Auto und Mensch

"Autofahren ist schlimmer als eine Sucht"

29:42 Minuten
Dicht befahrene Berliner Stadtautobahn mit Blick auf das Heizkraftwerk Wilmersdorf: In den Städten sind die C02-Emmissionen besonders hoch.
Das Auto macht die Stadt zu einem lebensfeindlichen Ort. © imago/photothek
Hermann Knoflacher im Gespräch mit Susanne Führer · 11.11.2017
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"Der Autofahrer unterscheidet sich vom Menschen wesentlich mehr als jedes Insekt", behauptet der Verkehrsexperte Hermann Knoflacher. Denn: Kein Insekt ruiniere den Lebensraum seiner Nachfahren. Der Grund: Das Auto hat die Kontrolle über das Stammhirn übernommen.
Deutschlandfunk Kultur: In Deutschland leben rund elf Millionen Kinder unter 14 Jahren. Angemeldete Kraftfahrzeuge gibt es fast sechsmal so viele, nämlich über 62 Millionen. Das Auto ist nach wie vor das wichtigste Verkehrsmittel in Deutschland – Umweltbewusstsein und Bonner Klimakonferenz hin oder her.
Woran liegt das? Hat das wirklich rein praktische Gründe? Darüber will ich mit Hermann Knoflacher sprechen. Er ist Professor emeritus am Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Wien. Aus Wien ist er uns nun auch zugeschaltet. – Grüß Gott, Herr Knoflacher.
Hermann Knoflacher: Grüß Gott!
Deutschlandfunk Kultur: 62 Millionen und 600.000 Kraftfahrzeuge in Deutschland, eine Million mehr als ein Jahr zuvor. – Ist das Auto ein praktisches, ein zweckmäßiges Verkehrsmittel? Das könnte man ja daraus schließen.
Hermann Knoflacher: Es ist sicherlich auch praktisch. Es ist wahrscheinlich aus der Individualsicht immer noch zweckmäßig, aber vor allem hat das Auto ja eine Welt für Autos gemacht und nicht für Kinder. Hätten wir eine Welt für Kinder und würden wir als Menschen und nicht als Autofahrer leben, dann würde sie ganz anders ausschauen.
Das heißt, alles, was wir im Wesentlichen machen, alles was menschengemacht ist, kommt aus dem Kopf. Und wenn das Auto im Kopf sitzt und unser Handeln steuert und an Universitäten die Professoren und die Absolventen sozusagen kontrolliert, dann produzieren sie eine Welt für Autos und nicht mehr für Menschen. Denn Menschen sind Zweibeiner. Ein Autofahrer ist ein Vierbeiner im Wesentlichen. Das heißt, er befindet sich in einer sehr bequemen Position, ähnlich wie die Primaten vor ungefähr sieben, acht Millionen Jahren. Nur zum Unterschied von diesen bewegt sich der der Baum. Also, ein Autofahrer hat einen Lenkast, einen Kupplungsast, einen Gasast, eine Bremsaxt. Und wenn er dann drauf steigt, verbindet sich seine geringe Körperkraft von 0,1 bis 0,2 PS mit den 240 oder 340 PS. Und das gibt ihm unglaublich viel Kraft. Das findet im Hirn statt. Also ist man hier massiv abhängig vom Auto. Das ist das eine.
Das zweite ist, es gibt gesetzliche Zwänge, um Autos zu besitzen und Auto zu fahren. Weil, wenn sie so eine Welt bauen, dann verhalten sich die Menschen einfach intelligent und egoistisch. Das war in der gesamten Geschichte der Evolution vorteilhaft, fällt uns aber in dem Fall, beim Autoverkehr, ganz massiv auf den Kopf bzw. in die Lungen.

Autofahren ist irrational

Deutschlandfunk Kultur: Zu den Lungen kommen wir noch. Ich wollte nochmal bei dem Punkt bleiben, wie praktisch oder zweckmäßig das Auto ist. Ich habe jetzt gerade gelesen, in München zum Beispiel steht jeder Autofahrer 49 Stunden pro Jahr im Stau, also über eine gesamte Arbeitswoche.
Hermann Knoflacher: Nicht nur, dass er im Stau steht, sondern die Menschen in Deutschland, wie anderswo, arbeiten pro Jahr ungefähr sechs bis sieben Wochen, um sich den Autoverkehr leisten zu können. Also nicht nur das Auto, sondern das sind ja eine ganze Reihe von Nebenkosten – die Infrastruktur, die Überwachung, die Krankenhäuser etc. Wenn man das umrechnet, dann hätte man eigentlich fast zwei Monate Urlaub, anstatt ein Auto zu haben, und würde in einer gesunden Umgebung leben. – Aber das ist alles rational.
Das heißt, der Zugriff auf das Auto findet ja ganz tief im Unterbewusstsein auf der ältesten Schicht des Menschseins oder überhaupt der Lebewesen statt. Dort sitzt das Auto und dreht alles in Richtung Auto.
Kinder überqueren einen Zebrastreifen.
Für Kinder wird durch Autos der öffentliche Raum zu einem lebensgefährlichen Gebiet.© picture-alliance / dpa / Georg Wendt
Deutschlandfunk Kultur: Offenbar sitzt da auch der SUV. Das ist eine Meldung, die mich verblüfft hat, die auch relativ jungen Datums ist, dass nämlich der Marktanteil dieser SUVs, dieser großen schweren Stadtgeländewagen, der liegt mittlerweile bei über einem Fünftel. Okay, ich könnte einräumen, in Berlin könnten die Straßen getrost in einem besseren Zustand sein, aber einen Geländewagen braucht man doch auch selbst in Berlin noch nicht.
Warum werden die Autos immer größer? Denn das ist nun wirklich auch nicht praktisch, wenn wir mal die Zuschnitte unserer Parkplätze und Straßen und Parkhäuser ansehen.

