Autor Stefan Hertmans

"Kunst und Kultur sind mir heilig"

Stefan Hertmans
Der belgische Schriftsteller Stefan Hertmans © imago/gezett
Von Susanne Schenck · 23.12.2014
Vor kurzem hat Stefan Hertmans für seinen Roman "Der Himmel meines Großvaters" den AKO-Literaturpreis erhalten, den höchstdotierten Preis für niederländischsprachige Literatur. Darin schildert er die Geschichte seines flämischen Großvaters, der als junger Mann in einen Krieg gerät, den Ersten Weltkrieg, den er nicht begreift, in dem er sich aber als tapferer Soldat erweist.
Der Schriftsteller Stefan Hertmans, Jahrgang 1951 ist einer der wichtigsten belgischen Autoren niederländischer Sprache. In seiner Heimat hat er bald 30 Bücher veröffentlicht und ist hier noch zu entdecken. Susanne von Schenck hat Stefan Hertmans in Brüssel getroffen und ihn gefragt, was ihm heilig ist.
"Was mir heilig ist - und ich verstehe das Wort heilig mehr als etwas, das mir Heil bringen kann: Ruhe, Frieden in den Gedanken bringen kann, - dann ist es meine Hoffnung, dass Kultur und Kunst in unserer Gegenwart irgendeine aktive Rolle spielen können für Demokratie, Toleranz und einen offenen Geist."
"Ich bin katholisch aufgewachsen, und das hat mich tief geprägt. Aber wenn man den Glauben verliert, so wie ich, dann bleibt doch immer etwas zurück. Auch wenn Gott nicht mehr da ist, gibt es noch ein Loch, wo Gott gewesen ist. Und dieses Loch in meinem Leben ist eine Art von Sakralität."
"Es mangelt mir etwas, eine Art von Hoffnung auf ein anderes Leben, worüber ich nicht traurig bin, aber die mich gelehrt hat mit einer Art Verlust zu leben. Im Loch des Verlustes von Gott ist jetzt für mich Lyrik, Literatur, Humanität, Hoffnung, Toleranz, all diese Werte, die wir brauchen, um eine zivilisierte Gesellschaft zu haben."
Hölderlin: "Ja! eine Sonne ist der Mensch,
allsehend, allverklärend, wenn er liebt,
und liebt er nicht,
so ist er eine dunkle Wohnung,
wo ein rauchend Lämpchen brennt."
"Das ist für mich immer so fesselnd gewesen - Hölderlin und diese ganze deutsche Romantik: Man sieht sich eine Landschaft an, man sieht eine Art von Vollkommenheit der Welt und dann denkt man, es muss irgendwo ein höheres Bewusstsein geben. Das ist ganz menschlich, das ist ganz logisch, dass man sich das fragt, dass man das spürt. Aber dann der zweite Schritt: wir haben Recht, und unsere Interpretation ist besser als die andere, Religion, das ist die Krankheit des Menschentiers."
"Bezüglich Weihnachten bin ich ganz nostalgisch. An Weihnachten will ich es noch immer wie in meiner Kindheit haben, dass wir Bach hören, dass es Kerzen gibt, dass es Frieden gibt, dass Leute zusammen sind und dass es eine Art von Frömmigkeit gibt."
"Das ist ganz wunderbar, weil ich eigentlich nicht mehr glaube, aber doch noch spüre, dass was ich das Loch genannt habe im Bewusstsein, dass es noch da ist und dass ich noch immer sehr sensibel bin bezüglich Rituale."
"Ich besuche noch immer überall auf der Welt, wohin ich komme, die Kirchen. Das wundert mich noch immer, dass Leute das geschafft haben, solch einen Raum zu schaffen, wo man von einem Augenblick zum anderen in einen meditativen Zustand geraten kann. Das ist wunderbar, und das fesselt mich noch immer. Das heißt, dass ich, obwohl ich meinen Glauben verloren habe, doch noch immer eine Faszination habe für das, was Glauben ist."
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