Autor Jan von der Bank über Greta Thunberg

"Zu bedeutungsvoll für ein Romanstöffchen"

07:21 Minuten
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg posiert für ein Foto während eines Interviews mit AFP an Bord der Segelyacht Malizia II in der Mayflower Marina in Plymouth, Südwestengland, am 13. August 2019 vor ihrer Reise über den Atlantik nach New York.
Leinen los: Auch auf dem Segeltörn quer über den Atlantik wird Greta Thunberg häufiger mal in wetterfeste Kleidung schlüpfen müssen.. © AFP / Ben Stansall
Moderation: Ute Welty · 14.08.2019
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Greta Thunberg segelt für den Klimaschutz über den Atlantik. Sollte es der jungen Frau gelingen, beim Klimagipfel in New York ein Zeichen zu setzen, wäre das einen Eintrag ins Geschichtsbuch wert, meint der Autor und Segler Jan von der Bank.
Greta Thunberg geht auf große Fahrt - in einem vergleichsweise kleinen Segelboot. Falls Seekrankheit die junge Klimaaktivistin erwischen sollte, rät der Autor und Klimaaktivist Jan von der Bank zu Ingwertabletten und Magnetpflastern. Möglicherweise hat Gretas Vater, der seine Tochter bei dem Törn nach New York begleitet, so etwas aber ohnehin schon in die Reiseapotheke gepackt.
Von der Bank prophezeit der jungen Frau eine "sehr fordernde" Reise, gleichwohl aber auch eine "großartige Erfahrung". Zwei Wochen ohne Land in Sicht - das ist nicht ohne. Allerdings kann er sich derzeit nicht vorstellen, Gretas Reise schriftstellerisch zu verarbeiten:
"Also, um da jetzt ein Drehbuch oder ein Romanstöffchen draus zu machen, finde ich diese Reise eigentlich zu bedeutungsvoll. Ich würde mir eher wünschen, dass das etwas für die Geschichtsbücher wird und nicht für Romane. Wenn sie in New York Erfolg hat und wenn sie noch mehr junge Menschen auf ihre Seite ziehen und für ihre Sache gewinnen kann, dann wäre das definitiv etwas, das in die Geschichtsbücher gehört."

Alternative Antriebe noch zu teuer

Zur Rolle von Segelschiffen im Handelsverkehr sagt der begeisterte Bootsbauer: Generell gebe es durchaus Möglichkeiten, Segelschiffe auch in größerem Maßstab einzusetzen - etwa indem man große Kites vor das Schiff spanne und diese als An- beziehungsweise Vortrieb nutze. Jedoch seien alle denkbaren derartigen Technologien im Vergleich zum klimaschädlichen, Schweröl verfeuernden Motorschiffsverkehr noch zu teuer, um eine wirkliche Alternative zu sein. (mkn)

Das Interview im Wortlaut:

Ute Welty: Segeln ist die teuerste Art, langsam und unbequem zu reisen. Das ist einer von unzähligen Sprüchen der Klimaktivistin, Greta Thunberg aber nicht davon abgehalten hat, einen besonderen Törn zu buchen: Sie lässt sich segeln in Richtung Klimagipfel. Heute soll es losgehen. Imke Köhler über das Boot, Gretas Begleiter und das Wetter in England.
Imke Köhler: Die Malizia II ist eine 18 Meter lange High-Tech-Yacht, ausgestattet mit Solarpaneelen und Unterwasserturbinen, die für den nötigen Strom an Bord sorgen. Für Greta Thunberg bietet sie die Möglichkeit, vergleichsweise umweltfreundlich nach New York zu kommen. Dafür nimmt die schwedische Aktivistin auch in Kauf, dass ihr erster Segeltörn überhaupt gleich eine Atlantiküberquerung sein wird. Begleitet wird sie von zwei Profiseglern: dem deutschen Boris Herrmann und Co-Skipper Pierre Casiraghi, dem Sohn von Prinzessin Caroline von Monaco. Außerdem sind Gretas Vater und ein Filmemacher mit an Bord. Die Überfahrt soll etwa zwei Wochen dauern und dürfte wenig gemütlich werden. Die Rennyacht ist auf Leichtigkeit und Schnelligkeit ausgelegt, nicht auf Komfort. Wann es heute genau losgeht, ist vom Wetter abhängig, und das ist in England derzeit eher herbstlich. Läuft alles nach Plan, legt das Team um 14 Uhr Ortszeit, 15 Uhr deutscher Zeit ab. Wenn Wind oder Regen zu stark sind, könnte sich der Startzeitpunkt aber auch um mehrere Stunden verschieben.
Welty: Dem Segeln eng verbunden ist Jan von der Bank, Buchautor, Bootsbauer und Regattasegler, und da spreche ich mit dem Weltmeister von 2005. Weiß Greta Thunberg eigentlich, was sie sich da antut?
von der Bank: Ich glaube eigentlich nicht, dass sie sich da informiert hat, das hat man gelesen, aber ich glaube, man muss es dann selber erleben, um zu wissen, was da auf einen zukommt, und das wird sie in den nächsten Tagen. Und ja, wie es bereits gesagt wurde, das Wetterfenster sieht ein bisschen ungemütlich aus.
Welty: Vor allen Dingen besteht ja dann auch immer das Risiko, dass man seekrank wird. Haben Sie dagegen ein Patentrezept?
von der Bank: Ich bin davon Gott sei Dank nicht betroffen, das hatte ich selten, aber man kann bestimmte Dinge verwenden. Es gibt so Magnetpflaster, die kann man sich hinters Ohr kleben, Ingwertabletten sind ein gutes Hilfsmittel, und ansonsten kann man hoffen, dass sich das nach zwei, drei Tagen legt und man sich einfach dran gewöhnt hat.

