Barbara Vinken über Eugen-Gomringer-Gedicht

Wenn Bewunderung missverstanden wird

Ein Mann hält einer Frau, die auf einem Buchstapel sitzt, eine Blume aus Worten hin.
Es gebe eine lange Tradition in der Literatur, in der Männer Frauen ihre Bewunderung ausdrücken, sagt Barbara Vinken. © imago/Ikon Images
Moderation: Frank Meyer · 04.09.2017
Die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken kann mit den Sexismus-Vorwürfen gegen ein Gedicht von Eugen Gomringer nichts anfangen: Die Proteste deutet sie als einen Ausdruck unserer Zeit, in der die Frauen nicht mehr bewundert würden.
In letzter Zeit häufen sich Vorgänge, die mit Literatur und dem Vorwurf des Sexismus zu tun haben. Da gab es Vorfälle am Literaturinstitut Hildesheim und in der Diskussion ist die Entfernung eines Gedichtes, das Eugen Gomringer schrieb, von der Hausfassade der Alice-Salomon-Hochschule. Die Frage ist, ob diese Vorwürfe des Sexismus überzogen sind, auf Überempfindlichkeiten hinweisen oder einfach nur instrumentalisiert werden sollen?

Die Schönheit der Welt in fünf Wörtern

"Ich finde das ein sehr bewundernswürdiges Gedicht, das die Schönheit der Welt einfach in fünf Wörtern erblühen lässt", sagt die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken. In dieser Bewunderung eine Aufforderung zu sexueller Übergriffigkeit zu sehen, scheine ihr ein Symptom zu sein für "die Welt, in der wir leben", in der die Frauen nicht mehr bewundert, sondern angemacht, überwältigt und verbraucht würden.
Es gebe in der Literatur eine lange Tradition der Bewunderung von Frauen in Texten - und Zeiten, in denen dieses kritisiert wurde. Der englische Schriftsteller Samuel Richardson etwa, selbst für Tugendromane bekannt, habe Ovid und Petrarca verdächtigt, die Bewunderung für Frauen in ihren Texten nur einzusetzen, um die Frauen zu verführen.
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