Defizite in der evolutionären Ausstattung

Hermann Knoflacher: Da haben Sie vollkommen Recht. Das hat natürlich schon bestimmte Gründe. Das heißt, die traditionellen Straßenprojektanten, die man als Planer auch bezeichnet, haben viel zu breite Fahrbahnen gebaut. Also wachsen die Autos langsam in diese Größe hinein. Das ist auch im Güterverkehr der Fall. Das heißt, die Überdimensionierung im Straßenverkehr führt dazu, dass die Autoindustrie nachrüstet. Und die Menschen fühlen sich natürlich in einem SUV gegenüber den anderen niedrigeren Fahrzeugen in einer günstigeren Position – bis alle anderen auch wieder in einem SUV sitzen. Aber da kann man wieder eine zeitlang Geschäfte machen.
Das heißt, die Autoindustrie will ja keine Verkehrsprobleme lösen, sondern die Autoindustrie will Autos verkaufen. Also greift sie erfolgreich auf unsere alten sozusagen Defizite der evolutionären Ausstattung zurück. Die sind, was das Auto betrifft, wesentlich mächtiger als jede Art von Vernunft.
Deutschlandfunk Kultur: Das heißt, dass alles immer größer werden muss, wäre ein menschlicher Zug? Es werden ja nicht nur die SUVs größer. Man stelle mal einen alten Mini-Cooper neben einen neuen sogenannten Mini, da sieht man, dass da nichts mehr Mini ist an dem neuen Mini, oder einen alten Golf neben einen alten [gemeint ist: ".. neben einen neuen", die Red.]
Man kann ja auch sagen, die Häuser werden größer, die Wohnungen werden größer, die Menschen sind größer geworden in den vergangenen hundert Jahren. Und das ist jetzt auch ein evolutionär menschlicher Zug, dass alles immer größer werden muss?
Hermann Knoflacher: Größer kann es nur werden, wenn genügend Energie und Ressourcen vorhanden sind. Das war bisher der Fall. Das heißt, wir beuten einfach Energie-Ressourcen aus. Wir stecken unheimlich viel Geld ins Auto. Die Zahlen vorher sagen ja alles, was eigentlich da sich widerspiegelt.
Wenn Sie 66 Millionen Autos und elf Millionen Kinder hernehmen…,
Deutschlandfunk Kultur: … 62 Millionen Autos.

Mehr Geld für Autos als für Kinder

Hermann Knoflacher: .. ja, dann zeigt das ja ganz deutlich, was man auch in den Ausgaben der Haushalte sieht. Die Haushalte geben – bei Ihnen genauso wie bei uns oder in der Schweiz – ungefähr 15, 16 Prozent im Wesentlichen für den Autoverkehr aus. Das ist der gesamte Verkehrsanteil, aber der Hauptanteil ist Autoverkehr. Aber sie geben nur elf bis zwölf Prozent für die Kinder aus.
Das heißt, hier zeigt sich, was den Menschen wichtiger und lieber ist – die Kinder oder das Auto. Und wären die Eltern Menschen, dann würden sie die Umwelt nicht autogerecht machen, aber sie sind Autofahrer. Das Auto ist dem Menschen immer näher als jeder zweite andere Mensch. Das klingt zwar etwas sozusagen hart, aber es ist die Realität.
Das heißt: Wären die Kinder den Eltern näher als das Auto, dann würden sie den Lebensraum der Kinder verteidigen. Dann würden sie dafür sorgen, dass die Kinder so aufwachsen, wie es in der Menschheit, auch in der urbanen Gesellschaft seit zumindest zehntausend Jahren immer der Fall war, dass der öffentliche Raum in erster Linie den Menschen vorbehalten ist. Das hat sich geändert, nachdem das Auto aus dem tiefsten Stammhirn sozusagen heraus befiehlt, was zu geschehen hat.
Das heißt, die Menschen sehen die Welt ja nicht mehr, wie sie eigentlich ein Mensch sehen sollte, sondern sie sehen die Welt so, wie es dem Auto gefällt. Ich erlebe es ja seit Jahrzehnten, wenn ich zum Beispiel Teile von Städten autofrei mache, diesen erbitterten Kampf gegen die Entfernung des Autos aus der Nähe der Wohnungen, der Geschäfte und dergleichen, obwohl eigentlich alle diese Lösungen im Endeffekt für alle wesentlich besser waren. Das heißt, die Menschen lernen wieder andere kennen, die sie im öffentlichen Raum treffen. Die Kinder können sich sicher bewegen. Und die Geschäfte machen einfach wesentlich mehr Umsätze, weil, pro Quadratmeter Fläche kann ich wesentlich mehr Brieftaschen in Fußgängern unterbringen als in geparkten Autos. Da ist ja meist überhaupt kein Geld drin.
Deutschlandfunk Kultur: Man könnte schlicht sagen, dass die Mobilität der einen zu Lasten der Mobilität der anderen geht. Weil Sie die Kinder wieder erwähnt haben: Also, wenn die Eltern eben mit dem Auto zur Arbeit fahren, dann sorgen sie mit dafür, dass ihre Kinder nicht mehr frei auf der Straße spielen können.
Ich glaube, Sie haben mal in einem Interview, Herr Knoflacher, eine Studie genannt, nach der Eltern eher den Parkplatz vor der eigenen Haustür wählen, als eine verkehrsberuhigte Zone.
Hermann Knoflacher: Ja, absolut, das ist völlig richtig. Da entstehen alle diese Argumente, die man auch von suchtabhängigen Menschen kennt, warum man dringend das Auto braucht.

