Aussterbende Tierarten

Eingefrorenes Sperma als letzte Hoffnung

Das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn "Sudan", aufgenommen am 28.4.2016 in Kenia
Er hieß Sudan, war das letzte männliche Tier seiner Art und starb im März 2018. © imago / Xinhua
Thomas Hildebrandt im Gespräch mit Dieter Kassel  · 03.01.2019
Im Kampf gegen das Aussterben von Tierarten setzen Forscher auf künstliche Befruchtung. Der Tierarzt Thomas Hildebrandt will in Kenia Nachkommen der letzten Nördlichen Breitmaulnashörner reproduzieren. Von ihnen gibt es nur noch zwei.
Als im März 2018 das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn der Welt, Sudan, starb, war die Sorge groß, dass die Art nun aussterben könnte. Möglicherweise kann man das aber verhindern. Der Tierarzt und Forscher Thomas Hildebrandt wartet derzeit auf die Genehmigung aus Kenia, um die Natur mit Hilfe künstlicher Befruchtung zu überlisten.
Massai-Krieger posieren im Sommer 2017 im kenianischen Tierschutzgebiet Ol-Pejeta mit Sudan, dem letzten bekannten Nördlichen Breitmaul-Nashornbullen. Dieser starb im März 2018.
Massai-Krieger posieren im Sommer 2017 mit Sudan im kenianischen Tierschutzgebiet Ol-Pejeta.© AFP / Tony Karumba
"Wir wollen nicht den normalen Prozess des Aussterbens aufhalten, sondern wir kämpfen um den Erhalt von Tieren, die rein durch menschliches Interagieren, durch Abschießen, durch Zerstörung der Habitate letztendlich in diese Situation gekommen sind", sagte Hildebrandt im Deutschlandfunk Kultur. Das Nashorn Sudan sei zwar tot, aber eingefrorenes Sperma gibt es noch. Und es gibt auch noch zwei weibliche Tiere, die in Kenia in Gefangenschaft leben: "Das sind die beiden letzten Vertreter der nördlichen Breitmaulnashörner."

Wissenschaftler unter Zeitdruck

Sobald die Genehmigung da ist, wollen die Forscher des Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) nach Kenia reisen, um den beiden Tieren Eizellen zu entnehmen und diese zu befruchten. Die Embryonen "kommen dann aber in südliche Breitmaulnashörner", sagte Hildebrandt. Leider seien die beiden letzten nördlichen Breitmaulnashörner nicht mehr in der Lage, ihre eigenen Nachkommen auszutragen. "Aber sie haben den großen Vorteil, noch soziales Wissen zu vererben." Deshalb gebe es Zeitdruck.
"Eine Art macht nicht nur ein genetischer Code aus, sondern da ist auch die soziale Kompetenz." Diese ginge verloren, wenn die zukünftigen Nashornbabys nicht mehr an der Seite nördlicher Breitmaulnashörner groß werden könnten, betonte der Wissenschaftler.
Die Frauen sind aus einiger Entfernung fotografiert, auf der anderen Seite des Flusses sieht man Lehmhütten. 
Landschaft und Natur haben sich über Jahrhunderte an einander angepasst. © dpa / EPA / NIC BOTHMA
In Afrika gebe es einen riesen Grabenbruch, der viele Arten voneinander trenne. Deshalb gebe es nördliche und südliche Breitmaulnashörner, die seit Jahrtausenden nicht mehr zusammen gekommen seien. Während das nördliche Tier in einer Sumpfregion lebe, sei die südliche Art in der trockenen Savanne zuhause. "Ein nördliches Breitmaulnashorn ist ein ganz wichtiger Landschaftsarchitekt", sagte der Tierarzt. Die Naturlandlandschaft lasse sich nicht ohne das Tier erhalten.
Hildebrandt und seinen Kollegen wird mitunter vorgeworfen, mit der Reproduktionstechnik zu versuchen, menschliches Fehlverhalten zu korrigieren. Tatsächlich zeige das Beispiel des Nashorns exemplarisch, dass der Aufwand sehr groß und nicht wirtschaftlich sei, räumte er ein. Stattdessen sollte die Menschheit eigentlich sehr viel verantwortungsvoller mit bedrohten Tierarten umgehen.

Einsatz im Prager Zoo

Hildebrandt kam nach einer durchwachten Nacht direkt aus Prag ins Studio von Deutschlandfunk Kultur. Im dortigen Zoo mussten er und sein Team sehr kurzfristig eine asiatische Löwin, die Brunftsymptome gezeigt hatte, künstlich besamen. Sie gehöre zu einer eigenen Art aus Indien, die sich ganz anders verhalte als die bekannteren afrikanischen Löwen, berichtete der Forscher.
Asiatische Löwen (Panthera leo persica), zwei Männchen nebeneinander, Tierportrait, captive Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Von den asiatischen Löwen gibt es weltweit nur noch 300 Tiere. © dpa
"Sie sind heute auf 300 Tiere begrenzt und sie vermehren sich relativ schwer in Zoos", sagte der Tierarzt. Das Sperma habe von einem männlichen Tier gestammt, der mit sechs Jahren noch nicht reif genug gewesen sei, um sich mit den Weibchen paaren zu können.

Intensiver Paarungsakt

"Der Paarungsakt ist doch sehr intensiv bei Löwen", erläuterte Hildebrandt. Deshalb hätte das Jungtier ihn vermutlich nicht gut überstanden. "Die Weibchen sind sehr selbstbewusst." Da sie aber schon älter seien, habe man sich zur künstlichen Befruchtung entschlossen. (gem)
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