Ausstellung über psychische Störungen

Gegen Stigmatisierung und Unverständnis

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Das Ehepaar Gärtner auf seiner Sommerreise. Aus der Serie "Gärtners Reise" (2008).
Das Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus zeigt eine Ausstellung über psychische Erkrankungen. Sibylle Fendt fotografierte das Ehepaar Gärtner - Frau Gärtner ist dement - während einer Sommerreise. © Sibylle Fendt / Ostkreuz
Carmen Schliebe im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 27.06.2020
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Psychische Erkrankungen werden oft tabuisiert. Eine Fotoausstellung in Cottbus rückt die Betroffenen in den Fokus. Die Fotos versuchen, ihnen mit teils sehr persönlichen Geschichten in ihrer Welt nahe zu kommen.
Bundesweit erfüllt mehr als jeder vierte Erwachsene im Zeitraum eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung, so die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Die Erkrankungen würden oft tabuisiert, die Vielzahl der Diagnosen und individuellen Krankheitsbilder verunsicherten Außenstehende.

Die Ausstellung "Crazy. Leben mit psychischen Erkrankungen" im Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus präsentiert Arbeiten von sieben international renommierten Fotografinnen und Fotografen, die versuchen, Betroffenen in ihrer Welt nahezukommen.

Persönliche Betroffenheit der Fotografen

Die Kuratorin Carmen Schliebe betont, die Ausstellung sei als Teil eines Ausstellungskomplexes zu menschlichen Ausnahmezuständen gedacht. Weitere sollen folgen: "Der gesetzlose Irrenhausschuppen - Künstlerinnen und Künstler Brandenburger Kliniken in der Sammlung Prinzhorn" und "Liebe, Hass und Einsamkeit - Emotionen in der Kunst", beide vom 12. September bis 22. November 2020.
Ein älterer Mann mit einem Fernglas um den Hals, sitzt auf einer Holzbank im Freien und schaut hoch zum Himmel.
Wo ist er in seinen Gedanken? Fotoserie "Big Brother" von Louis Quail.© Louis Quail
Die an der Ausstellung teilnehmenden Fotografinnen und Fotografen hätten sich zum Teil aus persönlichen Gründen mit dem Thema auseinandergesetzt, entweder über die eigene Betroffenheit oder die eines Familienmitglieds. Sie seien nah dran am Thema und engagierten sich in ihren Arbeiten gegen die Stigmatisierung und das Unverständnis über diese Krankheiten.

Die Geschichte einer großen Liebe

Das Projekt "Gärtners Reise" von Sibylle Fendt stelle sich beispielsweise der Angst vor der Demenz. "Sie hat das Ehepaar Gärtner aufgesucht, um zu sehen, was bleibt, wenn wir uns von unseren Erinnerungen nach und nach verabschieden müssen, wenn der Verlust der Persönlichkeit droht", sagt Schliebe. Denn bei Elke Gärtner sei 2006 Demenz diagnostiziert worden und sie habe sehr schnell die Fähigkeit zu sprechen verloren.
Die Fotografin habe das Ehepaar bei dem Wagnis einer letzten mehrwöchigen Reise mit ihrem Wohnwagen im Sommer 2008 begleitet. "Sibylle Fendt hat mit dieser Serie keine Reportage über geistigen oder körperlichen Verfall geschaffen oder über die großen Mühen, die man hat, wenn man einen Menschen pflegt, sondern erzählt sehr mutig von einer großen Liebe."

Typisches Merkmal aller in der Ausstellung vertretenen Arbeiten sei, dass sie längere Prozesse abbilden: In einigen Fällen folgten sie einem Familienmitglied über einen längeren Zeitraum. In anderen habe die Fotografin oder der Fotograf erst einmal das Vertrauen der Menschen gewinnen müssen.
Die an Schizophrenie leidende Jackie. Aus der Serie "Big Brother" (2011-2017). Zu sehen in der Ausstellung "Crazy" im Dieselkraftwerk Cottbus.
Louis Quail fotografierte die an Schizophrenie leidende Jackie. © Louis Quail
(rja)

Crazy. Leben mit psychischen Erkrankungen
Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus
27. Juni - 30. August 2020

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