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Korrespondent mit Startnummer

Ein Oldtimer fährt eine Straße entlang, am Straßenrand stehen Zuschauer und Fotografen.
Keine Kaffeefahrt: der Fiat-Präsident bei der Mille Miglia durch Italien © dpa / picture alliance / Venezia-Morgano
Von Jan-Christoph Kitzler  · 30.05.2014
Es ist eine italienische Legende: Mehr als 450 historische Rennwagen rasen bei der Mille Miglia quer durch Italien. An der Strecke jubeln Tausende. Wer als Fahrer die Zeitvorgabe einhalten will, muss die Verkehrsregeln ignorieren. Die Polizei hilft dabei - wie unser Autor selbst erlebt hat.
Großer Bahnhof in der Altstadt von Brescia - rund 450 Autos werden auf den Start der Mille Miglia vorbereitet. Viele, viele Menschen sind hierhergeströmt, um das zu sehen.
Mitfahren darf nur, wer ein Modell hat, dass 1927-1957 dabei war. Damals bei der alten, bei der legendären Mille Miglia. Die jüngsten Autos, die hier in Brescia, am Start- und Zielort, stehen, sind also 57 Jahre alt.
Kein Problem für den Holländer Evert Louwman. Sein Mercedes aus dem Jahr 1929 ist das Auto, das viele hier für das "originalste" halten. Kein Teil wurde ausgetauscht. Der Kompressor-Motor ist riesig: 7,1 Liter. Alle wollen es sehen mit seiner langen, roten Motorhaube:
"Du musst wissen, wie man fährt: sehr vorsichtig. Aber wir sind schneller als jedes andere Vorkriegsauto. Wir können jeden schlagen, und ich liebe es, einen Ferrari aus den 50er-Jahren zu überholen. Die sind dann sehr überrascht, wie viel Kraft dieses Auto hat. Es ist die reine Freude."
Louwman hat gut reden. Der ältere Herr mit der Brille besitzt ein Automuseum in Den Haag, das sehr beliebt ist unter den Oldtimer-Fans. Dort zeigt er Fahrzeuge aus den 1880ern bis in die 1960er-Jahre. Aber am schönsten findet er es, wenn seine Autos nicht nur Schaustücke sind, sondern wenn sie auf der Straße fahren. Louwman freut sich über seine 25. Mille Miglia, fast wie ein Kind:
"Italien ist so schön und die Menschen hier haben so sehr Autos im Kopf. Italiener lieben Autos. Das ist der Himmel: eine Mille Miglia fahren 1.700 Kilometer durch die Städte und die schöne Landschaft. Das ist aufregend: Sie leben für diesen Tag! Ach, es ist wundervoll!"
Beide versuchen, die Kontrolle zu behalten
Und dann geht es los! Nach und nach fahren die Starter über die Rampe und machen sich auf den Weg.Und schnell wird klar, dass das keine gemütliche Kaffeefahrt ist, sondern dass die Zeit knapp berechnet ist. Wer pünktlich sein will, der muss Gas geben. Und für die nächsten vier Tage noch etwas ausblenden: Sich an die Verkehrsregeln zu halten, ist unmöglich - im Gegenteil. Freundliche Polizisten fordern die Fahrer auf, rote Ampeln zu überfahren, in hohem Tempo durch Ortschaften zu rasen. Oft fahren sie in halsbrecherischer Fahrt auf ihren Motorrädern vorweg. Es ist schwer, hinterherzukommen.
Aber nicht für die Profis im Fahrerfeld. Bruno Senna ist so einer. Neffe von Ayrton Senna und selbst für ein paar Jahre Formel1-Pilot. Der 30-Jährige fährt einen Jaguar von 1956. Leider hat der grüne, flache Rennwagen keinen Tacho - da ist es schwierig mit dem Pünktlichsein. Ansonsten ist Bruno Senna mit seinem Auto zufrieden:
"Es ist unglaublich, wie verlässlich dieses Auto ist. Wir bringen es manchmal an die Grenze. Es fährt sich gut. Es ist natürlich eine ganz schöne Herausforderung, nach Italien zu kommen, keine Ahnung zu haben, wo es lang geht, und das dann mit der Karte herauszufinden. Jedes Mal, wenn wir einen Fehler machen, wird es noch härter. Aber das macht Spaß und ich denke, man sieht einen Teil von Italien, den man normalerweise nicht sehen würde. Das ist es wert."
Jan-Christoph Kitzler sitzt in einem Oldtimer.
Der Italien-Korrespondent Jan-Christoph Kitzler bei der Mille Miglia 2014© Deutschlandradio / Jan-Christoph Kitzler
Immer zwei sitzen in einem Auto und beide versuchen, irgendwie die Kontrolle zu behalten. Der eine am Steuer, der andere mit einem Ringbuch in der Hand, in dem der Kurs steht. Jede Kreuzung, jede Ampel. Leicht ist es nicht, damit bei rasendem Tempo den Weg zu finden.
Die rasende Fahrt geht durch Italien, über Padova die Adria-Küste hinunter bis nach L'Aquila in den Abruzzen. In vielen Orten, durch die die Autos kommen, ist Feststimmung. Tausende, Zehntausende stehen am Straßenrand und jubeln. In L'Aquila aber ist es schon dunkel. Da sieht man die Ruinen nicht, die das schwere Erdbeben vor über fünf Jahren zurückgelassen hat.
"Eine noch bewegendere Mille Miglia"
Wenn man so durch Italien rast, dann muss man noch etwas ausblenden: Die vielen Menschen am Straßenrand bejubeln nicht die Fahrer, oder zumindest nicht nur. Schönheit und Bravour, das wird in Italien oft zusammen gedacht. Und weil die Autos schön sind, werden eben auch die Menschen beklatscht, die drinnen sitzen. Entsprechend glücklich sind alle, die im Ziel ankommen - wie Laura Confalonieri:
"Sehr gut. Das war eine noch bewegendere Mille Miglia als sonst. Denn sie war länger, mit einer Etappe mehr. Und deshalb mehr Anstrengung, aber auch mehr Erinnerungen, mehr Emotionen. Wirklich ein fantastisches Rennen."
Und auch Evert Louwman will weitermachen. Autos sind sein Leben. Und die Mille Miglia gehört fest dazu, auch im nächsten Jahr:
"Ja, ja, ja. Sagen wir: ich bin dabei. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, aber es ist mehr oder weniger natürlich. Dieses Auto mit dem großen Kompressor und der großen Kraft, das alles anderen Vorkriegsautos schlägt. Ja, ich muss dieses Auto auf der Straße zeigen."
Und auch im nächsten Jahr wird es wieder viele Menschen geben, die dieses und die anderen Autos sehen wollen. Bei der Mille Miglia 2015.
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