Barbara Honigmann erhält Bremer Literaturpreis

"Im Verdichten besteht die ganze Arbeit"

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Die Schriftstellerin Barbara Honigmann in ihrer Straßburger Wohnung
Die in Straßburg lebende Schriftstellerin Barbara Honigmann hat ein "Abschiedsbuch" über ihren Vater geschrieben. © picture alliance / dpa / Violetta Heise
Barbara Honigmann im Gespräch mit Marietta Schwarz · 16.11.2019
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Die deutsche Schriftstellerin Barbara Honigmann erhält den mit 25.000 Euro dotierten Bremer Literaturpreis. Mit der Auszeichnung würdigt die Jury ihren Roman "Georg", in dem sie ein Porträt ihres 1984 verstorbenen Vaters zeichnet.
Sie habe sich viel Zeit gelassen, bis sie "Georg" schrieb, erklärt die Schriftstellerin Barbara Honigmann, die mit dem Roman den Bremer Literaturpreis gewann. Ihr Vater, über den der Text handelt, verstarb 1984.
"Ich habe kurz nach seinem Tod - ich habe es für mich Abschiedsbuch genannt - 'Eine Liebe aus nichts' geschrieben. Es war mein zweites Buch, das ich veröffentlicht habe, und es ist so ein knappes, sehr trauriges Büchlein, das dann mehr ein Abschiedsbuch ist", sagt Honigmann. "Und zu diesem Porträt jetzt habe ich viel mehr Abstand gehabt und die Trauerarbeit und alles, was man so mit seinen Eltern, seinem Vater, abzuarbeiten hat, ist in den Jahren geleistet worden."

Blick in die Abgründe der Figur

Ihr Vater war deutscher Jude, Kommunist, vier Mal verheiratet, wovon keine Ehe lange hielt. Die Jury des Bremer Literaturpreises urteilte, mit der Figur des Vaters vergegenwärtige Honigmann die Geschichte des 20. Jahrhunderts, indem man in die Abgründe dieser Figur blicke. "Georg" verbinde die Genauigkeit des Nahblicks auf die charakteristischen Details der Person mit hellwacher Aufmerksamkeit auf die bedrängenden Zeitumstände.
Die Frage, warum ihr Vater so war, wie er war und immer wieder neue, junge Frauen hatte, während er selbst älter wurde, vermag Honigmann nicht zu beantworten. Vielleicht habe es etwas mit dem frühen Tod ihrer Großmutter zu tun, die mit Anfang dreißig starb, da war ihr Vater elf Jahre alt. Aber das sei ein bisschen "Biertisch-Psychologie".

Warum Marmelade kochen wie Bücher schreiben ist

Honigmann schreibt in ihren Texten immer wieder über ihr unmittelbares Umfeld. "Ich finde, das bietet genug und noch mehr. Es ist unerschöpflich. Ich könnte darüber ja noch viel mehr schreiben. Das ist das, was ich sozusagen kenne oder wo ich am ergiebigsten suche und finde", sagt die Autorin.
Und noch etwas eint alle Texte von Barbara Honigmann: die Länge. "All meine Bücher haben denselben Umfang. Ich nehme mir das nicht vorher vor und denke 'das sollen wieder 150, 160 Seiten sein', sondern das ist mein Maß. Ich müsste mich künstlich anstrengend, da mehr draus zu machen. Es ist mein Maß und es ist auch meine Formvorstellung: Dass ein Text knapp und intensiv ist", sagt sie.
Im Verdichten bestehe ihre literarische Arbeit, erklärt Honigmann. "Jemand hat mal zu mir gesagt, dass ich meine Bücher so mache, wie andere Frauen Marmelade einkochen. Das muss man auch so lange kochen lassen, bis es die Konsistenz hat, die die Marmelade braucht. Und so ungefähr ist das mit meinen Büchern auch."

Renommierter Literaturpreis

Den Bremer Literaturpreis vergibt die Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung, die vom Bremer Senat gegründet wurde. Er zählt zu den ältesten und bedeutendsten deutschsprachigen Literatur-Auszeichnungen und wurde erstmals 1954 verliehen. Unter den bisherigen Preisträgern sind Alexander Kluge, Elfriede Jelinek, Siegfried Lenz, Ingeborg Bachmann, Paul Celan und Peter Rühmkorf. Im vergangenen Jahr ging der Preis an den österreichischen Autor Arno Geiger für seinen Roman "Unter der Drachenwand".
Verliehen wird der Bremer Literaturpreis am 20. Januar 2020 im Bremer Rathaus.
(nho)
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