Mehr Tote als durch Terrorismus

Deutschlandfunk Kultur: Also ist das Autofahren eine Sucht?
Hermann Knoflacher: Es ist auch eine Sucht, aber es ist schlimmer als die üblichen Süchte. Das Auto sitzt viel tiefer im Stammhirn, dort, wo Energie verrechnet wird. Süchte sind meistens erst bei den Biomolekülen anzutreffen. Das heißt, das Auto ist noch etwas stärker als die üblichen Süchte. Und, was natürlich dazu verstärkend kommt, es wird von der Gesellschaft akzeptiert. Wir bringen weltweit 1,2 Millionen Menschen bei Verkehrsunfällen um. Wir bringen ungefähr fünf bis sechs Millionen Menschen durch die Abgase um. Und wir verletzten jedes Jahr ungefähr zwischen zwanzig und fünfzig Millionen Menschen bei Verkehrsunfällen.
Stellen Sie sich vor, das würde im Terrorismus passieren. Das wäre ein Aufschrei und alle Staaten würden alles unternehmen, damit dieses Abschlachten, Töten und indirekte Umbringen von Menschen sofort verhindert wird. Aber das Auto im Kopf sagt: Das ist ja wunderbar. Wichtig ist, dass ich mich bewegen kann.
Ein junger Mann mit Atemmaske auf einer Anti-Feinstaub-Demo in Berlin-Neuköllnläuft während einer Feinstaub-Demo in Berlin-Neukölln.
Die Autofahrer verpesten die Luft, die wir atmen.© Imago
Deutschlandfunk Kultur: Ja, aber es gibt auch noch so einen Widerspruch zwischen dem öffentlichen Diskurs und dem tatsächlichen Handeln. Wenn wir mal das Umweltbewusstsein der Menschen betrachten, da gibt es hier in Deutschland verschiedene Studien vom Umweltbundesamt, was eben belegt, dass das Umweltbewusstsein der Deutschen in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen ist.
Außerdem gibt es Carsharing inzwischen. Und in den vergangenen Jahren war auch immer wieder zu lesen und zu hören, dass die jungen Leute eigentlich Autos gar nicht cool finden.
Nach diesen Angaben müssten es weniger Autos werden – wird’s aber nicht. Es werden immer mehr.

