Ausstellung "Zero Waste" in Leipzig

Die Utopie vom Leben ohne Müll

07:08 Minuten
Eine Frau steht auf einer Mülldeponie und schwingt mit einem Kescher durch die Luft.
Auf der Suche nach der Luft zum Atmen: Das Werk "Breath by Breath" von der Künstlerin Vibha Galhotra. © Vibha Galhotra
Von Bastian Brandau · 24.06.2020
Audio herunterladen
226 Kilogramm Verpackungsmüll verursacht ein Deutscher pro Jahr, Tendenz in der Coronakrise steigend. Eine Ausstellung im Leipziger Museum der bildenden Künste sucht Wege aus der Verschwendung und möchte selbst Vorbild für den Kunstbetrieb sein.
"Also hier ist Charlie Brown, dann haben wir hier einen kleinen Dinosaurier…"
In verlockendem Rot steht er am Ausstellungseingang im Untergeschoss: Ein Warenautomat, in dem in glänzenden Plastikbällen verpacktes Spielzeug zum Kaufen animiert. Aufgestellt hat den Hingucker die Hamburger Künstlerin Swaantje Güntzel.
"Auf den zweiten Blick sieht man Spielzeuge, die von Albatrossen im Pazifischen Ozean verschluckt wurden, und die unter Umständen jahrelang schon im Pazifischen Ozean geschwommen sind. Und die dann eben in den verendeten Vögeln gefunden wurden, als sie auf einem Atoll, was im Pazifik liegt, gefunden wurden."
Mit ihrem Warenautomat will Güntzel auch auf die weltweiten Warenkreisläufe aufmerksam machen, die heute selbstverständlich sind – aber mit hohem Energieaufwand ebenso problematisch für die Umwelt wie die Herstellung von Plastik:
"Der Ausgangspunkt unserer Ausstellung war eben zunächst auf der einen Seite die Beobachtung der globalen Entwicklungen in Bezug auf Umweltverschmutzung und eben auch klimabedingter Handlungsbedarf."

Künstler nicht für ein paar Tage einfliegen

Lena Fließbach, die zusammen mit Hannah Beck-Mannagetta die Ausstellung kuratiert hat, steht im Obergeschoss des Museums unter dem höchsten Ausstellungsstück: einem Mobile, dass der Künstler Raul Walch aus Plastikfetzen der gigantischen spanischen Gemüseplantagen hergestellt hat.
Zwei Hände retten einen kleinen Fisch aus einem vermüllten Meer.
"Very Very Important Fish" von Irwan Ahmett und Tita Salina.© Irwan Ahmett & Tita Salina
Unter dem Mobile aus weggewehten Plastikfetzen eine Arbeit aus den verstärkten Griffen von Plastiktüten. Werke, die Besucher_innnen zum Nachdenken anregen sollen – und zum Handeln beim Thema Müllvermeidung, Minimalismus und Ressourcenverschwendung, sagt Fließbach:
"Und was wir eben hier mit dieser Ausstellung versucht haben, ist, dass wir eben nicht nur künstlerische Arbeiten zu dem Thema zeigen, sondern auch tatsächlich den Kunstbetrieb und den Kulturbetrieb als solchen hinterfragen. Das bedeutet ganz konkret, dass wir versucht haben, hier auch Vorbild zu sein und Transporte vermieden haben, Langstreckenflüge nur unternommen haben, wenn sie sozusagen notwendig waren. Also eben nicht nur für kurzfristige Aufenthalte, sondern die Künstlerinnen sind alle für Residencies oder für mehrere Projekte nach Deutschland oder Europa gekommen. So war es eben geplant. Dann haben wir natürlich die Verpackung wieder verwendet. Das Ausstellungsdisplay ist aus Panzerkarton."
... besonders stabiler Karton, der im Museum nach der Ausstellung weiterverwendet wird.

"Die beste Lösung wäre, keine Ausstellung zu machen"

Im Begleitprogramm gibt es Workshops, wie das Kochen mit der auch in der Ausstellung gezeigten "Zero-Waste-Küche" eines brasilianischen Künstlerduos. Die CO2-Bilanz der Ausstellung schließlich soll durch das Pflanzen von Bäumen ausgeglichen werden.
"Natürlich ist es sowieso so, bei jeder Ausstellung, auch bei dieser: Beste Lösung wäre, wenn man keinen Carbon Footprint will, muss man einfach gar nichts mehr machen. Dann muss man keine Ausstellung machen", sagt Dani Ploeger. Er bedient einen sich langsam drehenden Metallapparat, mit dem er einen Elektrorasierer immer wieder aus etwa einem Meter Höhe herunterfallen lässt. Teil seiner Installation mit Namen "Laboratory of Electronical Aging", dem Labor des elektronischen Alterns ist dieser Materialtest, wie er auch in der Industrie stattfindet:
"In der Fabrik sind die Tests da, um festzustellen, dass das Gerät zwar gut ist, aber nicht zu gut. Dass der Kunde immer wieder neu kauft. In dieser Testausstellung hier im Museum geht es um eine materielle Ebene zu diesem sehr ideologischen, stilisierten Objekt hinzuzufügen. Also ja, ich produziere natürlich Müll."

Wie auf Verschwendung aufmerksam machen?

Müll, um darauf hinzuweisen, dass die Industrie technische Geräte, insbesondere digitale, als vorgeblich materialfrei bewirbt, sie in Wirklichkeit aber, und das zeigen die Reste eines Rasierapparats aus der vergangenen Ausstellung von Dani Ploeger, stumpfe Plastikteile sind, die der Umwelt schließlich zu Last fallen.
Als solche wird auch der noch glänzende Rasierapparat enden, den Ploeger in den kommenden Monaten in Leipzig bearbeiten wird. Müll zu produzieren, um auf Verschwendung aufmerksam zu machen, wo ist für Dani Ploeger da die Grenze?
"Für mich ist hier die Grenze nicht erreicht. Weil ich denke, wir bekommen doch ganz viel von diesem Rasiergerät hier."

Im anschließenden Gespräch bestätigt Bastian Brandau, dass die Ausstellung durchaus zum Nachdenken über das eigene Konsumverhalten anrege. Einen alten Laptop wolle er nun doch noch einmal "fit machen für ein paar Jahre – und gleiches gilt auch für meine Laufschuhe". Jedoch werde es einem als Konsument auch schwer gemacht, mit weniger Plastikmüll auszukommen, sei es durch extra verpackte Gurken oder dadurch, dass man sich hierzulande nirgends unterwegs Trinkwasser abfüllen könne – "in anderen Ländern ist das Standard", sagt Brandau.

Museum der bildenden Künste in Leipzig: Zero Waste. Die Ausstellung ist vom 25.6. bis 8.11.2020 zu sehen.

Mehr zum Thema