Awolnation mit neuem Album

"Es ist aufregend, gegen den Strich zu leben"

September 3, 2016 - Tinley Park, Illinois, U.S - ISAAC CARPENTER and AARON BRUNO of Awolnation perform live at Hollywood Casino Amphitheater in Tinley Park, Illinois Tinley Park U.S. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAs135 20160903_zap_s135_009 September 3 2016 Tinley Park Illinois U S Isaac Carpenter and Aaron Bruno of Awolnation perform Live AT Hollywood Casino Amphitheatre in Tinley Park Illinois Tinley Park U S PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY ZUMAs135 20160903_zap_s135_009
Die Band Awolnation mit ihrem Lead-Sänger Aaron Bruno. © imago/ZUMA press
Sänger Aaron Bruno im Gespräch Martin Böttcher · 05.02.2018
Das neue Album der Band Awolnation"Here Come the Runts" stößt auf geteilte Kritik. Fest steht: Es ist sehr vielfältig. Sänger Aaron Bruno rückt das Werk in die Nähe der Dire Straits, der Cars oder von Tom Petty. Auf keinen Fall aber möchte er "der Herde hinterher rennen".
Aaron Bruno ist der Mann hinter dem US-amerikanischen Bandprojekt Awolnation. In noch guter Erinnerung dürfte sein Hit "Sail" sein. Er kam vor ziemlich genau sieben Jahren heraus und blieb monatelang in den Charts, verkaufte sich mehr als sieben Millionen mal. Vor drei Tagen ist das neue Album von Awolnation herausgekommen.
Die Kritiken zu diesem Album namens "Here come the runts" sind geteilt, reichen von "wahllos" bis hin zu "beeindruckende Vielfalt". Das zeigt schon, was für eine Art von Platte das ist: Aaron Bruno hat hier – wie gewohnt – versucht, viele verschiedene Stile unter einen Hut zu bringen – ein Zwischending aus Rock und Pop, Alternative und Elektronischem. Sogar gepfiffen wird auf diesem Album.

Sehr mutig – oder sehr dumm

Pfeifen im Popsong, das ist entweder sehr mutig oder sehr dumm, damit kommen nur wenige durch. Otis Redding vielleicht noch, aber nur in in "Sitting on the dock of the bay". Oder Monty Phython, wenn sie die "Bright side of life" feiern. Was sagt Aaron Bruno zu seiner neuen Platte? Er behauptet, "Here come the runts" sei ein Pop-Album im Sinne der Dire Straits, der Cars oder Tom Petty. Er vergleicht es sogar mit "Born In The USA" von Bruce Springsteen. Aber wie kommt er darauf?

Das Interview in kompletter Länge:

Deutschlandfunk Kultur: Sie sagen, "Here Come The Runts" sei ein Pop-Album im Sinne der Dire Straits, der Cars oder Tom Petty. Sie vergleichen es gar mit "Born In The USA" von Bruce Springsteen. Wie darf man das verstehen?
Aaron Bruno: Ich bin in den 80er Jahren aufgewachsen und hatte so das Glück, viele großartige Pop-Rock-Alben zu hören. Rock’n’Roll war damals einfach noch die wichtigste Musik, selbst bei Prince und Michael Jackson gab es E-Gitarren. Ich wollte dass die Musik auf diesem Album organischer klingt als auf den beiden Vorgängern. Ich hatte Synthesizer und Elektronik ein bisschen satt. Ich wollte mehr musikalisches Handwerk, eine stärkere menschliche Note. Und das haben diese Alben, die Sie gerade erwähnt haben.

"Ich wollte mehr Handwerk hören"

Ich wollte nicht das ganze Album auf dem Rechner machen. Wogegen nichts zu sagen ist, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber ich wollte mehr Handwerk hören. Ein Album, das hymnisch klingt, das nur aus Singles besteht und nicht aus Abfallmaterial. Ich finde, fast alle dieser Songs könnten im Radio laufen. Außer dem letzten Song, der ist zu lang. Ja, ein großes Rock’n’Roll-Album sollte es werden, das hoffentlich die Zeit übersteht.
Deutschlandfunk Kultur: Die letzten Jahre konnte man sagen, der Zeitgeist war auf der Seite der Musik, die sehr bombastisch daher kam, sehr produzierte Musik, große Musik, atmosphärisch dichte Musik. Sie gehen also einen Schritt zurück. Ist das ein Schritt entgegen dem Zeitgeist, oder würden Sie sagen, dass der Wind sich gerade wieder dreht?
Bruno: Im Moment, würde ich sagen, bewege ich mich da noch gegen die Strömung, aber in vielleicht drei Jahren wird das anders sein. Ich will wirklich nicht das Rad neu erfinden, sondern nur Songs schreiben, die übermorgen nicht vergessen sind. Und darum geht es ja in der Idee des Albumtitels, "Here Come the Runts", hier kommen die Schwächlinge: Die Leute, die nicht den Trends hinterherrennen, die sich nicht als Teil der Herde behaupten, sondern ihren eigenen Weg gehen wollen. Die ihre eigenen Ideen haben. Auch wenn das heißt, auf die Nase zu fallen und zu versagen, ist es einfach befreiend und aufregend, gegen den Strich zu leben. Lieber so leben und versagen, als Erfolg haben mit etwas, das so klingt wie alles andere auch.