Man muss dem Auto Widerstände entgegensetzen

Hermann Knoflacher: Das trifft auch dort zu, wo man sozusagen qualifizierte und wissenschaftlich fundierte Verkehrspolitik betreibt, wie etwa in Wien. In Wien haben wir etwa 340 bis 380 Pkw, je nach Bezirk, pro tausend Einwohner. In den umliegenden Bezirken, insbesondere am Land draußen, haben wir bis zu 770 Pkw auf tausend Einwohner. Das heißt, man muss dem Auto entsprechende Widerstände entgegensetzen.
Der Kernfehler, der passiert ist, liegt in der Umsetzung des § 2 der Reichs-Garagenordnung aus dem Jahr…
Deutschlandfunk Kultur: Das ist für Österreich?
Hermann Knoflacher: Das ist für Deutschland. Sie haben das in allen Bauordnungen, ausgenommen in Berlin und Hamburg, nach wie vor drin. Aber dort hat man das erst seit einigen Jahren herausgenommen. Sie müssen zu jeder Wohnung einen Abstellplatz oder mehrere Abstellplätze auf eigenem Grund zur Verfügung stellen. Oder Sie müssen Strafe zahlen, das heißt, Ablösung zahlen. Das ist überall in Deutschland gefordert. Aber Sie brauchen bei einer Wohnung kein Kinderzimmer. Sie brauchen im Umfeld der Wohnung keinen Spielplatz für Kinder, wo sich die treffen können, für die Alten usw.
Das heißt, wir haben eine Bauordnung, die ist absolut menschenverachtend. Und die geht zurück auf die Reichs-Garagenordnung, herausgekommen am 1. April 1939. Und der § 2 ist in allen Bauordnungen Deutschlands und in Österreich nach wie vor vorhanden, sogar in einer unglaublich verschärften Form. Es gibt in Österreich Gemeinden, die verlangen bei einem Haus drei Parkplätze.
Das heißt, hier wird das Recht dazu eingesetzt, um menschliche Lebensräume zu zerstören und natürlich auch damit die Natur zu zerstören und gleichzeitig Abhängigkeit zu schaffen der Menschen vom Auto. Weil, die Abhängigkeit hängt von der Nähe zum Abstellplatz ab. Das heißt, wenn das Auto in der Nähe ist, dann fährt man in der Regel, ein normaler Mensch, selbstverständlich mit dem Auto. Da kann man dem Menschen erzählen, so viel wie man will. Er soll den öffentlichen Verkehr, das Fahrrad, Carsharing etc. etc benutzen, es hat sich in Deutschland in der gesamten Verkehrsmittelwahl dadurch praktisch nichts geändert.
Wir hatten 65 Prozent der Mobilität in Deutschland 1950 im öffentlichen Verkehr. Heute haben wir 17, 18 Prozent im öffentlichen Verkehr. Da kommt man nicht weg, solange man nicht das Auto aus den Siedlungen entfernt bzw. aus der Nähe der Wohnungen und Häuser.
Deutschlandfunk Kultur: Also, immerhin in Baden-Württemberg hat man die Reichs-Garagenordnung dahingehend modernisiert, dass man statt eines Autostellplatzes auch vier Fahrradstellplätze bauen kann. Das ist ja vielleicht schon mal ein Fortschritt.

Das Auto enthumanisiert den Menschen

Ich würde gern noch ein bisschen weiter zurückgehen in der Geschichte der Menschheit. "Eine kurze Geschichte der Menschheit", so heißt ein berühmtes Buch von Yuval Noah Harari. Der schreibt ja, es sei nicht der Mensch, der den Weizen domestiziert habe, sondern es sei der Weizen, der den Menschen domestiziert habe. – Und wenn ich jetzt Ihnen zuhöre, Herr Knoflacher, dann komme ich auf die Idee, dass es offenbar mit dem Auto und dem Menschen ähnlich ist. Also, sind wir eigentlich die Domestiken des Autos?
Hermann Knoflacher: Absolut, gar keine Frage. Es ist auch beim Weizen genau das Gleiche gewesen. Das finden Sie übrigens in meinem Buch "Zurück zur Mobilität" in der Einleitung, dass natürlich die Gräser herumstanden und dann offensichtlich den klugen Frauen aufgefallen ist, wenn sie die gut behandeln, da gibt es mehr Ernte. So wurde die Geschichte dann im Endeffekt entwickelt. So kamen wir dann zur Agrargesellschaft. Es waren die Frauen, die nicht so mobil waren wie die Männer und meistens deshalb auch etwas klüger und aufmerksamer die Umgebung beobachtet haben, nämlich die kleinen Dinge, nicht die großen Tiere und dergleichen.
Das ist das Wesentliche. Und beim Auto ist es überhaupt gar keine Frage, dass das Auto sozusagen den Menschen enthumanisiert, also autobilisiert hat. Dann entsteht ein anderes Lebewesen. Der Autofahrer unterscheidet sich ja vom Menschen wesentlich mehr als jedes Insekt, weil, es gibt kein Insekt, das sich im natürlichen Lebensraum so schnell bewegt, dass es sich selbst oder andere tötet. Es gibt kein Insekt, das den Lebensraum der Kinder opfert oder seiner Nachkommen opfert, wie es die Eltern tun.
Und dann fahren die mit dem Auto hin und her. Das ist ja unglaublich. Und der Flächenanspruch… Ich habe deshalb des "Gehzeug" seinerzeit 1975 erfunden. Es gibt heute bereits auf der ganzen Welt Nachbauten.
Deutschlandfunk Kultur: Das was bitte?
Hermann Knoflacher: Das Gehzeug. Also, das Auto ist ein Fahrzeug. Und gemäß § 1 der österreichischen Straßenverkehrsordnung ist eine Straße ein öffentlicher Raum, der von allen unter gleichen Bedingungen benutzt werden darf. Und da dachte ich mir damals - damals hatte ich noch ein Auto -, wenn ich mit dem Auto so viel Platz brauche, dann mache ich mir ein Gehzeug anstatt des Fahrzeuges. Und dieses Gehzeug wird ja heute global, also, es wird in China gebaut, es wird in Fernost gebaut, in Amerika und überall. Das heißt, wenn jemand mit einem Rahmen, der so groß ist wie ein Auto, nehmen Sie einen SUV, das wird dann schon sehr unbequem….
Deutschlandfunk Kultur: Also, so ein Holzrahmen?
Hermann Knoflacher: Ein Holzrahmen, ja, Asiaten machen das aus Plastikrohren. Wenn man mit diesem Rahmen im Straßenraum auftaucht, wird jeder sagen, das ist ja ein völlig asoziales Verhalten. Der ist ja verrückt. Aber wenn Sie mit dem Auto auftauchen, die anderen noch bedrängen, die Luft verpesten und die anderen gefährden, sagen sie: Oh, wir brauchen Parkplätze. Und wenn Sie diesen Rahmen dann mit vier Sesseln irgendwo stehenlassen, wird jeder sagen, sind die verrückt geworden. Und genau das ist es. Man muss durch das Auto durch sehen.
Deshalb müssen meine Studenten, die sind ja meistens in der Normalität des Autolebens aufgewachsen, alle eine Stunde Erfahrung mit dem Rollstuhl oder dem Kinderwagen machen, damit sie wissen, welche Katastrophe in den letzten fünfzig, sechzig Jahren hier gebaut wurde.
Deutschlandfunk Kultur: Herr Knoflacher, wir haben jetzt so ein paar Mal über die Abhängigkeit des Menschen vom Auto gesprochen, dem Auto, das im Gehirn sitzt, der Evolution. Dann muss die aber in dem Fall von Verhältnis von Auto und Mensch doch rasant sich entwickelt haben. Also, ich zumindest habe ich den Eindruck, dass es vor – sagen wir mal – dreißig Jahren noch wesentlich mehr Proteste gab gegen laute Straßen, gegen Durchgangsverkehr, für 30-Zonen usw. Und heute scheint man den Straßenverkehr aber hinzunehmen wie ein Naturphänomen. Gegen Regen kann man auch nichts unternehmen.
Hermann Knoflacher: Das ist richtig. So wird er ja oder wurde er in der klassischen Verkehrswissenschaft ja auch behandelt.
Deutschlandfunk Kultur: Aber dieser rasante Wandel ist dann doch erstaunlich. Vielleicht liegt das einfach auch daran, dass heute nahezu jeder Erwachsene ein Auto hat und deswegen nicht mehr gegen andere Autos protestiert.

