Bahn in der Krise

Mobilität als staatliche Aufgabe

Güterzug mit Waggons fährt an Bahnsteig vorbei mit Bewegungsunschärfe, daneben Fahrkartenautomat Bahnhof Langweid in Bayern *** Freight train with waggons drives past platform with motion blur next to ticket machine station Langweid in Bavaria
22.000 neue Mitarbeiterstellen können die Versäumnisse von Jahrzehnten nicht wettmachen. © imago / Michael Eichhammer
Malte Kreutzfeldt im Gespräch mit Axel Flemming · 19.01.2019
Die Deutsche Bahn will 22.000 neue Mitarbeiter einstellen. Klingt gut. Aber eigentlich gleiche sie damit nur aus, was sie in den vergangenen Jahren abgebaut und versäumt habe, sagt taz-Redakteur Malte Kreutzfeldt.
Die Bahn will 22.000 Mitarbeiter einstellen. Das ist die gute Nachricht, die Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verkündet hat. Diese Maßnahme sei jedoch auch bitter nötig, damit die Bahn nicht aufs Abstellgleis fahre, sagt unser Studiogast Malte Kreutzfeldt von der taz. Denn in den zurückliegenden 25 Jahren – seit der letzten Bahnreform und Überführung in eine Aktiengesellschaft – seien viele Mitarbeiterstellen abgebaut, das Schienennetz verkleinert und insgesamt die Infrastrukturen verschlechtert worden.
"Man sollte nicht vergessen: Ohne politische Fehlentscheidungen hätten wir viele von den Problemen gar nicht, die jetzt mühsam gelöst werden müssen." Ob der geplante Mitarbeiteraufwuchs ausreiche, um alle Löcher zu stopfen bleibe abzuwarten – denn die Mitarbeiterzahl habe sich in den letzten Jahren fast halbiert.

Das allgemeine Bahn-Bashing nervt

Bei aller Kritik an der Unternehmenspolitik der Bahn: Das allgemeine Bahn-Kritik geht Kreutzfeldt auf die Nerven. Dank der Verspätungs-App fühle er sich, als regelmäßiger Bahnfahrer, gut über mögliche Verspätungen informiert – und auf fünf oder zehn Minuten komme es ihm nicht an. "Da geht mir manchmal das Bashing auch zu weit – wo ich das Gefühl habe, da sitzen die Leute in einem halbleeren Zug und regen sich aber trotzdem noch tierisch auf, weil ihre reservierten Sitzplätze, die sie in dem Fall gar nicht brauchen, nicht angezeigt werden. Es gibt ja die Tendenz, sich bei der Bahn über alles aufzuregen, selbst wenn es einigermaßen funktioniert." Wenn man als Autofahrer auf der Autobahn im Stau stehe, zahle man meist mehr für das zusätzlich verbrauchte Benzin – und dieses Geld zahle einem auch niemand zurück.
Ein Portrait von Richard Lutz, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn.
Richard Lutz, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn.© imago/ Michael Gottschalk
In Bezug auf die Verschlechterung der Infrastrukturen übt Kreuzfeldt Kritik an der Bundesregierung: Diese setze falsche Anreize – nämlich für Neuanschaffungen, nicht für Reparaturen. Das führe dazu, dass Züge und Schienen bis zum Verschleiß genutzt würden, ohne nötige Reparaturen durchzuführen – weil es Geld für die Neuanschaffung gebe.

Es darf nicht nur um Rendite gehen

Kreutzfeldt hält nichts von der Idee, die Bahn komplett zu privatisieren. Denn dann werde es nur noch um Rendite gehen.
Der Journalist Malte Kreutzfeld, Parlamentskorrespondent für Wirtschaft und Umwelt bei der "tageszeitung" 
Der Journalist Malte Kreutzfeldt, Parlamentskorrespondent für Wirtschaft und Umwelt bei der "tageszeitung". © privat

Malte Kreutzfeldt, geboren 1971 in Hildesheim, ist Journalist und Autor. Er ist seit 2007 Redakteur im Ressort Wirtschaft und Umwelt der Tageszeitung "taz" in Berlin.

"Da muss man sich irgendwann mal entscheiden, ob man die Bahn als ein Instrument der Daseinsvorsorge, der Mobilität als Grundbedürfnis uns auch als staatliche Aufgabe sieht – und auch als Instrument des Klimaschutzes – oder ob man es als ganz normales Geschäftsfeld sieht, wo es darum geht, Gewinne zu machen und man sich auf die Strecken konzentriert, wo eben Gewinne gemacht werden können. Da tendiere ich eindeutig zur ersten Lösung." Mobilität sei eine Aufgabe, die nicht allein dem Kapitalmarkt unterworfen werden dürfe.

Die ganze Sendung mit Malte Kreutzfeldt hören Sie hier:

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