Ausstellung zur US-Nachkriegskunst in Köln

Gegen den Kanon

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Eine Frau geht in der Ausstellung "Mapping the Collection" im Museum Ludwig an der Installation "Wasserkomposition" (vorne) von Senga Nengudi vorbei.
Ausstellung "Mapping the Collection" im Museum Ludwig in Köln © picture alliance / Oliver Berg / dpa
Von Rudolf Schmitz · 18.06.2020
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Das Kölner Museum Ludwig hat eine der besten Sammlungen von US-Nachkriegskunst. In der Schau „Mapping the Collection“ sind nun oft vergessene Werke der Zeit zu sehen: postkoloniale, queere, feministische, indigene und afroamerikanische Positionen.
Wenn die Künstlerin Martha Rosler mit ihrer Küchenschürze einzelne Küchenwerkzeuge vorführt, dann wirkt das so martialisch, als wolle sie das Patriarchat zerreiben, zerhäckseln, zerstechen.
Zu sehen ist das in einem feministischen Video von 1975: Schrummeliges schwarz-weißes Filmmaterial, präsentiert auf einem winzigen Monitor. Die Gegenbilder und Gegenargumente zur offiziellen Kunstgeschichte der 1960er-und 1970er-Jahre sind oft klein, zerkratzt, improvisiert. Aber aufgeladen und bemerkenswert.

Mit diesem ästhetischen Understatement muss man erst mal zurechtkommen. Hat man doch die Pop-Art-Abteilung des Kölner Museums als beeindruckendes, mächtiges Statement in Erinnerung.
Martha Rosler: Filmstill ausSemiotics of the Kitchen, zu sehen im Kölne rMuseum Ludwig in der Ausstellung "Mapping the Collection"
Martha Rosler: Filmstill ausSemiotics of the Kitchen, zu sehen im Kölne rMuseum Ludwig in der Ausstellung "Mapping the Collection"© Martha Rosler, Courtesy Martha Rosler & Galerie Nagel Draxler Berlin/Köln/München

Ästhetisches Understatement

In der Ausstellung "Mapping the Collection" sind die Dimensionen zurückgefahren. Vielleicht, um einer bisher unbemerkten Reflexion Platz zu machen. Von Claes Oldenburg gibt es einen kleinen, fast niedlich zu nennenden roten Hydranten zu sehen: "Fire Plug Souvenir – Chicago, August 1968".
Im Kontext der hier dokumentierten Antikriegsbewegung allerdings lässt er sich als Reaktion auf die Gewalt lesen, die der Künstler in Chicago bei den Protesten während des demokratischen Parteitages selbst erlebt hatte: Feuerwehrschläuche wurden gegen friedliche Proteste der Bürgerrechtsbewegung eingesetzt.
In Amerika seien Demokratie und Gleichheit pure Illusion, sagt die Choreografin Yvonne Rainer in einem Filmporträt des afroamerikanischen Künstlers Adam Pendleton.
Dazu Yilmaz Dziewior, Direktor des Kölner Museum Ludwig: "Sie ist immer sehr rational und versucht Dinge zu schematisieren, Alltagsbewegungen in ihre Choreografie hineinzubringen, um da dieses Anti-Emotionale oder auch Anti-Geniale zu verkörpern. Und wenn Sie Yvonne Rainer, die Choreografin in diesem Video, sehen, wie sie einen Text liest, wo es konkret um Diskriminierung geht und wenn Sie sehen, wie diese im wahrsten Sinne des Wortes coole Frau ... - Sie erleben sie dabei, wie sie emotional berührt wird."

Afroamerikanerin spielt empörte weiße Frau

Emotional berührend ist auch das Video der Afroamerikanerin Howardena Pindell, die eine weiße Frau spielt, die auf Schilderungen von erlebtem Rassismus mit Empörung und Unglauben reagiert. Vor diesem Hintergrund wirken die Schießscheiben-Bilder von Jasper Johns oder Kenneth Noland plötzlich ziemlich bedrückend.
Zu den Farbfeldmalern Morris Louis oder Kenneth Noland ist in dieser Ausstellung der gebürtige Cherokee Leon Polk Smith dazu gekommen. Längst nicht so bekannt wie die beiden anderen, weil für ihn, als indigener Künstler, der Kunstmarkt weit weniger zugänglich war.
"Es geht nicht um Identitätspolitik, sondern es geht um das Werk", sagt Yilmaz Dziewior." Aber es ist interessant zu wissen: kein Werk entsteht im luftleeren Raum, sondern hinter jedem Werk steht eine Person, steht auch ein Leben, das gesellschaftlich verankert ist. Und uns ist es wichtig, auch diesen Kontext zu zeigen."

Auch ein Forschungsprojekt

Mit dem Werk von Leon Polk Smith oder der Skulptur der Afroamerikanerin Barbara Chase-Riboud sind plötzlich Wucht und ästhetische Überzeugungskraft da, die man in dieser Ausstellung gelegentlich vermisst. Und Wucht und ästhetische Überzeugungskraft sind zweifellos nötig, um den bisher gültigen Kanon der Kunstgeschichte zu erschüttern.
So könnte man die Ausstellung "Mapping the Collection" als Forschungsprojekt bezeichnen: Die feministischen, afroamerikanischen, indigenen, queeren Gegenstimmen sind da, aber hören sich oft noch ziemlich leise an. Und dann muss das alles auch noch in Ankaufspolitik münden. Da hat das Kölner Museum Ludwig, das zeigt diese Ausstellung, erste wichtige Schritte unternommen.
"Sie werden in der Ausstellung zum Beispiel Arbeiten von Ana Mendietta sehen, von Senga Nengudi, und andere Positionen, die wir erwerben konnten", sagt Yilmaz Dziewior. "Aber da ist noch viel zu tun."
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