Die Autoindustrie setzt sich gleich mit der Wirtschaft

Hermann Knoflacher: Absolut. Das ist gar keine Frage. Dann zeigt man mit dem Finger auf ihn. Aus diesem Dilemma muss man natürlich herauskommen, wenn man will. Wenn man nicht will, dann darf man sich nicht wundern, dass man irgendwann einmal mit dieser Methode gegen die Wand fährt.
Hier kommt ja noch etwas zum Tragen. In Deutschland besonders ist ja zu erkennen, dass – wenn von Wirtschaft die Rede ist – die Autoindustrie jahrzehntelang gesagt hat, ich bin die Wirtschaft, obwohl sie einen relativ kleinen Anteil an Beschäftigten nur mehr hat, weil sie sehr automatisiert arbeitet und sehr viel ausgelagert hat.
Das heißt, hier ist die Wachstumsideologie mit dem Autobestand sozusagen parallel gewachsen. Das Auto fördert ja eigentlich permanent das Wachstum, weil, es zerstört die ganze Zeit sozusagen die Fahrbahnen, auf denen es fährt. Das muss permanent erneuert werden. Es bringt Umsätze dadurch, dass die Leute immer mehr in geschlossenen Gebäuden wohnen. Es kommt dadurch zu einem höheren Umsatz, weil die Wohnungen größer werden, weil öffentlicher Raum nicht mehr zugänglich ist. Die Wohnungen konnten ja früher sehr klein gehalten werden, weil die Menschen ja vielfach sich zumindest zu einem Teil im öffentlichen Raum aufhalten konnten, das ist ja heute nicht mehr der Fall ...
Deutschlandfunk Kultur: … je weiter im Süden, desto mehr.
Aber ich muss Ihnen da etwas widersprechen, Herr Knoflacher. Es ist so, dass 800.000 Menschen direkt bei den Autobauern und Zulieferern arbeiten. Insgesamt sollen rund 1,8 Millionen Arbeitsplätze von der Autoindustrie abhängig sein. Insgesamt hat nirgendwo, in keinem anderen Land der Welt die Autoindustrie einen so großen Anteil an der Wertschöpfung des Landes. Insofern ist es ja wahrscheinlich auch kein Wunder, dass sich kein Politiker ernsthaft gegen die Zunahme des Autoverkehrs einsetzt.

