich.© picture alliance/APA/Angelika Warmuth
Das Plakat zur Ausstellung zeigt Karl Marx mit einem Bart aus Federn. Sein wirklicher Bart diente dagegen in den 1960er Jahren als politisches Zeichen: Mit langen Haaren und Vollbart provozierten Jugendliche gegen das Establishment. Und das reagierte entsprechend aggressiv auf die "Penner".
Heute ist rein bartmäßig alles möglich. Schauspieler, Musiker, Sportler und Modemagazine haben ihn längst – in welcher Form auch immer – als angesagtes Mode-Accessoire durchgesetzt.
"Diese Kommerzialisierung hat die verrücktesten Blüten getragen, bis hin zum Babyschnuller mit Bart oder bis zu Quartetten oder bis zu fast folterähnlich anmutenden Rasierhilfen, die einem helfen, den perfekt geformten Bart zu machen."
Doch eines ist nach dieser Ausstellung sicher: Irgendwann ändert sich auch das wieder.

Die Ausstellung "Bart – zwischen Natur und Rasur" ist vom 11. Dezember 2015 bis 28. Februar 2016 im Neuen Museum in Berlin zu sehen.