Autor Imran Ayata zur Erdogan-Wahl

Ein sehr gravierendes Wahlergebnis

In Deutschland lebende Türken feiern den Wahlsieg von Recep Tayyip Erdogan mit einem Autokorso auf dem Kudamm.
In Deutschland lebende Türken feiern den Wahlsieg von Recep Tayyip Erdogan © imago
Imran Ayata im Gespräch mit Marietta Schwarz · 25.06.2018
Wieso er vom klaren Wahlsieg Erdogans überrascht wurde, erklärt der deutsch-türkische Autor Imran Ayata. Und dass zwei Drittel der wahlberechtigten Türken in Deutschland für Erdogan gestimmt hätten, müsse auch die deutsche Öffentlichkeit beschäftigen.
Die positive Erwartung für eine Stichwahl habe sich gar nicht nur auf Meinungsumfragen gestützt, sagte der Autor und Politikwissenschaftler Imran Ayata im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur.
"Man konnte schon durch den Austausch mit in der Türkei lebenden Menschen beobachten, dass sich da so ein Momentum entwickelt hat."

Zeichen der Hoffnung

Bei Wahlkampfveranstaltungen habe man die Chance auf ein gutes Abschneiden daran erkennen können, dass manche Kommentatoren und Journalisten aus der Deckung gegangen und mutiger geworden seien. Zudem habe die oppositionelle, prokurdische HDP-Partei trotz aller Repressionen - wie beispielsweise dem eingeschränkten Zugang zu Medien - weiter Wahlkampf gemacht.
Der Autor, DJ, und Inhaber einer Agentur für Kampagnen, Imran Ayata, am 11.12.2014 in der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner"
Imran Ayata, Autor, DJ und Inhaber einer Agentur für Kampagnen© picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler
"Es gab einige Zeichen, die bei mir die Hoffnung geweckt hatten, dass es doch knapper ausgehen könnte, als es dann tatsächlich ausgegangen ist."

Weg in die Autokratie

Das Ergebnis sei gravierend, denn dies sei ein Meilenstein in der Transformation des politischen Systems. Die Wahl manifestiere den Übergang:
"Von einer Demokratie - die nun auch nicht das Prädikat ‚ausgezeichnet‘ jemals hatte – aber von einer 'à la turca-Demokratie' in ein 'à la turca autoritäres Regime' bzw. präsidiales System".
Es gehe gar nicht um den Präsidenten der Türkei, sondern darum, dass sich der nächste Schritt dorthin vollziehe. Welche Bedeutung dies für die Opposition in der Türkei bedeute könne man noch nicht abwägen, dazu sei es noch zu früh.

Den Faktor Wirtschaft nicht unterschätzen

Die weitere politische Entwicklung lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht voraussehen. Es gebe sowohl kämpferische als auch enttäuschte Stimmen. Nicht zuletzt beeinflusse auch das Ökonomie die Zukunft der Türkei:
"Die wirtschaftliche Lage wird nicht einfach besser, weil wir ein solches Wahlergebnis haben"
Warum zwei Drittel der wahlberechtigten Türken in Deutschland für Erdogan gestimmt hätten, müsse auch die deutsche Öffentlichkeit beschäftigen. Allerdings sei dies nicht eine pauschale Ablehnung der deutschen Demokratie, sondern weitaus vielschichtiger:
"Weil es so viele Fragen berührt, warum Menschen, die in Deutschland leben, Herrn Erdogan wählen. Das hat sehr viel auch mit dem hier Erlebten, mit Ausgrenzung und Rassismus zu tun."
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