"Das Auto wird ja an allen Ecken und Enden massiv gefördert"

Hermann Knoflacher: Man muss der Wertschöpfung auch immer die Wertverluste gegenüberstellen. Die Wertverluste sind die abnehmende Lebensqualität, die Verlärmung, die Vergasung der Lust, die enormen Erhaltungskosten, die Sozialkosten und dergleichen, die dem Auto nicht angelastet werden – noch bis heute. Und diese unglaubliche Förderung, das Auto wird ja an allen Ecken und Enden massiv gefördert. Sie können in Berlin oder in den Städten ja praktisch kostenlos oder mit geringem Aufwand Ihr Auto abstellen. Die Supermärkte kaufen sich ein Grundstück, machen dort eine Reihe von Parkplätzen, und sie zahlen nicht die entsprechenden Abgaben, die ihre Konkurrenten seinerzeit, die es noch gab in der Stadt, an Abgaben leisten mussten, indem Kurzparkzonen eingeführt wurden.
Das heißt, es hinkt an allen Ecken und Enden im Rechtssystem, das total auto-orientiert aufgestellt ist. Das Auto hat enorme Privilegien. Etwa allein der Begriff "Gehsteige": Also, die Menschen müssen sozusagen auf einem Steig dahingehen, damit sich die Autos Fangespiele leisten können. Und wenn das nicht gut funktioniert, dann gibt’s einen Stau. Und dann glaubt man, dass man den Stau durch zusätzliche Angebote jeweils bekämpfen kann.
In Wirklichkeit gibt es ja im Autoverkehr keine Zeiteinsparung gegenüber den Fußgängern. Das heißt, Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer sind genauso lange unterwegs, obwohl die Geschwindigkeiten sehr unterschiedlich sind.
Durch die hohen Geschwindigkeiten des Autos werden nur die Strecken länger. Und wenn die Strecken länger werden, ändern sich die Siedlungsstrukturen. Wir haben dann zwei Entwicklungen. Das eine ist die Zersiedelung, also urban sprawl der Stadt. Und das zweite ist die ökonomische Konzentration.
Zahlreiche Porsche Cayenne in einem Porsche-Werk in Leipzig
SUVs - liegen im Trend.© Jan Woitas/dpa
Das heißt, wir lösen eine ganze Reihe von Prozessen aus, die an sich in der Evolution zwangsläufig früher oder später zur Vernichtung dieser Strukturen führen müssen, weil, es gibt ja keine Jäger sozusagen in der Natur, die mehr Energie aufwenden als sie im Endeffekt aus der Beute herausbekommen. Und wir machen heute noch ergiebig Beute, die wir mehr oder weniger subventioniert vergeuden.
Deutschlandfunk Kultur: Wenn Sie sich jetzt auf die Zersiedelung konzentrieren und auf den Platzanspruch, den Autos haben, und auf die Verkehrstoten, die durch den Verkehr entstehen, dann nehme ich an, Herr Knoflacher, dass Sie auch die Forderung der EU-Kommission von dieser Woche nicht weiter beruhigen wird. Die haben ja das Ziel vorgegeben, dass neue Fahrzeuge im Jahr 2030 im Schnitt dreißig Prozent weniger CO2 ausstoßen dürfen. Also, ab 2021 sind es schon mal weniger als heute.
Die deutsche Autoindustrie hat jetzt schon davon gesprochen, dass sie das für eine "extreme Herausforderung" hält. Halten Sie das wenigstens für einen Beschluss, der in die richtige Richtung weist, wenn wir jetzt mal an die Luftverschmutzung denken?
Hermann Knoflacher: Das ist, würde ich sagen, ein sehr zarter Beschluss. Wir diskutieren auch immer in dem Zusammenhang die Elektromobilität. Wir haben Elektromobilität. Also, wir beide haben im Augenblick Elektromobilität, ich hoffe, in jener Form, die erforderlich für die Menschheit waren, nämlich geistige Mobilität. – Die wird immer wieder vergessen.
Das heißt, physische und geistige Mobilität hängen unmittelbar zusammen. Je weniger geistige Mobilität, umso mehr physische Mobilität. Das heißt, die Zersiedelung ist ja eine Folge des Nichtbegreifens der menschlichen Siedlungen. Wenn man menschliche Siedlungen früher gebaut hat, musste man ziemlich viel Hirnschmalz aufwenden, um die richtig zusammenzusetzen, kompakt so zu gestalten, dass später sozial und ökologisch das Ganze funktioniert.

"Wir bauen immer hässlichere Städte"

Seitdem wir mit dem Auto unterwegs sind, ist das vollkommen gleichgültig. Das heißt, wir bauen immer hässlichere Städte. Wir zersiedeln die ganze Gegend immer mehr und müssen immer weiter fahren, wenn wir komplementäre Funktionen brauchen. Wir haben immer weniger Beschäftigte in den zentralen Geschäftsstrukturen, wir haben das untersucht, im Vergleich zu den kleinen Geschäften. Und die Menschen, die dort arbeiten, sind immer unglücklicher als die mit kleinen Geschäften, die die Kunden kennen – usw.
Deutschlandfunk Kultur: Aber man kann doch nicht bestreiten, wenn jetzt das E-Auto, angenommen, es würde flächendeckend eingeführt werden, dann gibt es immerhin keinen Lärm mehr und kein CO2 wird ausgestoßen.
Hermann Knoflacher: Also, erstens, das sind zwei Irrtümer.
Deutschlandfunk Kultur: Das wäre doch ein enormer Fortschritt.
Hermann Knoflacher: Nein, nein, da sind zwei Irrtümer dabei. Erstens einmal, der Lärm kommt ja nicht aus dem Motor. Das wird ja völlig falsch interpretiert. Ab dreißig, vierzig km/h ist die Lärmquelle der Reifen. Und Elektroautos werden, wenn es nicht leichte Batterien irgendwann einmal geben sollte, schwerer sein als die normalen benzinbetriebenen oder dieselbetriebenen Fahrzeuge, die eine wesentlich höhere Energiedichte haben als die Elektroautos. Das heißt, die werden noch schwerer werden. Damit wird mehr Lärm sein.
Außerdem werden diese Reifen, wie es heute bereits der Fall ist, was immer unter den Tisch gekehrt wird, einen wesentlichen Beitrag zur Feinstaubentwicklung leisten. Das ist das eine.
Das zweite: Ein Elektroauto ist in der Regel nicht einen Quadratmillimeter kleiner als ein normales benzinbetriebenes Auto. Und das Problem ist eigentlich der Platz. Es geht um den Platz. Hier am Platz wird der Mensch aus dem öffentlichen Raum und aus den Städten usw. verdrängt. Das ist die Frage: Wenn wir weiterhin so machen wollen, es ist den Menschen überlassen.