"Wenn man verliebt ist, weiß man das"

Deutschlandfunk Kultur: Wenn Sie Songs machen, wenn Sie sie schreiben, sie produzieren und sie dann fertig sind, wann haben Sie das Gefühl: Jetzt habe ich gute Arbeit gemacht?
Bruno: Diese Entscheidung ist sehr schwer, und darauf gibt es eigentlich keine Antwort. Vielleicht, wenn ich jede erdenkliche Richtung für den Song in Erwägung gezogen habe, und wenn die Mischung sich am Ende perfekt anhört. Man weiß es einfach. Wenn man verliebt ist, weiß man es auch, das ist vielleicht ähnlich. Wenn ich weiß, mehr kann ich nicht machen, ich habe mein Bestes gegeben, dann ist es soweit, und das zu erkennen, darin bin ich ziemlich gut. Dann lasse ich los und überlasse den Rest den Hörern und hoffe, dass der Song sie berührt und sie besser durch den Tag kommen.
Deutschlandfunk Kultur: Sie sind also kein Perfektionist?
Bruno: Ich weiß es nicht. Nichts ist jemals perfekt. Man muss auch wissen, wann man loslassen muss. Irgendwie kann man ja immer einen besseren Song schreiben. Wenn man so gestrickt ist, kann man immer noch Fortschritte machen. Aber es ist ja auch aufregend, fertig zu sein mit einem Song und ein Kapitel in seinem Leben abzuschließen. Ich glaube, das kann ich ganz gut.
Deutschlandfunk Kultur: Ihre Songs haben etwas sehr Energetisches, Stimulierendes, ihre Wirkung ist manchmal fast drogenähnlich. Wie würden Sie denn die Wirkung Ihrer Musik im Vergleich zu anderen Drogen einordnen?

Meine Droge war Musik

Bruno: Ich wünschte mir, dass meine Musik wirkt wie die reinste Droge überhaupt. Die man immer wieder nehmen kann, ohne dass einem schlecht wird oder man einen Kater bekommt. Ich glaube, jeder Song gibt einem einen Schub und ein Gefühl von Befreiung wie nichts anderes. Musik war jedenfalls meine Droge, als ich aufgewachsen bin. In meinen frühen Teenagerjahren gab es zwei Alben, die ich rauf- und runtergehört habe.
Das war "Ten" von Pearl Jam – und das ist noch nicht mal mein Lieblingsalbum von denen – und "Bad" von Michael Jackson. Die habe ich immer und immer wieder auf meinem tragbaren CD-Spieler gehört. Ich habe nachts nicht geschlafen und diese Musik gehört und mir vorgestellt, wie ich eines Tages in einer Band spiele, und wie ich mit dem Mädchen zusammen komme, das in der sechsten Klasse nicht mit mir gesprochen hat. Filmszenen, schräges Zeug… reiner Eskapismus und letztlich das, was die Leute in Drogen und Alkohol suchen. Also, an alle Kids da draußen: Awolnation ist eine positive Alternative zu allen schädlichen Drogen. Und natürlich an alle Eltern: Nehmt meine Platte und gebt sie weiter.
Deutschlandfunk Kultur: Das Faszinierende an Ihrer Musik ist ja, dass sie eine ganz einzigartige Mischung aus Freude und Weltekel, aus Spaß und Zynismus zu sein scheint. Was überwiegt denn bei Ihnen persönlich? Der Spaß an der Welt, oder der Schmerz?
Bruno: Mir waren Songs, die etwas Trauriges oder Schmerzhaftes haben, schon immer näher als fröhliche Songs. Klar mag ich auch Songs, die Spaß machen. Aber ich glaube, nur wenn man über den Kampf spricht, kann am Ende was Positives dabei herauskommen. Gibt es Licht ohne Dunkelheit? Ich hoffe, dass ich das alles abdecke.
Und der Ekel – ich finde es wirklich bemerkenswert, dass Sie diesen Aspekt heraushören – ich hoffe, er bleibt nicht in der Welt. Ich interessiere mich wirklich dafür, wie die Menschen denken, was sie fühlen, und warum sie fühlen, was sie fühlen. Gerade auf dem Flughafen habe ich eine Frau gesehen, die weinte – auf Flughäfen kann man ja wirklich die gesamte Bandbreite an Gefühlen erleben – und ich habe mich gefragt, warum sie wohl weint? Was bringt sie dazu, und wird es ihr heute noch besser gehen?
Und mich interessiert wirklich, warum wir uns fühlen, wie wir uns fühlen, und ich möchte mit meinen Songs am liebsten durch all diese Gefühle hindurchgehen. Am Ende ist Musik nichts weiter als eine riesige Therapiesitzung. Mir hat es übrigens sehr viel mehr geholfen, Musik zu hören, als selbst welche zu schreiben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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