Automobilindustrie

Marder testen Autokabel

Steinmarder richten mit ihren Knabbereien in Autos Millionenschäden in Deutschland an.
Steinmarder richten mit ihren Knabbereien in Autos Millionenschäden in Deutschland an. © Imago / McPhoto
Von Michael Engel · 16.02.2015
Im Motorraum von Autos knabbern Marder gern an Schläuchen und Kabeln - und verursachen erhebliche Schäden. In einem Tierpark in Niedersachsen kommen nun tierische Testbeißer zum Einsatz. Für die Ergebnisse interessieren sich Autohersteller in ganz Europa.
Eine Fachwerkstatt für Autoelektrik in Hannover: Kfz-Meister Tristan Knoop schaut in den Motorraum eines Pkw von einem französischen Hersteller. Wieder mal hat ein Marder zugeschlagen – nichts geht mehr an dem Fahrzeug.
"Hier kann man es ganz klar erkennen, am oberen Kühlwasserschlauch. Hier hat der Marder auch schön viel Platz. Hier kann man schön reinbeißen in den oberen Wasserschlauch. Die typischen Bissspuren sieht man hier. Ganz kleine Nadelstiche oder aufgekratzt sogar – Biss- und Kratzspuren an den Schläuchen, als wenn Ihnen einer mit der Nadel überall – zack, zack, zack – reingestochen hat."
Vor allem jetzt in der kalten Jahreszeit suchen Marder die Behaglichkeit. Zum Leidwesen der Autofahrer. Manche legen sogar WC-Steine unter die Kühlerhaube. Sie wollen mit dem strengen Geruch die Marder fern halten. Es nützt aber nicht viel.
"Ein schöner betriebswarmer Motor, den man frisch abstellt, strahlt ja unwahrscheinlich aus und die Tiere haben es natürlich gerne auch mal warm. Da wird gerne gekramt, sich ein kleines Nest gebaut und dann fängt der Marder eben an, sich auch spielerisch im Motorraum umzuschauen und genau da, wo Unterdruckschläuche sind, Zündkerzenkabel, Wasserschläuche - alles was flexibel ist und Gummianteile hat - da wird gerne reingebissen. Auch vor Kabeln und Isolierungen wird da kein Halt gemacht."
Die Marder können in ihren Gehegen verschiedene Autokabel testen
Deshalb wird händeringend nach einem Kabel gesucht, das dem Marder nicht schmeckt. Vorreiter ist Hans-Heinrich Krüger, Wildbiologe am Otterzentrum - einem Tierpark zwischen Hannover und Wolfsburg, in dem sich Otter, Dachse und Marder tummeln.
Krüger ist Direktor des Tierparks. Er nutzt seinen Marderbestand und betreibt Forschung: Die Marder können in ihren Gehegen verschiedene Autokabel testen. Ein paar Schritte noch, dann ist er in "Marderhausen". Das Ortsschild auf dem Gelände des Tiergeheges soll deutlich machen, dass Marder immer auch gerne die Nähe zum Menschen suchen.
"Wir sind hier im Steinmarder-Betriebsraum. Das heißt, auch hier sind Schlafkästen. Unser Steinmarder-Gehege ist wie eine Scheune eingerichtet, hier stehen alte Ackergeräte, hier ist ein Holzstoß, hier ist Stroh gelagert, hier sind Verstecke, hier sind Schlafkästen, und hier sind die Versuchsobjekte. Das heißt, in dieser Scheune werden die Schläuche angebracht, die die Marder testen sollen."
Und da sind sie auch schon: Die Testbeißer William und Kate turnen herum und wuseln durchs Gehege. Dichtes, hellbraunes Fell, langer, buschiger Schwanz, spitz zulaufender Kopf. Und etwas kleiner als eine Katze.
"Kate und William heißen Kate und William, weil wir sie als Findelkinder zu einer Zeit bekommen haben, als das englische Königshaus Hochzeit feierte und Kate und William sich vermählten."
Hinter einer verstaubten Egge mit Spinnweben hängt ein ungehobeltes Holzbrett an der Wand, aus dem schlaufenartig angebrachte Autokabel herausragen. Jetzt heißt es nur noch warten.
"Die stürzen sich ja nicht wild drauf, sondern es ist so, dass sie dort ab und zu mal hineinbeißen. Die Tiere lassen sich da schon Zeit. Je nachdem, wie intensiv diese Tiere die Kabel verbeißen, dauert es mehrere Wochen, bis wir ein klares Ergebnis haben."
Erste Ergebnisse der Tests gibt es schon
An den Versuchen mit den Mardern ist inzwischen die gesamte europäische Autoindustrie interessiert. Der Direktor des Tierparks freut sich über die zusätzlichen Einnahmen. Erste Ergebnisse kann er auch schon liefern.
"Generell zeigen die Versuche, dass natürlich dünne Kabel, die aus weichem Material wie Gummi oder Silikon sind, von den Mardern sehr schnell zerbissen werden. Aber sowie in diesen Kabeln Metall ist oder Gewebeschläuche eingearbeitet sind, dann sind die Marder sehr viel zurückhaltender. Man muss ja sehen, es sind keine Nagetiere wie Ratten, die ihre Gebiss irgendwie abnutzen wollen und müssen, sondern Raubtiere, die ihre Zähne schützen müssen. Insofern vermeiden sie es eigentlich, ihre Zähne einzusetzen oder setzen sie nur ganz vorsichtig ein."
In der Nachbarscheune von "Marderhausen" werden sogar komplette Karosserien aufgestellt, um zu schauen, auf welchem Weg die flinken Tiere in den Motorraum gelangen. Hier beobachten Videokameras die Szene, um zu erfahren, ob sich die Steinmarder einen Weg zum Motor bahnen können. Diese Frage interessiert vor allem die Hersteller von Elektrofahrzeugen. Ein einziger Marderbiss kann nämlich ein Elektroauto komplett lahmlegen.