Donnerstag, 28. März 2024

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Schattenseiten der virtuellen Realität
Mittendrin im Computerspiel "Resident Evil"

Brille auf, Welt an: Das verspricht die Virtual Reality Technologie. Nun ist mit Resident Evil das erste große Computerspiel erschienen, das man auch in der virtuellen Realität spielen kann. Doch mittendrin zu sein in einem Gruselspielklassiker ist nichts für schwache Nerven.

Von Christian Schiffer | 26.01.2017
    Ein Besucher hat auf der Computerspielmesse Gamescom in Köln eine Virtual Reality Brille an und spielt "Resident Evil 7".
    Resident Evil steht in der Computerspielwelt seit über zwanzig Jahren für alptraumhaften Horror - nun kann man per Virtual Reality Brille komplett in die Welt des Spiels eintauchen. (Imago / Rüdiger Wölk)
    Irgendwann schlage ich meiner Freundin den Schädel ein und zwar so lange bis sie endlich regungslos am Boden liegt. Zu meiner Verteidigung möchte ich vorbringen, dass sie mir kurz vorher den Unterarm abgetrennt hat, mit einer Kettensäge - und das ist ja wohl auch nicht gerade die feine englische Art. Außerdem hatte sie sich in einen Zombie verwandelt und war vernünftigen Argumenten auch nicht mehr zugänglich. Und trotzdem: Es kostet mich Überwindung, es fühlt sich seltsam an und sehr real - fast zu real.
    Plötzlich mittendrin im Alptraum
    Ich spiele das Horrorspiel Resident Evil 7 und ich spiele es in der Virtual Reality Version. Resident Evil steht in der Computerspielwelt seit über zwanzig Jahren für alptraumhaften Horror, und als ich mir die klobige Playstation VR-Brille über den Kopf ziehe, bin ich plötzlich mitten drin in diesem Alptraum.
    Anstatt über einen Bildschirm, wie durch ein Fenster, auf das Spiel zu starren, bin ich einfach hier. Hier in dieser großen, verwitterten Villa mit ihren knarzenden Dielen und der Zombie-Freundin, hier in dieser Küche, mit ihren … ja, was ist das eigentlich da in diesem Kochtopf … Hier … in der ekeligsten Küche der Welt.
    Als würde der Boden unter den Füßen weggezogen
    Wenn ich mich umsehen möchte, dann bewege ich einfach meinen Kopf, so wie ich das eben auch in der realen Welt tun würde. Das Bewegen funktioniert über den Controller und da ich im Real Life ja auf der Stelle sitzen bleibe, fühlt sich das etwas merkwürdig an, so als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen werden.
    Nach ein paar Sekunden hat sich mein Hirn aber auf diese seltsame Situation eingestellt und nach ein paar Minuten empfinde ich diese Art der Fortbewegung sogar als angenehm, ich bewege mich ohne zu gehen, fast ein bisschen so als würde ich schweben. Andere tun sich da schwerer; "Motion Sickness" nennt sich das Phänomen, wenn Menschen schlecht wird, sobald sie virtuelle Welten betreten, und das wiederum ist nicht nur unangenehm, sondern schadet der Immersion.
    Immersion hat auch seine Schattenseiten
    Und Immersion, also das komplette Eintauchen in eine virtuelle Welt, sodass man alles um einen herum vergisst, das ist ja das große Versprechen der Virtual Reality Technologie. Und hier, in Resident Evil 7, wird dieses Versprechen eingelöst. Es ist ein unglaublich intensives Erlebnis, das Herz klopft mir manchmal bis zum Hals, mit allergrößter Vorsicht luge ich um Ecken oder schleiche Flure entlang. Ich, der harte Knochen, ich, der in den letzten Jahrzehnten durch ein Stahlbad von Killerspielen und Horrorfilmen gegangen ist: Resident Evil 7 macht aus mir nach und nach ein regelrechtes Mimöschen.
    Und dann passiert eben die Sache mit meiner Zombie-Freundin, und da wird mir klar, dass Immersion auch seine Schattenseiten hat, dass es auch ganz gut sein kann, manchmal "nur" über einen Bildschirm, wie durch ein Fenster, auf das Spiel zu starren. Und ich ahne, dass uns die ein oder andere Diskussion in Sachen virtuelle Realität wohl noch bevorsteht.
    Als ich die Brille abnehme, ist mir heiß und ich muss mich erstmal orientieren: Arbeitszimmer statt modriges Herrenhaus, Pizza im Kühlschrank statt Maden im Kochtopf, normale Freundin statt Zombiefreundin: Es ist schön, wieder hier zu sein.