Auswirkungen auf Irland

Der dunkle Schatten des Brexit

06:16 Minuten
Eine Frau steht mitten in der Landschaft und protestiert mit einem Plakat an der irischen Grenze gegen den Brexit.
Irland und Großbritannien: Bitte kein "Durchgangszimmer mit zugemauerten Türen" © Brian Lawless/PA Wire/picture alliance
Derek Scally im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 15.03.2019
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Für den irischen Journalisten Derek Scally ist der Brexit ein Alptraum. Seine Heimat Irland werde besonders in Mitleidenschaft gezogen. Die Waren müssten weiter fließen und die Menschen frei reisen können, sagte er.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker telefoniert bereits wegen des britischen Wunschs nach einem späteren Austrittsdatum mit den Staats-und Regierungschefs der EU. Über den britischen Antrag auf einen Brexit-Aufschub müssen die 27 Staats-und Regierungschefs beim EU-Gipfel kommende Woche einstimmig entscheiden. Wie es in Großbritannien weitergeht, ist bislang völlig unklar.
Der irische Journalist Derek Scally
Der irische Journalist Derek Scally kritisiert die Auswirkungen des Brexit auf Irland. © Deutschlandradio - Andreas Buron
Der Brexit sei ein Alptraum, sagt der Berlin-Korrespondent der Tageszeitung "Irish Times", Derek Scally, im Deutschlandfunk Kultur. "Die Geschichte ist ein Alptraum, aus dem ich zu erwachen suche", zitiert er aus dem Jahrhundertwerk des irischen Schriftstellers James Joyce "Ulysses". Bald seien es tausend Tage, in denen es sich nur noch um den Brexit drehe. Er stelle sich vor, was man alles stattdessen in dieser Zeit hätte machen können. Der Brexit sei inzwischen eine Glaubenssache. "Das ist eine neue Religion, wir sind wer und wir wollen wieder wer werden", beschreibt unser Studiogast die Gemütslage vieler Briten.

Die Folgen für Irland

Dabei würden die Iren besonders in Mitleidenschaft gezogen, sagt Scally: "Für uns geht es jetzt nicht mehr darum, was für einen Schatten der Brexit wirft, sondern wie dunkel wird der Schatten." Mit Hilfe der EU könne der Schatten hoffentlich etwas heller werden. Für die Iren gehe es einmal um Nordirland und den Frieden.
Scally weist zudem auf die Bedeutung der wirtschaftlichen Entwicklung hin. Die Hälfte aller Waren aus Irland werde innerhalb der EU exportiert. 80 Prozent dieser Lieferungen würden mit Lastwagen über Großbritannien abgewickelt. "Es ist nicht nur die nordirische Grenze, sondern auch, wie bekommen wir unsere Waren zum Markt."

Gefahren des harten Brexit

Wenn es im Fall eines harten Brexit zu Zollschranken und Warteschlangen komme, könnte Irland gegen die Wand fahren. Großbritannien dürfe deshalb nicht zu einem "Durchgangszimmer mit zugemauerten Türen" werden. "Wir müssen da irgendwie durch", sagt der Journalist. "Die Waren müssen fließen, die Menschen müssen weiter reisen können und diese nordirische Grenze muss auf jeden Fall vermieden werden." Irland habe 800 Jahre Erfahrung im Umgang mit den Briten. "Wir hoffen, das ist nur eine kleine Episode."
(gem)

Derek Scally, geboren 1977, ist seit bald 20 Jahren der Korrespondent der Zeitung "Irish Times" in Berlin. Er studierte zuvor Journalismus an der Dublin City University. Seine Haupthemen sind deutsche und europäische Politik, Wirtschaft und Kultur. Er ist häufiger Gast im Radio und Fernsehen, sowohl in Irland wie in Deutschland.

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