Zurück zum menschlichen Maßstab

Aber dann dürfen sie sich nicht wundern, dass sie irgendwann einmal große Probleme insgesamt mit der Zukunft haben werden.
Das heißt, wir müssen wieder zurück auf den menschlichen Maßstab. Es ist der einzige Maßstab, der zu uns passt. Es ist der Maßstab des Fußgängers. Dem sind wir geistig gewachsen. Und den höheren Geschwindigkeiten sind wir geistig nicht gewachsen. Das heißt, wir müssen, wenn wir schnell unterwegs sind, die Umwelt derart drangsalieren und vereinfachen, dass wir mit den Informationen, die dann auf ein Minimum reduziert werden, noch auskommen. Das ist dann die Autobahn.
Also, die dümmsten Studenten können eine Autobahn projektieren, aber nur die begabtesten sind in der Lage, eine gute Fußgängerzone zu planen.
Deutschlandfunk Kultur: Ja. Und diese geistige Arbeit wird uns ja aber auch dann demnächst durch das autonome Fahren abgenommen werden. Glauben Sie, dass das das Autofahren attraktiver machen wird oder vielleicht weniger attraktiv, wenn ein Computer statt eines Menschen, statt eines Mannes das Auto steuert?
Hermann Knoflacher: .. oder einer Frau. Ich glaube, es macht den Frauen und den Männern Vergnügen Auto zu fahren. Also, wenn das autonom stattfindet, dann zeigt das nur eine lineare Fortsetzung der Abwertung des Menschen. Das heißt, der Mensch wird zum Transportgut abgewertet. Dazu will man noch viele Autos verkaufen. Also, wenn ich schon sozusagen den Menschen als transportiertes Lebewesen betrachte, steht uns der öffentliche Verkehr zur Verfügung. Aber sozusagen die Freude des Fahrens wird vielleicht nicht mehr so groß sein, es sei denn, für jene, die das Auto wirklich brauchen. Die Lösung ist ja nicht kein Auto, sondern die richtige Dosis. Das ist so, wie Paracelsus gesagt hat: "Alles ist Gift. Es kommt immer auf die Dosis an." Und beim Auto sind wir schon längst über die sozusagen lebensfähige Dosis hinaus geraten.
Also, wenn es die Behinderten sind, der Lieferverkehr, das Handwerk und dergleichen, die werden auch in Zukunft meiner Ansicht nach mit dem Auto unterwegs sein müssen, egal, wie es angetrieben wird. Aber die sind ja als Dienst am Menschen und als Dienst der Gesellschaft unterwegs, aber nicht sozusagen aus Nachlässigkeit oder Bequemlichkeit.
Da darf ich noch etwas dazu sagen: Ungefähr 85 bis 90 Prozent der Autofahrten dienen nicht dem Lastentransport. Es sind ja nur acht bis zehn Prozent der Autofahrten, der Pkw, die mehr Lasten transportieren als ein Fußgänger, Radfahrer oder Benutzer des öffentlichen Verkehrs transportiert.
Deutschlandfunk Kultur: Nun wissen wir alle, dass es Situationen gibt, in denen es nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv tatsächlich Wege gibt, wo es wesentlich schneller und einfacher geht mit dem Auto als mit dem Öffentlichen Nahverkehr, weil es möglicherweise gar keinen Öffentlichen Nahverkehr gibt oder der dann so schlecht ausgebaut ist, dass ich zwei Stunden unterwegs bin statt einer halben mit dem Auto. Auch deswegen wird ja immer wieder gefordert, man müsste unbedingt den Öffentlichen Nahverkehr ausbauen.
Sie haben vorhin die Zahlen genannt, die beeindruckenden Zahlen, wie sehr der Anteil am gesamten Verkehrsaufkommen des Öffentlichen Nahverkehrs gesunken ist.
Und, zweiter Punkt: Die Nutzung billiger machen. Manche fordern ja sogar, der Öffentliche Nahverkehr sollte kostenlos für alle sein. Ich, Herr Knoflacher, kann mir – ehrlich gesagt – nicht vorstellen, dass ein BMW-SUV-Fahrer auf die U-Bahn umsteigt, weil sie nichts mehr kostet. Ich glaube, das ist nicht das Problem, oder?
Hermann Knoflacher: Da haben Sie vollkommen Recht. Es hat diese kostenlose ÖV-Benutzung noch nie irgendwo eine wesentliche Änderung erzeugt. Was eine Änderung erzeugt, sind die Eingriffe in den Parkraum. Wenn Sie, so wie in Wien in den meisten Bezirken, heute mit dem Auto hineinfahren, sind Sie automatisch eine Kurzparkerin oder ein Kurzparker. Das heißt, Sie müssen die normalen Kurzparktarife den ganzen Tag zahlen. Wenn Sie ein Bewohner sind, dann müssen Sie auch Abgaben leisten, wenn Sie Ihr Auto im öffentlichen Raum abstellen.
Das heißt, es gibt keine kostenlosen Parkplätze im Wesentlichen mehr in der Stadt. Und dies hat dazu geführt, dass sich die Menschen andere Lösungen gesucht haben. Wir haben einen exzellenten öffentlichen Verkehr, das ist richtig. In den 60er Jahren hat die Stadt Wien noch die Straßenbahnen abgebaut. Wir bauen sie heute wieder. Wir haben die U-Bahn. Wir haben ein dichtes Bus-Netz. Und wir haben einen 24-Stundenbetrieb mit den Bussen und am Wochenende auch mit der U-Bahn.

