Barocktheater Schloss Kochberg

Auch Goethe war hier

Wassergraben und Brücke vor dem Schloss Kochberg in Thüringen
Wassergraben und Brücke vor dem Schloss Kochberg in Thüringen © imago/NBL Bildarchiv
Von Henry Bernhard · 17.08.2015
Schon im frühen 19. Jahrhundert war das Schloss Kochberg in Thüringen Anziehungspunkt für Künstler - darunter Goethe oder der Dramatiker Lenz. Der Charme dieser Zeit weht auch im Barocktheater auf diesem ehemaligen Sommersitz der Weimarer Familie von Stein bis heute.
Tasso: "Ist’s Raserei?" / "Ja."
Sitzt man im Liebhabertheater Kochberg in der ersten Reihe, so muss man schon mal die Beine einziehen, wenn Tasso seinen Gefühlen gegenüber der Prinzessin freien Lauf lässt.
Tasso: "Es ist das Gefühl, das mich allein
Auf dieser Erde glücklich machen kann."
Prinzessin: "Wenn ich dich, Tasso, länger hören soll, …"
Tasso: "Mit jedem Wort’ erhöhest du mein Glück."
Prinzessin: "… so mäßige die Glut …"
Tasso: "Mit jedem Worte glänzt dein Auge heller."
Prinzessin: "… die mich erschreckt."
Tasso: "Ich fühle mich von aller Not entladen,
Frei wie ein Gott, und alles dank’ ich dir!"
Landsitz von Goethes Freundin Charlotte von Stein
"Torquato Tasso" von Goethe im Liebhabertheater Kochberg. Eingebettet in das Ensemble von Schloss und Park liegt das Theater kurz vor Rudolstadt im waldigen Süden Thüringens. Goethes Freundin Charlotte von Stein hatte hier ihren Landsitz.
"Und das kann man so betrachten als Bühne für gesellschaftliches Leben auf dem Landgut."
Silke Gablenz-Kolakovic leitet das Liebhabertheater – ehrenamtlich.
"Das Theater hängt sehr eng mit Weimar zusammen. 1774 brannte das Schloss in Weimar ab – und mit ihm das Hoftheater. Und was tut ein gebildeter, kunstinteressierter Hof, der sich kein Theater mehr leisten kann? Der spielt selbst! Und in dieser Zeit ist Carl von Stein groß geworden am Weimarer Hof. Und als er dann das Rittergut nach dem Tod des Vaters Ende des 18. Jahrhunderts übernahm, da wollte er seinen eigenen kleinen Musenhof hier haben und hat sich diese entzückende Theater gebaut."
Die Stühle im Theater sind durchnummeriert bis 75. Die Wände und Decken sind geschmückt mit handgeschöpften, marmorierten Papieren, die Künstlergarderoben ausgestattet mit zeitgenössischem Interieur. Nichts deutet auf das 21. Jahrhundert hin.
"Hier ist so alles aus einem Guss! Egal, wohin man tritt! Es bleibt ein historisches Ambiente, und das spürt man. Das ist toll! Bis zu den Scherenschnitten, die da hängen von Charlotte von Stein und Schiller, und, und, und …"
Jürgen Larys ist einer der Köpfe der Theatergruppe Ensembletheater aus Bochum. Seit sechs Jahren spielen sie in Kochberg den Tasso.
"Als wir das erste Mal hierher kamen, da dachte ich: Wenn wir ein Jahr hier spielen dürfen! Das ist ein so großes Geschenk in diesem historischen Ambiente! Man weiß halt: Goethe war hier und der Lenz war hier und die Charlotte von Stein, und der Park und die ganze Landschaft … Das ist ein unheimliches Geschenk, einfach großartig!"
Historische Kostüme und Aufführungspraxis
Das Theater, das mit wenig Licht und ohne Schnürboden, dafür aber ausschließlich mit historischen Kostümen arbeitet, bringt jeden Sommer 30 bis 40 Vorstellungen, mit renommierten Künstlern und Besuchern aus ganz Deutschland. Gegeben werden barocke, klassische und romantische Stücke und Opern in möglichst historischer Aufführungspraxis.
Tasso: "Gewidmet sind dir alle meine Tage.
Wenn dich zu preisen, dir zu danken sich
Mein Herz entfaltet, dann empfind' ich erst
Das reinste Glück, das Menschen fühlen können.
Das Göttlichste erfuhr ich nur in dir."
Prinzessin: "Nicht weiter, Tasso! Viele Dinge sind's,
Die wir mit Heftigkeit ergreifen sollen:
Doch andre können nur durch Mäßigung
Und durch Entbehren unser eigen werden."
Jede Geste, jeder Augenaufschlag dringt bis in die letzte Reihe. Ein wirklich intimer Ort, um Theater zu erleben. Nicht nur für die Zuschauer, auch für die Darsteller. Susanne Hocke, die die Prinzessin spielt:
"Also, die Nähe des Publikums beeinflusst die Vorstellung unheimlich! Es gibt Publika, wo ich manchmal das Gefühl habe, 'Oh, alle Frauen im Publikum sind auf meiner Seite!', und es gibt Vorstellungen, wo ich das Gefühl habe, das ist ein ganz intellektuelles Aufnehmen und Mitdenken, also dass jeder Gedanke ins Publikum reinfällt. Und so ist jede Vorstellung ganz anders, wenn man das Publikum so nahe hat an sich dran. Das ist echt toll!"
Silke Gablenz-Kolakovic: "Aber hier ist es ganz besonders, nicht!? Mir hat mal eine befreundete Pianistin gesagt: 'Weißt du, wenn in der letzten Reihe jemand nicht einverstanden ist, dann sehe ich das als Pianistin.'"
Draußen, im Park, übernimmt nach der Vorstellung die gestaltete Natur: Eine kleine Bühne, eine Badeteich, eine Ruine.
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