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Netflix-Serie "The Alienist"
Sherlock Freud

In der neuen Netflix-Serie "The Alienist" spürt der deutsche Schauspieler Daniel Brühl einen Kindermörder auf. Wie eine Mischung aus Sherlock Holmes und Sigmund Freud kommt dieser ermittelnde Seelenarzt daher. Optisch brillant gemacht, aber teilweise zu ostentativ.

Von Julian Ignatowitsch | 18.04.2018
    Daniel Brühl bei der Serien-Premiere von "The Alienist" am 11.01.2018 in Los Angeles.
    Daniel Brühl spielt die Hauptrolle des Laszlo Kreizler in "The Alienist" (imago stock&people)
    "I am an Alienist."
    Wie eine Warnung, wie ein Beipackzettel zur richtigen Handhabung des Serienstoffs steht die Erklärung dieses Wortes am Anfang jeder Episode:
    "That is a doctor. Instead of looking a disease of the body, I help those who are suffering from illness of the mind."
    Ein Doktor, der nach Krankheiten des Geistes fahndet.
    "I am an Alienist."
    Irrenhäuser und Verliese
    Daniel Brühl gibt den "Alienist" Laszlo Kreizler in der gleichnamigen Serie als eine Mischung aus Sherlock Holmes und Sigmund Freud. Ein Gentleman mit vielen Macken, genialen Einfällen, mit einem großen Ego und Hang zur Selbstanalyse und -überschätzung. Kreizler ermittelt bei der Suche eines Kindermörders und Triebtäters. Er und zwei Kollegen, der Zeichner John Moore und die Polizeiassistentin Sara Howard, bilden ein so energisches wie engagiertes Detektivteam, das mit brutalen Morden und behördlichen Intrigen konfrontiert wird - und auf neue Methoden setzt. Psychologie war anno 1896 eher als Hexerei verpönt denn als wissenschaftliche Disziplin anerkannt.
    Alles das im schmutzig-schmierigen New York zwischen lauten Pferdekutschen, trinkenden Anzugträgern und dunkeln Bordellkellern - vieles erinnert an Scorseses Film "Gangs of New York" von 2002 und Horror à la Edgar Allan Poe.
    Die Serie zeigt die Abgründe der menschlichen Psyche und Orte am Rande der gesellschaftlichen Normalität, Heterotopien mit Michel Foucault: Irrenhäuser, Verliese und Zimmer mit kleinen Jungs in Mädchenkleidern. Das Setting ist dunkel, sehr dunkel, die Morde brutal, bestialisch.
    Ein vorhersehbarer Hingucker
    Optisch macht "The Alienist" alles richtig, besticht mit aufwendiger historischer Ausstattung, mit beeindruckender Kulisse und raffinierten Kamerafahrten und -einstellungen. Auch der Cast, Daniel Brühl, Dakota Fanning und Luke Evans, ist perfekt gewählt - sie geben den einzelnen Ermittlern ihre jeweils eigene pathologische Persönlichkeit. Dazu kämpft der zukünftige US-Präsident Theodore Roosevelt - als historischer Charakter damals noch Polizeikommissar in New York - mit Korruption in seiner Behörde.
    Aber all das ist nichts Neues im Genre des Psychothrillers und Kriminaldramas und gehört bei teuren Serienproduktionen mittlerweile fast schon zum Standardrepertoire, wie zuletzt zum Beispiel die Serie "Mindhunter" von David Fincher unter Beweis stellte. "The Alienist" kommt fast schon wie ein Prequel zu "Mindhunter" daher, 70 Jahre früher, aber mit mehreren Schwachstellen im Drehbuch. Teilweise zieht sich die Handlung unnötig in die Länge, ist zu vorhersehbar und zu ostentativ.
    Natürlich wird auch die aufklärerische Obsession des Kinderarztes Laszlo Kreizler später mit einem eigenen psychologischen Trauma in Verbindung gebracht. Style over story. Innovativ oder wagemutig zeigt sich "The Alienist" somit nicht. Dafür ist die Serie aber ein echter Hingucker und eine Hommage an "Crime and Murder" zu Beginn der Moderne.
    Netflix zeigt "The Alienist" (deutsch: "Die Einkreisung") ab dem 19. April 2018.