Bahnhöfe im Wandel der Zeit

Zwischen Funktionalität und Heimeligkeit

Eine S-Bahn hält am Bahnhof Steinheim (Nordrhein-Westfalen) am 17.08.2016. Die Auszeichnung "Bahnhof des Jahres 2016" wird an den Bahnhof Steinheim vergeben. Foto: Ina Fassbender/dpa (zu dpa vom 22.08.2016)
Klein, hübsch und heimelig: Deutschlands schönster Bahnhof in Steinheim/Westfalen. © picture alliance/dpa/Ina Fassbender
Burkhard Spinnen und Lars Wilhelmer im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 23.08.2016
Der Bahnhof des westfälischen Städtchens Steinheim wurde gerade zum schönsten in Deutschland gekürt. Er wirkt fast schon heimelig und steht damit im Gegensatz zu modernen Bahnhöfen, die oftmals eher hässlich und ungemütlich daherkommen.
Die "Lippische Landeszeitung" jubelt: Der kleine Bahnhof Steinheim in Westfalen ist zum König der S-Bahnhöfe gewählt worden. Der Eisenbahnlobbyverein "Allianz Pro Schiene" kürte ihn zum Bahnhof des Jahres. Klein, gemütlich, ja wie ein schönes, umgleistes Knusperhäuschen steht er da. Ganze 600 Bahnreisende täglich können sich daran freuen, dass es in dem 13.000-Einwohner-Städtchen ein Fahrradhotel gibt, einen Kiosk, ein Restaurant, und vor allem: Am Fahrkartenschalter einen echten Menschen.

Kein gutes Image

Dabei steht es mit dem Image von Bahnhöfen, zumal den moderneren, nicht zum Besten: Sie seien nur noch funktionelle Großbahnhöfe ohne wirkliche Plätze zum Verweilen. Und die meisten sind einfach hässlich. Das war in der Jugendzeit des Bahnverkehrs anders. Der Schriftsteller Burkhard Spinnen, passionierter Bahnfahrer, sagt:
"Es sind zum Teil sehr alte Gebäude, die in einem anderen Geist errichtet worden sind. Sie sind von Menschen gebaut worden und frequentiert worden, die ein wesentlich positiveres, manchmal ein geradezu hochachtungsvolles, manchmal ein durchaus ängstliches Verhältnis zur Bahn hatten. Und sie haben die Gebäude betreten wie Kathedralen."

Reizschutz vor der großen Fahrt

Damals sei es, anders als heute, nicht darum gegangen "schnell noch eine Pommes zu essen und noch ein Magazin zu kaufen, sondern es ging um so etwas wie Raumwirkung und um die Inszenierung."
Der Literaturwissenschaftler Lars Wilhelmer, der sich als Forscher mit "Nicht-Orten" und "Transit-Orten" beschäftigt, meint: Der Steinheimer Bahnhof sehe tatsächlich sehr "heimelig" aus. Dies passe zu der Funktion, die Bahnhöfe früher gehabt hätten, nämlich als "Orte es Innehaltens", bevor man sich auf das Abenteuer Bahnfahrt einließ. Züge seien mit ihrer für damalige Verhältnisse enormen Geschwindigkeit als "irritierendes Moment" wahrgenommen worden – deshalb hätten die Bahnhöfe auch als eine Art "Reizschutz" fungiert.
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