Autor Christian Baron über seine Kindheit in Armut

"Ein Klassenverräter wie Gerhard Schröder möchte ich nicht sein"

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Christian Baron im Porträt
Aufstieg aus der Armut: Christian Baron studierte Politologie, Soziologie und Germanistik. Ohne fremde Hilfe wäre das nicht gelungen, sagt er. © Hans Scherhaufer
Christian Baron im Gespräch mit Stephan Karkowsky  · 30.01.2020
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Das Geld war weg, der Monat aber noch nicht zu Ende: Diese Erfahrung hat die Kindheit von Christian Baron geprägt. In seinem ersten Roman "Ein Mann seiner Klasse" erzählt er von Armut und abgestelltem Strom, von Alkoholismus und Gewalt.
Der Vater war ungelernter Möbelpacker, die Mutter Hausfrau. Alkoholismus, Gewalt, kein Geld: Das war Alltag für Christian Baron, der 1985 in Kaiserslautern geboren wurde. Er erinnert sich, "dass am Ende des Geldes noch zu viel Monat übrig war, mitten im Monat der Strom abgestellt wurde, weil wir die Rechnung nicht zahlen konnten - oder auch im schlimmsten Fall, dass wir nichts zu essen hatten".
Baron hat diese Erfahrungen in seinem autobiografischen Buch "Ein Mann seiner Klasse" verarbeitet. Es ist der erste Roman des Journalisten, der heute bei der Wochenzeitung "der Freitag" arbeitet.

"Ich hätte Einstein sein können und es nicht geschafft"

"Ich sehe mich eher als Ausnahme", sagt er mit Blick auf seinen sozialen Aufstieg. In Deutschland würden nur zwanzig Prozent der Nicht-Akademikerkinder studieren, aber siebzig Prozent der Akademiker-Kinder:
"Ich hätte Einstein sein können und hätte es ohne fremde Hilfe trotzdem nicht geschafft. Wer annimmt, dass jeder, der möchte und sich anstrengt, in Deutschland es schaffen kann zu studieren, der muss ja angesichts der Zahlen annehmen, dass man automatisch oder von Natur aus dümmer ist, wenn man in einem nicht-akademischen Elternhaus geboren wird, als wenn man in einem Haus voller Bücher aufwächst. Das ist eine biologische Argumentation von Erblichkeit von Intelligenz."

Der "Klassenverräter" Gerhard Schröder

Über die Entfremdung von seinem Herkunftsmilieu und Feindseligkeiten gegenüber Menschen, die aufsteigen, sagt Baron: Es gebe berühmte Beispiele von Menschen, die ihre Klasse verraten hätten. Das habe sich negativ für die Armen ausgewirkt:
"Das Beispiel Gerhard Schröder kann man da nennen, der ganz unten aufgewachsen ist und als SPD-Bundeskanzler ausgerechnet dann den Sozialstaat geschröpft hat. So ein Klassenverräter möchte ich natürlich nicht sein."
Er könne nachvollziehen, dass Deklassierungserfahrungen in Elitenkritik mündeten, so der Journalist weiter. Er finde das aber gefährlich und man müsse dagegen angehen. Darum bemühe er sich.
Bis heute bemerke er die Klassenunterschiede in seinem beruflichen Alltag, sagt Baron. In Redaktionskonferenzen beispielsweise würden sich "die Anderen" mehr trauen, selbstbewusster reden. Er dagegen sei schüchtern und äußere sich viel zu selten dort.
(bth)

Christian Baron: "Ein Mann seiner Klasse"
Claassen Verlag, Hamburg 2020
288 Seiten, 20 Euro
Erscheint am 31. Januar 2020

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