Donnerstag, 25. April 2024

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Tabakwerbeverbot
Vor 50 Jahren wurde der Marlboro-Mann aus dem US-TV gejagt

Ab Mitte der 1960er-Jahre war Zigaretten-Reklame allgegenwärtig im Fernsehen der USA, dem damals weltgrößten Tabakproduzenten. Doch gegen viel Widerstand verbannten die Behörden am 2. Januar 1971 Tabakwerbung aus Rundfunk und Fernsehen. In der deutschen Politik tat man sich ungleich schwerer damit.

Von Almut Finck | 02.01.2021
    Der Marlboro Mann auf dem Dach einer Zigarettenfabrik.
    Der Marlboro Mann auf dem Dach einer Zigarettenfabrik. (picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
    Eine wundervolle, heile Welt. Die Sonne scheint, der See funkelt, ein verliebtes Paar neckt sich. Die junge Frau schaukelt schwungvoll unter Bäumen, ihre blonden Haare flattern im Wind. Gut sichtbar hält sie in der Hand eine Zigarette. "…Rauche Salem-Zigaretten", rät der US-Werbespot für Menthol-Zigaretten in den 1950er-Jahren.

    "Welche Zigarettenmarke rauchen Sie, Herr Doktor?"

    Zigarettenpause. Rauchen entspannt. Noch so eine Verheißung der Tabakindustrie. Um sie glaubhaft zu machen, holten Werbefachleute des Camel-Konzerns sogar Ärzte ins Boot, angeblich ja dauergestresst. In einer Studie wurden sie gefragt: "Welche Zigaretten rauchen Sie, Doktor?" Klar, was die Antwort war: "Die allermeisten Ärzte rauchen Camel."
    Rauchermythen. Qualmen ist männlich. Weltberühmt wurde der Cowboy, der mit der Zigarette im Mundwinkel über die Prärie in den Sonnenuntergang galoppiert. Freiheit und Abenteuer, das suggerieren die Bilder: "Komm ins Marlboro-Land".
    Mitte der 1960er-Jahre ist Zigarettenwerbung im US-Fernsehen omnipräsent. Die damals schon fast 700 amerikanischen Fernsehsender beziehen elf Prozent ihrer Werbeeinnahmen nur von der Tabakindustrie. Längst ist da die gesundheitsschädliche, ja tödliche Wirkung von Tabak bekannt. Längst haben Studien bewiesen, dass Zigarettenreklame Jugendliche zum Rauchen verführt.
    1964 tut sich deshalb die in den USA für Funk und Fernsehen zuständige Kontrollbehörde mit der Gesellschaft zur Krebsbekämpfung zusammen und macht erfolgreich Front gegen Tabakwerbung auf dem Bildschirm. Ab dem 2. Januar 1971 ist sie schließlich verboten, zum Unmut der 700.000 Tabakfarmer in den USA, dem Land mit der damals höchsten Tabakernte der Welt.

    Das deutsche HB-Männchen

    In Deutschland amüsiert HB-Männchen Bruno noch drei weitere Jahre das Fernsehpublikum mit seinen Alltagspannen und Wutausbrüchen. "Halt! Mein Freund, wer wird denn gleich an die Decke gehen? Greife lieber zur HB, dann geht alles wie von selbst."
    Ab 1974 darf dann auch im bundesdeutschen Fernsehen seine Räucherware niemand mehr anpreisen. Die damalige Familienministerin Katharina Focke (SPD), die sich das Kettenrauchen zur Amtsübernahme extra abgewöhnt hatte, betrieb das Verbot, gegen viel Widerstand. So hatte Hugo Hammans, ein der Tabakindustrie zugeneigter CDU-Bundestagsabgeordneter, argumentiert: "Werbung ist ein Informations- und kein Manipulationsinstrument."
    Es nützte ihm nichts, das Gesetz kam. Allerdings: Sponsoring blieb erlaubt. Bis heute lassen sich CDU und auch SPD gerne ihre Parteitage von der Tabaklobby mitfinanzieren. Alle vier Sekunden, hat die Weltgesundheitsbehörde errechnet, stirbt auf dem Globus ein Mensch an den Folgen des Rauchens. Doch ein vollständiges Tabakwerbeverbot gibt es hierzulande immer noch nicht. Deutschland ist EU-weit das einzige Land, in dem Firmen ihre Zigarettenwerbung im öffentlichen Außenraum noch plakatieren dürfen, auf Litfaßsäulen oder an Bushaltestellen. Erst 2022 soll Schluss damit sein.
    Ironie der Geschichte: In den USA kehrten 2017, fast 50 Jahre nach dem Verbot, Tabakmarken auf die Fernsehbildschirme zurück, allerdings in Form einer Art Antiwerbung. Die fiel dann auch reichlich nüchtern aus: eine Schrifttafel, eine Stimme aus dem Off, die erklärt, die Konzerne R.J. Reynolds Tobacco, Philipp Morris USA, Altria hätten mit Absicht Zigaretten entwickelt, die besonders stark abhängig machen.
    Der Hintergrund: Schleichend und heimlich hatte die Tabakindustrie in den vergangenen Jahrzehnten den Nikotingehalt in Zigaretten erhöht. Bundesgerichte verpflichteten sie nun dazu, in so genannten corrective statements, Richtigstellungen, zur Hauptsendezeit, fünfmal pro Woche, ein Jahr lang, vor den Gefahren des Rauchens zu warnen. Endgültig hatte man da den Eindruck, war die Sonne in Marlboro Country untergegangen.