Autorin Hyeonseo Lee

"Ich dachte, Nordkorea sei das beste Land der Welt"

Autorin Hyeonseo Lee im Gespräch mit Moritz Küpper. (2016)
Autorin Hyeonseo Lee im Gespräch mit Moritz Küpper. © Deutschlandradio / Moritz Küpper
Von Moritz Küpper · 06.10.2016
Als 17-Jährige flüchtete Hyeonseo Lee heimlich und alleine aus Nordkorea. Ihr Buch "Schwarze Magnolie. Wie ich aus Nordkorea entkam" wurde zum Bestseller. Uns erklärt Hyeonseo Lee, warum sie bis heute unter der Flucht leidet.
Hyeonseo Lee hatte keine Zweifel. Die junge Frau, schwarze Haare, braune Augen, Daunenjacke und grauer Schal, sitzt in einem Bürogebäude in Bonn.
"Until the moment, I escaped the country, I thought, my country was the best in the world."
Das beste Land der Welt, das habe sie gedacht – bis zur ihrer Flucht. Ihr Land, das ist – noch immer – Nordkorea. 1948 als Volksrepublik ausgerufen, dabei eine Diktatur, seit drei Generationen müssen die knapp 25 Millionen Einwohner den Launen des Kim-Regimes folgen.

Keine Zweifel gehabt

Und obwohl Hyeonseo Lee Hinrichtungen sah, obwohl es Mitte der 90er-Jahre eine große Hungersnot gab, hatte sie eben keine Zweifel:
"Until the moment, I have been crossing the border, I didn’t know, that I was so brainwashed."
Eben bis zu dem Moment, als sie die Grenze überschritt. Sie sei brainwashed gewesen, die Propaganda des Regimes hätte gewirkt: Hinrichtungen? Das seien Kriminelle gewesen, wurde gesagt.
Auch Kleinkinder hätten diesen beiwohnen müssen, die Angehörige in der ersten Reihe stehen. Doch Hyeonseo Lee lebte nahe der Grenze zu China und konnte so dann auch bald die Unterschiede sehen:
"Especially I was living near the border, I could easily the difference."
Die Dunkelheit auf ihrer Seite, das Leuchten des Lichts auf der anderen Seite, sprichwörtlich schwarz-weiß.
"It’s like the black and white."

"Ich sterbe jeden Tag aufs Neue"

Heute lebt sie in Soul, Südkorea – toure durch die ganze Welt, habe aber ihre Wurzeln nicht vergessen:
"My mental home is still my home-town."
Ihr gedankliches Zuhause sei noch immer ihre Heimat. Obwohl es dort schrecklich sei, obwohl dort Armut herrsche, sie nicht zurückkönne.
"I know that is most horrible place and a poor country, to go back."
Sei es dennoch wie ein Platz in einem Traum. Und weil sie dies nicht haben können, sterbe sie jeden Tag aufs Neue.
"Because I can’t go back to it, it’s like a dream place. That’s why I die for every day more, because I can’t have it."
In New York habe sie nun eine Nicht-Regierungs-Organisation gegründet. Aus Sicherheitsgründen in den USA. Mit der will sie aufmerksam machen, auf die Situation in Nordkorea, vor allem aber auf das Schicksal der Menschen.

Instabiles Regime lässt hoffen

Dafür erzähle sie ihre Geschichte, der Flucht, der Jahre in China, in denen sie sich versteckt halten musste, um nicht erneut nach Nordkorea ausgeliefert zu werden. Seit nunmehr drei Jahren geht das so, fast jeden Tag. Auch wenn dies mitunter schwer fällt. Denn: Es erinnere sie daran, dass sie ein Opfer sei.
"I am victim."
Wie so viele Menschen in Nordkorea selbst. Dabei gebe es durchaus Hoffnung. Gerade in den letzten Wochen und Monaten. Denn: Die Situation des Regimes sei instabil.
"The regime has a very unstable situation right now."
Dafür würden die jüngsten Raketentests sprechen, die Verunsicherung innerhalb der Hierarchie sei groß, der Kurs von Diktatur Kim Jong-un unberechenbar. Und die Zahl der geflohenen Diplomaten in jüngster Zeit ist groß: Vor einigen Wochen hatte sich der zweite Mann an der nordkoreanischen Botschaft in London abgesetzt, der wohl viel über die Methoden der Herrscherfamilie und deren Luxusleben zu berichten weiß. Und auch in dieser Woche gab es Meldungen über einen nordkoreanischen Diplomaten in Peking, der sich ebenfalls abgesetzt haben soll.
Solche Nachrichten machen sie glücklich, so Hyeonseo Lee, denn: Sie höre die ersten Geräusche des Kollaps.
"I can hear the sound of collapse."

Eine einfache Frage, die Hyeonseo Lee antreibt

Doch, die Welt müsse mehr tun: Nordkorea brauche mehr Aufmerksamkeit, angesichts der aktuellen globalen Krisenherde, werde das Land, die Situation der Bevölkerung, häufig weniger beachtet. Die nordkoreanischen Themen würden keine Priorität genießen.
"North Korean issues always not the top priority in international community."
Und dafür kämpft Hyeonseo Lee, dafür erhebt sie ihre Stimme. Denn: Sie habe das Gefühl, sollte Nordkorea einmal frei werden, dann werden sie die Menschen fragen:
"People, living inside North-Korea will be asking me..."
Während wir gelitten haben, was habt ihr, die in einem freien Land leben konntet, für uns getan?
"What did you do? For us?"
Es ist eine einfache Frage, aber eine, die Hyeonseo Lee antreibt.
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