Zwei Wochen ohne Land in Sicht

Welty: Auf dem Boot wird es ja ziemlich eng mit fünf Menschen und wenig Komfort. Wie groß ist die Gefahr, sich gegenseitig auf den Geist zu gehen?
von der Bank: Ich glaube, das ist nicht so gegeben, weil gerade die äußeren Bedingungen, also Wind und Welle, natürlich sehr fordernd sind. Da sitzt man nicht rum und hat Langeweile. Die beiden Profisegler werden auf jeden Fall alle Hände voll zu tun haben mit ihrem Boot, die gehen ja auch wechselweise Wache, das heißt, einer von den beiden wird immer schlafen drei Stunden lang und der andere steuern beziehungsweise das Schiff beobachten und an den Instrumenten sitzen. Und die drei anderen, also Greta, ihr Vater und der Kameramann, die werden dann sicherlich irgendwie – wie das im Segeljargon heißt – auf Freiwache sein, dass die also nicht in diese seglerische Aktion eingebunden sind, sondern halt eben einfach sich an Bord akklimatisieren können.
Welty: Was macht das mit einem Menschen, wenn man zwei Wochen lang kein Land sieht?
von der Bank: Gute Frage! Das hatte ich länger nicht mehr, zwei Wochen am Stück kein Land zu sehen am Horizont, aber es ist auf jeden Fall eine sehr großartige Erfahrung, das Element Meer mal in dieser unverstellten Größe wahrzunehmen. Sonst steigt man in ein Flugzeug und ist in ein paar Stunden von A nach B geflogen und hat Meere überquert, aber sich dem wirklich auszusetzen, das ist schon eine ganz andere Geschichte.
Welty: Diese Alternative zum Fliegen, die bietet sich ja nicht für alle an, das dauert dann doch zu lange, oder?
von der Bank: Ja, Zeit ist natürlich ein hohes Gut, das sich nicht viele leisten können, aber genau da muss man eigentlich ansetzen und umdenken und sagen, ist es das wirklich wert, was wir da tun: zum Shoppen nach New York zu fliegen, was manche Leute machen, über ein Wochenende. Ist das noch zeitgemäß, können wir uns das als Weltgemeinschaft überhaupt noch erlauben, so was zu machen oder so was zu propagieren?

Alternativen zum üblichen Schiffsverkehr

Welty: Wo könnte man denn vermehrt über Segeln als Transportmöglichkeit nachdenken, denn so einer Kiste Wein ist es ja ziemlich gleichgültig, wie lange sie unterwegs ist.
von der Bank: Na ja, es gibt Ansätze in der Großschifffahrt, in der Handelsschifffahrt, vermehrt irgendwie Segelhilfen einzusetzen, wie das ja vor 100, 150 Jahren auf jeden Fall zwingend war, dass man unter Segeln auf den Handelsrouten gesegelt ist. Das kann man heute theoretisch auch machen. Es gibt Versuche mit großen Kites, also mit Drachen, die vor Handelsschiffe gespannt werden, die in 200 Metern Höhe 400 Meter vor dem Schiff Vortrieb leisten und auf jeden Fall die Maschinenunterstützung reduzieren. Oder es gibt neuartige Technologien wie Flettner-Rotoren, das sind drehende, runde Pylone, die auf den Schiffen stehen statt Masten, die Vortrieb erzeugen und Maschinenantrieb fast überflüssig machen. Aber das sind alles sehr teure Technologien, und die werden nicht eingeführt werden, solange die Großschifffahrt, die Handelsschifffahrt weiter billiges Schweröl verfeuern darf und die Restbestände der weltweiten Raffinerieanlagen im Grunde genommen in die Luft bläst.
Welty: Greta Thunberg wird ja auch begleitet von einem Filmemacher – könnten Sie sich auch vorstellen, diesen Törn schriftstellerisch zu verarbeiten?
von der Bank: Na ja, also um da jetzt irgendwie ein Romanstöffchen oder ein Drehbuch draus zu machen, ist, finde ich, diese Reise eigentlich zu bedeutungsvoll. Ich würde mir eher wünschen, dass das was für die Geschichtsbücher wird und nicht für Romane. Wenn sie in New York Erfolg hat und wenn sie mehr Menschen, noch mehr Menschen, noch mehr junge Menschen auf ihre Seite ziehen kann und für ihre Sache gewinnen kann, dann wäre das definitiv was, was in die Geschichtsbücher gehört.
Welty: Was mögen Sie am Segeln?
von der Bank: Den Wind, die Wellen und natürlich einfach das Gefühl für das Schiff, mit dem man sich bewegt. Das kann die kleine Jolle sein, das kann das große Dickschiff sein, das kann im Regattamodus sein, das kann im Freizeitmodus sein, das ist alles für sich selber genommen sehr reizvoll.

Nach Griechenland - aber leider mit dem Flieger

Welty: Ist der nächste Törn schon in Planung?
von der Bank: Ja, also wir segeln gerne in Griechenland, da will ich im Herbst noch mal hin, da darf ich dann noch mal eine Woche segeln. Und natürlich nagt an mir auch das schlechte Gewissen, dass ich da mit einem Flugzeug hinfliegen muss aus Zeitgründen, weil sonst ist natürlich ein Wochentörn albern – wenn man da mit dem Auto runterfährt, ist die Woche um. Aber es gibt ja auch noch die gute alte Ostsee, und da baue ich mir gerade ja ein schönes Holzboot, was ich dann ab vielleicht hoffentlich nächstem Jahr, Mitte nächsten Jahres hier auf der Ostsee betreiben kann wieder.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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