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Wahlkampf in Sachsen-Anhalt
Politiker thematisieren kaum die Bildung

In den Schulen in Sachsen-Anhalt sind Lehrer Mangelware. Und es fehlen Schulpsychologen. Noch in Erinnerung ist im Land auch das Ringen um den Sparkurs für die Hochschulen. Dennoch spielt die Bildung im Wahlkampf kaum eine Rolle.

Von Christoph Richter | 11.03.2016
    Buntstifte in den Farben der wichtigsten Parteien (v.l.n.r.) Grüne, Die Linke, AfD, SPD, CDU, die sich bei der Landtagswahl am 13.03.2016 in Sachsen-Anhalt um die Wählergunst bewerben, aufgenommen am 19.02.2016.
    Buntstifte in den Parteifarben: Bildung spielt im Wahlkampf von Sachsen-Anhalt kaum eine Rolle. (picture-alliance / dpa / Ralf Hirschberger)
    "Die Landesregierung hat bei der Hochschulstrukturplanung jämmerlich versagt."
    So klang es noch letztes Jahr bei Hendrik Lange, dem bildungspolitischen Sprecher der Linkspartei im Magdeburger Landtag. Hintergrund war der Kurs der Großen Koalition unter Führung des CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff. Zusammen mit seinem Vize - SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn - wollte er den Hochschulen ursprünglich 50 Millionen Euro entziehen. Das hätte einer Einsparung von etwa 100 Professuren entsprochen und wäre in etwa so gewesen, als hätte man die gesamte Magdeburger Universität auf einen Schlag geschlossen. Eine Protestwelle ungeahnten Ausmaßes rollte anschließend über das Land.
    2015 haben sich die Rektoren mit der Landesregierung dann darauf geeinigt, dass die Hochschulen auf 1,5 Prozent ihres Haushalts jährlich verzichten. Bis 2019 sind das 24 Millionen Euro.
    "Ich darf ihnen sagen, das ist sozusagen die Untergrenze."
    So formulierte es einst Armin Willingmann, der Chef der Landesrektorenkonferenz in Sachsen-Anhalt. Er fordert von der nächsten Regierung, das die BaföG-Mittel - die der Bund seit 2015 komplett übernimmt – künftig den Universitäten dauerhaft zugeführt werden müssten. Um die Strukturen nachhaltig zu stärken, wie es heißt. In Sachsen-Anhalt geht es dabei um jährlich 30 Millionen Euro, wobei die Hälfte davon Schüler-BaföG ist. Bis jetzt würde das Geld vom CDU-Wissenschaftsminister Hartmut Möllring allerdings nur nach Gutdünken verteilt, kritisiert Willingmann seitens der Landesrektorenkonferenz.
    Politiker mögen Bildung nicht thematisieren
    Eines der Themen, das im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt gar nicht zu Wort kam. Was, auch damit zu tun hat, dass das Land – wegen des Sparkurses - salopp formuliert traumatisiert ist. Politiker möchten nicht an die Zeiten erinnern, als die Menschen wegen der Sparbeschlüsse an Hochschulen und Theatern zu Tausenden auf die Straßen gingen.
    Großes Schweigen herrscht auch, wenn es um die Situation der Lehrer geht. Sie gelten mit einem Durchschnittsalter von 53,1 Jahren als die ältesten deutschlandweit, weshalb bereits in einem Jahr etwa 1.000 Lehrer ausscheiden werden. Thomas Lippmann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Magdeburg spricht vom Notstandsgebiet Sachsen-Anhalt und dass man bis 2025 etwa 8.000 Lehrer benötige.
    "Eine künftige Landesregierung wird zwei Dinge machen müssen: Sie braucht kurzfristige Notmaßnahmen. Da wird man staunen, wenn man versucht, alles in die Schulen zu holen. Aber was viel wichtiger ist: Sie muss stehenden Fußes die Ausbildung ändern, damit wir in zehn Jahren wieder auf eigenen Füßen unserer Lehrerausbildung stehen, um Schule wieder ordentlich organisieren zu können."
    Hoch umstrittene Schulschließungen
    Höchst umstritten waren auch die Schulschließungen der sogenannten Mini-Schulen. Ursprünglich wollte SPD-Kultusminister Stephan Dorgerloh 150 dieser Schulen schließen. Am Ende war der Protest von Eltern und Lehrer so groß, dass Sachsen-Anhalts Kultusminister Dorgerloh seine Schulschließungspläne letztes Jahr ändern musste. 2017 sollen 20 Grundschulen weniger geschlossen werden. Allerdings für die schon aufgelösten 31 Mini-Schulen wird es aller Voraussicht nach keine Zukunft geben.
    "Uns macht das fassungslos und verbittert auch. Das ist für den ganzen Raum eine Katastrophe."
    So Jochen Hufschmidt, er ist der Bürgermeister in Werben, der weltweit kleinsten Hansestadt. Beendet wurde damit eine 600-jährige Schultradition, klagt er.
    Auch fehlt es an Schulpsychologen, in Zeiten wachsenden Leistungsdrucks und Cybermobbings für Eltern und Schüler ein drängendes Thema. Nach aktuellen Angaben des Berufsverbandes Deutscher Psychologen und Psychologinnen gibt es in Sachsen-Anhalt gerade mal 22 Schulpsychologen. Damit ist ein einziger Schulpsychologe für knapp 10.000 Schüler zuständig. Schon 1974 - also vor über 40 Jahren – empfahl eine Bund-Länderkommission, dass nicht mehr als 5.000 Schüler auf einen Schulpsychologen kommen sollten.
    Also: Ob bereits beschlossene Schulschließungen zurückgenommen werden, darüber kann nur spekuliert werden. Ob Schulpsychologen eingestellt werden, keiner weiß es. Was aber sicher ist, das in Sachsen-Anhalt das Thema Schulen für viele Eltern wahlentscheidend ist. Auch, wenn viele Politiker darüber nur ungern reden.