Ausstellungen in München und Kochel am See

"Wir versuchen Paul Klee als Träumer zu widerlegen"

Paul Klees "Raum der Häuser" von 1921
Paul Klees "Raum der Häuser" von 1921, Teil der Ausstellung in der Münchener Pinakothek der Moderne © Galerie Kornfeld, Bern
Von Moritz Gaudlitz · 28.02.2018
Kaum ein Künstler der klassischen Moderne hat zu Lebzeiten ein so großes und vielseitiges Werk geschaffen wie der Maler und Grafiker Paul Klee. In München widmet die Pinakothek der Moderne sich nun Klees Zeit am Bauhaus. In Kochel am See läuft eine Schau zu Klees Landschaftsarbeiten.
Kann ein Künstler zugleich Träumer und Realist sein? Kann er Romantiker sein und im selben Moment auch Pragmatiker? Paul Klee konnte es. Denn das umfangreiche Werk des 1879 geborenen deutschen Künstlers umfasst sowohl Beobachtungen zu wichtigen Themen der Gesellschaft, zu Architektur und zu Musik und ist zugleich Ausdruck seiner imaginäreren Vorstellungen und romantischen Denkweisen.
Dass Paul Klee während seiner Zeit am Staatlichen Bauhaus in den 1920er-Jahren vor allem als "denkender Künstler" aktiv ist, der in seinen Bildern die Grenzen des Rationalen systematisch durchforscht und die des Rätselhaften überschreitet, ist das Zentrum der großen Ausstellung "Konstruktion des Geheimnisses" in der Münchner Pinakothek. Co-Kuratorin Nadine Engel:
"Wir versuchen so ein bisschen den Klee als Träumer zu widerlegen, als der er sich eigentlich selbst darstellt schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den 10er-Jahren. Und zu zeigen, dass er die ganzen Einflüsse, die damals auf ihn treffen durch Kulturveranstaltungen und durch die Diskurse und Konflikte auch am Bauhaus, dass er die durchaus verarbeitet in seinen Werken. Er äußert sich zwar nicht viel schriftlich, aber in seinen Werken wird eben spürbar, dass er Zeitgenosse war."

Paul Klee betonte Spiel und Intuition

Die Räume der Münchner Ausstellung zeichnen nach, wie sich Klee in Weimar und Dessau damit auseinandersetzt, wie sich die neuen Herausforderungen einer technisierten, rationalisierten Welt auf das künstlerische Schaffen auswirken. Klee folgte damals nicht den Forderungen der Direktoren, Kunst und Technik zu verbinden, sondern betonte selbst die Begriffe Spiel, Intuition und Genie und forderte in einem Text zur "Konstruktion des Geheimnisses auf". Dieses Gegenspiel zwischen Verstand und Rätselhaftigkeit verdeutlichen die ausgewählten Arbeiten in der Pinakothek.
Benannt nach Werken Klees zeigen zehn Räume die unterschiedlichen Thematiken seiner Kunst. Im ersten Saal "Denkender Künstler" hängt eine Reihe von Selbstbildnissen, in denen sich Klee oft mit aufgestütztem Kopf zeigt. Hier ist er noch melancholischer Künstler und nicht produktiver Handwerker. Der Saal "Luft Station" zeigt hingegen abstrakte Aquarelle und Zeichnungen von Flugkörpern und Konstruktionen, in denen deutlich wird, dass Klee hier vor allem mit Material und Maltechniken experimentierte.
Nadine Engel: "Ich glaube, wir dürfen keine Grenzen mehr in unseren Kopf setzen zwischen den Kategorien. Klee war jemand, der meisterhaft sich in beidem, in Abstraktion und Figuration, in Konstruktion und Surrealistischen ausgekannt hat und bewegt hat. Und ich glaube, es spricht für seine Qualität, dass er das tatsächlich konnte."

Klees Landschaften waren die eines Träumers

Paul Klee hat zu Lebzeiten nicht nur als Maler und Grafiker gearbeitet, er musizierte und dichtete auch. Seine vielen Reisen zogen ihn in verschiedene Länder und durch unterschiedliche Landschaften. Dabei malte er auch viele der Landschaften, wobei die nur selten auf konkrete Orte bezogen wurden. Paul Klees Landschaften sind die eines Träumers, der den Betrachter damit vertraut machen will. Im Franz Marc Museum in Kochel am See sind parallel zur Münchner Ausstellung 60 Exponate der Landschaftstypologie Paul Klees zu sehen. Ein Text des Künstlers ist die Grundlage für die Schau, sagt die Museumsdirektorin Cathrin Klingsöhr-Leroy:
"Die Ausstellung heißt 'Paul Klee Landschaften. Eine kleine Reise ins Land der besseren Erkenntnis.' Und das ist der Beginn des Textes, den Paul Klee 1920 veröffentlicht hat und indem er tatsächlich so eine kleine Reise vorstellt, die zunächst mal wie eine normale, reale Reise scheint, dann aber immer wieder springt in Bilder, wo es eben abstrakte Zeichen, kleine Symbole gibt, die man mit bestimmten Erscheinungen in Landschaften in Verbindungen bringen kann. Brücken, Wasserläufe, die in Wellenbewegungen anschaulich gemacht werden oder die Punktsaat, das ist der Mückenschwarm. Und solche Assoziationen eröffnet er da, gibt dem Betrachter seiner Bilder sozusagen eine Möglichkeit vor, diese Bilder zu lesen und zu betrachten."

Beide Ausstellungen zeigen brillianten Künstler

Die ausgewählten Arbeiten sind Malereien und Zeichnungen realer Orte wie der tunesischen Stadt Kairouan. Daneben aber hängen viele Werke, in denen sich Klee vom traditionellen Verständnis der Landschaftsmalerei distanziert. Das ermöglicht ihm, sich komplette Freiheit von Naturvorbildern und Orten zu schaffen. Die abstrakte Zeichnung "Landschaft in a-Dur" von 1939 etwa zeigt nur geometrische Formen. Und in der 1928 entstandenen Arbeit "Gewölk über Bor" malt Klee rote Wolken über die feine Bleistiftzeichnung einer imaginären Stadt.
"Also er hat ja gesagt, Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar. Es geht ihm nicht um die Erscheinung der Dinge, sondern um ihren Kern. Und das äußert sich bei dem Thema Landschaft sehr schön in den Bildtiteln. Es gibt ja in der Ausstellung eine "Landschaft für Verliebte", es gibt eine "Landschaft in a-Dur", es gibt eine "Landschaft bei scharfer Sicht" oder ein landschaftliches Merkblatt, das sind ja alles Konzepte, die immer so eine Verbindung zur Bildwerdung herstellen. Die immer sofort thematisieren und den Betrachter darauf hinweisen, das ist eine Landschaft aus Sicht der Kunst, des künstlerischen Schöpfungsvorgangs."
Dass Paul Klees Werk nur in thematischen Ausstellungen vermittelt werden kann, demonstrieren die beiden Ausstellungen in München und Kochel gut. Durch gründliche und fokussierte kuratorische Umsetzung erfährt man, dass Paul Klee ein brillanter Künstler der Vergangenheit und der Moderne ist und sowohl Denker als auch Mystiker war. Ein Künstler, der noch heute seine Rezipienten dazu auffordert, Geheimnisse zu Konstruieren und ins Land der Besseren Erkenntnis zu reisen. Etwas Paradox und ironisch, aber eben auch ziemlich romantisch.

Weitere Informationen zu den Ausstellungen in der Pinakothek der Moderne in München und im Franz Marc Museum in Kochel am See

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