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Übergriffe auf Polen in Großbritannien
Rassistische Flugblätter und Beschimpfungen

In Großbritannien häufen sich seit dem Brexit-Votum Anfeindungen gegenüber polnischen Einwanderern. Erst kürzlich wurde dort ein 40-jähriger Pole von einer Gruppe Jugendlicher zusammengeschlagen und starb an den Folgen. Polens Außenminister appellierte an die britische Regierung, seine Landsleute besser zu schützen.

Von Johanna Herzing | 06.09.2016
    Trauer um den gestorbenen Polen Arkadiusz Jozwik im britischen Harlow.
    Trauer um den gestorbenen Polen Arkadiusz Jozwik im britischen Harlow. (afp/Tallis)
    "Jeszcze Polska nie zginela – Noch ist Polen nicht gestorben", singen die Menschen, die sich am vergangenen Wochenende in Harlow versammelt haben. An eben der Stelle, an der Arkadiusz Jozwik von einer Gruppe Jugendlicher derart zugerichtet wurde, dass der 40-Jährige später seinen Verletzungen erlag.
    Die polnische Nationalhymne ist kämpferisch. Geprägt vom Aufbegehren der Polen gegen Fremdherrschaft; ein Aufruf, sich nicht unterkriegen zu lassen. Auch die polnische Regierung in Warschau versucht, den Landsleuten auf der britischen Insel in diesen Tagen den Rücken zu stärken. Außenminister Witold Waszczykowski:
    "Wir zählen darauf, dass die Regierung Großbritanniens und die Sicherheitsorgane sich all derjenigen annehmen, die dort leben, und dass sie derartige fremdenfeindliche Vorfälle in Zukunft verhindern werden."
    Anti-polnische Übergriffe häufen sich seit dem Brexit-Votum
    Im Fall Arkadiusz Jozwik ermittelt nun parallel zu den britischen Behörden auch die polnische Staatsanwaltschaft. Zudem unterstreicht die polnische Regierung mit dem Besuch gleich mehrerer Minister in London in dieser Woche, wie ernst sie den Vorfall nimmt. Auch wenn ein fremdenfeindliches Motiv bislang noch nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte - seit dem Referendum über einen EU-Austritt Großbritanniens häufen sich anti-polnische Übergriffe. Schon vor dem Urnengang der Briten warnten Politiker wie etwa Pawel Rabiej von der liberalen polnischen Partei Nowoczesna:
    "Es heißt, der Brexit sei eine rein britische Angelegenheit, aber er ist auch eine polnische Angelegenheit. Die Brexit-Kampagne wird leider auch von einer Anti-Einwanderungsstimmung dominiert. Opfer dieser Stimmung sind die in Großbritannien lebenden Polen. Die Haltung gegenüber Polen oder Osteuropäern ist derzeit nicht besonders gut. Das verstärkt natürlich die Befürchtungen der dort lebenden Polen was ihre Zukunft anbetrifft."
    Rassistische Flugblätter und Verbalattacken
    Tatsächlich tauchten nach dem Brexit-Votum innerhalb kürzester Zeit Flugblätter mit rassistischen anti-polnischen Beschimpfungen auf, dazu kamen Schmierereien an polnischen Einrichtungen und Verbalattacken auf den Straßen. Vorfälle, die in Großbritannien als sogenannte "hate crimes" bezeichnet werden. Insgesamt hat die britische Polizei in den Wochen vor und nach der Brexit-Abstimmung bei den "hate crimes" einen drastischen Anstieg festgestellt. Doch fühlen sich gerade auch Polen und polnisch-stämmige Briten auf der Insel schon seit längerer Zeit diskriminiert. So forderte etwa Jan Zylinski, britischer Geschäftsmann mit polnischen Wurzeln, in einem PR-Gag den damaligen Ukip-Chef Nigel Farage zum Säbel-Duell auf. Dieser habe Polen immer wieder verunglimpft. In einer Videobotschaft wandte sich Zylinski damals an die Briten:
    "Wir sind sehr dankbar dafür, hier sein zu können. Wir würden uns wünschen, dass ihr ebenfalls dankbar seid. Bitte hört auf damit, die Polen niederzumachen. Wir lieben dieses Land, wir würden uns wünschen, dass die Briten uns ebenfalls lieben."
    Polen leisten in Großbritannien wichtige Arbeit
    Und er erinnerte daran, dass Polen und Briten seit Langem eng miteinander verbunden sind. Polnische Soldaten hätten schließlich im Zweiten Weltkrieg an der Seite Großbritanniens gekämpft und einen entscheidenden Beitrag geleistet.
    "So wie 1940 polnische Piloten in der Royal Airforce dieses Land retteten, so tun es heute die polnischen Mädchen bei Starbucks, und unsere polnischen Jungs auf den Baustellen. Sie retten das Land mit ihrer Aufrichtigkeit, ihrer harten Arbeit und mit der erstaunlichen Angewohnheit schon eine halbe Stunde vor Dienstbeginn bei der Arbeit zu erscheinen."
    Tatsächlich warnen auch viele Experten vor negativen Folgen für die britische Wirtschaft, sollten etwa die Arbeitsmöglichkeiten für Polen in Großbritannien nach einem Brexit drastisch beschränkt werden. Eine Warnung mit begrenzter Wirksamkeit. Machen doch die jüngsten fremdenfeindlichen Übergriffe deutlich, dass Teile der britischen Gesellschaft mit Argumenten längst nicht mehr zu erreichen sind.