Es gibt billigere Alternativen

Das heißt, es gibt Alternativen. Und die Menschen reagieren auch dementsprechend. Das heißt, in Wien hat in den 90er Jahren die Autobenutzung abgenommen. Und zehn Jahre später, ab 2002, hat in den meisten Bezirken der Autobesitz abgenommen. Das heißt, nicht deshalb, weil sich die Leute das Auto nicht mehr leisten können, sondern weil sie erkannt haben, es gibt andere Alternativen, die sind intelligenter.
Das heißt, hier zeigt sich, dass die Gemeinschaft einfach intelligenter ist als der – ich würde sagen – in den Exzess getriebenen Individualismus, der beim Autofahren entsteht. Man ist ja als Autofahrer im Prinzip immer gegen andere aggressiv oder man ist asozial, genau genommen. Keinem Menschen würde es einfallen, dass er andere mit karzinogenen Gasen besprüht. Aber im Auto passiert das, usw. – oder andere bedroht oder Kinder bedroht, indem man sie zwingt, die Hauswände entlang zu gehen, anstatt den öffentlichen Raum zu nutzen.
Diesbezüglich wäre ich ein Anhänger des autonomen Fahrens, weil, dann können wir im Wesentlichen die Gehsteige alle wegräumen und die Menschen können sich wieder frei bewegen. Und man wird auch sehr schnell feststellen, dass die einzige Geschwindigkeit des autonomen Fahrzeuges im urbanen Raum und in den Dörfern die des Fußgängers ist.
Deutschlandfunk Kultur: Also, wenn ich Sie richtig verstehe, müsste dann Hand in Hand gehen, Sie wollen Parkplätze abbauen und den Öffentlichen Nahverkehr ausbauen, so wie es in Ihrer Stadt, in Wien geschehen ist. Das halten Sie für vorbildlich?

300 bis 600 Euro Parkgebühr

Hermann Knoflacher: Ja, das ist sicher der Fall. Es ist nicht nur Wien. Auch anderswo findet das statt. Aber man muss vor allem die Autofahrer sozusagen aus der infantilen Phase, in der sie sich befinden, wo man ihnen alle Wünsche abliest und erfüllt, was ja auf der Bundesebene noch viel mehr der Fall ist als auf der Gemeindeebene und auf der städtischen Ebene, sie müssen langsam für das, was sie der Gesellschaft kosten, auch einen Beitrag leisten.
Das heißt, wenn ich zum Beispiel das Auto in Berlin oder in Wien in der Innenstadt auf dem öffentlichen Grund stehen lasse oder parke dort, müsste ich eigentlich im Monat dreihundert bis sechshundert Euro Parkgebühr zahlen. Das ist aber nicht der Fall. Also wird das Auto nach wie vor in diesem Ausmaß subventioniert. Wenn ich mir den Hilfeschrei Ihrer Bürgermeister vorstelle, der vor ungefähr zwei Jahrzehnten erschallt ist, "Rettet unsere Städte jetzt!", weil ihnen das Geld ausgegangen ist - das Geld liegt auf der Straße. Die Bürgermeister müssen nur den Mut haben, das Auto anzugreifen.
Aber das Auto in den Köpfen der Politiker erlaubt das nicht. Das ist das Problem.
Deutschlandfunk Kultur: Felix Austria hat keine eigene Autoindustrie. Ich danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie sich die Zeit für unser Tacheles genommen haben, Prof. Dr. Herman Knoflacher.
Hermann Knoflacher: Danke. Es war ein Vergnügen, mit Ihnen das Interview zu machen.
Deutschlandfunk Kultur: Dankeschön.