Ausstellung zu Marc und Macke in Paris

Ein grandioser Farbenrausch

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Ausschnitt aus dem Bild "Die Wölfe" (Balkankrieg) von Franz Marc aus dem Jahr 1913.
Ausschnitt aus dem Bild "Die Wölfe" (Balkankrieg) von Franz Marc aus dem Jahr 1913. © © Albright-Knox Art Gallery, Dist. RMN-Grand Palais / image AKAG
Von Jürgen König · 06.03.2019
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Nur kurz währte die Künstlerfreundschaft der Maler Franz Marc und August Macke. Beide liebten Frankreich und starben jung im Ersten Weltkrieg. Das Musée de l’Orangerie in Paris widmet den Expressionisten eine gelungene Doppelausstellung.
Die deutsch-französische Freundschaft wird nun seit Jahrzehnten besungen - doch erstaunlicherweise stößt man immer wieder auf Bereiche, in denen die Kenntnisse voneinander bemerkenswert gering sind. Franz Marc und August Macke zählen wahrlich zu den Großen der Kunst des 20. Jahrhunderts, und doch bedeutet die Pariser Ausstellung eine Premiere: Weder dem einen noch dem anderen wurde in Frankreich jemals eine Einzelausstellung gewidmet.

Unerwiderte Liebe zu Frankreich

Kuratorin Sarah Imatte: "In Frankreich sind August Macke und Franz Marc fast unbekannt, die Leute kennen Wassily Kandinsky, was auch logisch ist, weil Kandinsky ja in Frankreich, in Paris, gelebt hat - aber Marc und Macke: niemand kennt die beiden. Das ist natürlich eine Art Paradox, weil beide in Frankreich gestorben sind. Deshalb ist es sehr wichtig, dass das französische und auch das internationale Publikum beide Künstler besser kennenlernt."
Ausschnitt aus dem Bild "Spaziergänger am See (II)" von August Macke, 1912, Öl auf Leinen, 48,5 × 51,5 cm, in der Ausstellung Franz Marc/August Macke - Das Abenteuer des blauen Reiters im Musée de l’Orangerie in Paris. 
Ausschnitt aus dem Bild "Spaziergänger am See (II)" von August Macke, in der Ausstellung Franz Marc/August Macke" im Musée de l’Orangerie in Paris.© © Neue Galerie, New York (Mit freundlicher Genehmigung der Sammlung Estée Lauder)
Franz Marc und August Macke starben im Ersten Weltkrieg auf den Schlachtfeldern von Verdun, zuvor hatten sie Frankreich bereist, hatten Cézanne studiert, verschiedene Pariser Künstlerateliers besucht, das von Robert Delauney etwa. Beide liebten Frankreich – doch erwidert wurde diese Liebe nicht.
Sarah Imatte: "Das hat natürlich mit der deutsch-französischen Geschichte etwas zu tun und auch mit der Rezeption des Expressionismus. In Frankreich musste man bis 1966 warten, bis ein Nationalmuseum die deutschen Expressionisten gezeigt hat. 'Paris-Berlin' war eine große Ausstellung 1977, und erst das Musée de la Ville de Paris hat die deutschen Expressionisten Anfang der 90er-Jahre wieder gezeigt – also sehr, sehr selten.

Künstlerfreundschaft im Zentrum der Schau

Umso schöner ist es, dass diese jetzige Ausstellung im Musée de l’Orangerie so rundum gelungen ist. Über 90 Gemälde, Zeichnungen, Skizzen werden gezeigt, zusammengetragen aus acht Ländern: neben Werken von Franz Marc und August Macke auch Gemälde von Vorbildern wie Cézanne oder Rousseau. Im Zentrum aber steht ihre Künstlerfreundschaft: Als sie sich 1910 kennenlernten, war Franz Marc 30, August Macke 23 Jahre alt.
Der Rundgang führt chronologisch beider Werke parallel. Schon die Bilder des frühen August Macke leuchten in kräftigen Farben, die des jungen Franz Marc wirken dagegen manchmal fast blass – eindrucksvoll ist es, als Besucher nachzuvollziehen, wie Franz Marc den Macke‘schen Farbton zunächst mehr und mehr übernimmt, wie sich umgekehrt August Macke immer mehr für die Farbenlehre interessiert, die Franz Marc sich erarbeitet hat. Beider Stile beginnen einander ähnlicher zu werden. Gleichzeitig bleiben die individuellen Linien immer klar erkennbar – und doch sieht man, wie eng beider Verbundenheit und die daraus wachsende Inspiration war.

Eine pädagogisch aufgebaute Ausstellung

Die Ausstellung ist ausdrücklich pädagogisch aufgebaut, sie führt vom Kennenlernen der beiden Maler zum Blauen Reiter, jener losen Gruppe von Künstlern, deren zweimal erschienener "Almanach" eine Art europäisches Manifest der Vorkriegs-Avantgarde wurde: Originalmanuskripte und -ausgaben des "Almanachs" bilden den Mittelpunkt der Ausstellung, prächtige Leihgaben des Centre Pompidou. Das Umfeld dieser Avantgarde wird dargestellt, Gabriele Münter, Wassily Kandinsky, Paul Klee - und schließlich: der Weg in die Abstraktion.
Ausschnitt aus dem Bild "Landschaft mit Haus und Rindern" von Franz Marc, 1914, Öl auf Leinen, 66 × 71 cm, in der Ausstellung Franz Marc/August Macke - Das Abenteuer des Blauen Reiters im Musée de l’Orangerie in Paris.
Ausschnitt aus dem Bild "Landschaft mit Haus und Rindern" von Franz Marc, in der Ausstellung Franz Marc/August Macke" im Musée de l’Orangerie in Paris.© © Merzbacher Kunststiftung
Imatte: "Macke hat sich von Wassily Kandinsky und dem Blauen Reiter distanziert, Kandinsky war für Macke zu spirituell, zu mystisch. Macke hatte wirklich etwas Hedonistisches. Das merkt man auch in Mackes abstrakten Werken: Er interessiert sich für optische Effekte und Kontraste, und ganz im Gegenteil ist Marcs Abstraktion mit Spiritualität eng verbunden."
Eine "Landschaft mit Haus und Rindern" von Franz Marc, von ihm auch die "Wölfe": rot und schwarz, wie versteckt in einem Wald aus Farben und Formen; von August Macke "Afrikanische Landschaften" oder die grün-rot-weiß leuchtenden "Junge Mädchen mit Hüten mit gelben Bändern": Die Ausstellung wird zunehmend zum grandiosen Farbenrausch, dem man sich als Besucher nur zu gerne hingibt. Mögen also Franz Marc und August Macke auch in Frankreich heimisch werden - zu Lebzeiten waren sie es schon.

Die Ausstellung "Franz Marc – August Macke: Das Abenteuer des Blauen Reiters" im Musée de l’Orangerie ist bis 17. Juni 2019 zu sehen.

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