Autorin über den digitalen Bachmann-Preis

"Zum Glück nichts Peinliches gemacht"

05:58 Minuten
Autorin Jasmin Ramadan antwortet in Hamburg bei der Premiere ihres Romans "Soul Kitchen" im Rahmen des ersten Harbour Front Literaturfestivals 2009 auf Fragen des Moderators.
Gut aufgelegt: Die Autorin Jasmin Ramadan, hier bei der Vorstellung ihres Debütromans "Soul Kitchen" in Hamburg. © picture alliance / dpa / Bodo Marks
Jasmin Ramadan im Gespräch mit Joachim Scholl · 19.06.2020
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Die Hamburger Schriftstellerin Jasmin Ramadan las der zu Hause sitzenden Jury des Bachmannpreises vor – und geriet in eine kontroverse Debatte. Lag es auch an der Distanz vor dem Tablet, dass sie davon teilweise "ein bisschen gelangweilt" war?
Der Bachmann-Wettbewerb 2020 – alles digital, alles online, der Literaturbetrieb sitzt vor dem PC. Alle Lesungen sind vorab aufgezeichnet, live können die Kandidatinnen und Kandidaten dann die Kritik verfolgen, mit Abstand von Stadt zu Stadt.
Jasmin Ramadan, Autorin des Romans "Soul Kitchen", gehört zu den 14 Menschen, die in diesem Jahr antreten.
Sie las unter anderem die folgende Passage:
"Verletzte Frauen konnte Ben nicht ertragen. Sie erinnerten ihn an seine Mutter. Deshalb brachte er verletzte Frauen dazu, ihn zu verlassen. Dafür reduzierte er alles mehr und mehr. Komplimente, Nachrichten, Interesse, Zuverlässigkeit – sich."
Die Besonderheit dabei: Jasmin Ramadan saß während dieser Lesung am zweiten Tag des Wettbewerbs in Hamburg an ihrem Schreibtisch. Die ganze Situation fand sie seltsam:
"Ich saß da gemütlich vor diesem Tablet und habe erst im Nachhinein gesehen, dass man wohl auch mich sehen konnte – im Fernsehen, wie ich meiner eigenen Lesung zusehe! Ich wusste nicht, dass ich eingeblendet bin. Ich habe nur die Jury-Mitglieder gesehen, wie sie alle zu Hause saßen. Zum Glück habe ich einfach nur so da gesessen und nichts Peinliches gemacht."

"Mir war es ein bisschen zu wenig am Text"

Die anschließende Jurydiskussion – unter anderem mit der herben Kritik von Deutschlandfunk-Redakteur Hubert Winkels, der von einem "grotesk falschen Text" sprach – habe ihr "nicht so richtig Feuer gemacht", und die theoretische Debatte, warum ein Text gut sei und warum nicht, habe sie "ein bisschen gelangweilt". Vielleicht habe dies auch an der räumlichen Distanz gelegen. "Mir war es ein bisschen zu wenig am Text, das hätte ich schöner gefunden."
Im Schlusswort antwortete die Autorin der Jury: "Da hatte ich schon Lust, noch was zu sagen. Ich konnte ja nicht allem zustimmen. Dass nicht alle Zugang dazu haben, wie ich schreibe, das kenne ich ja schon, das ist normal, das geht ja allen so. Das fand ich nicht so interessant. Dass es beim Bachmann-Wettbewerb für die Autorinnen und Autoren nicht immer gut ausgeht, weiß man ja vorher. Aber man macht einfach mit, weil es schön ist, wenn Literatur Aufmerksamkeit bekommt – gerade wenn es kontrovers zugeht."
Übrigens: Ein Offline-Wiedersehen mit dem Kritiker, der ihren Text in der Diskussion verriss, könnte es im nächsten Jahr geben. Jasmin Ramadan berichtete, dass die Autorinnen und Autoren, die in diesem Jahr nicht in Klagenfurt sein können, vielleicht 2021 als Ehrengäste eingeladen werden: "Vielleicht habe ich ihm bis dahin verziehen", sagte sie lachend.
(cre)
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