Ausstellung über Ostblock-Künstlerinnen

"Eine unbändige weibliche Energie"

Ausstellungsansicht: „Medea muckt auf. Radikale Künstlerinnen hinter dem Eisernen Vorhang“.
Ausstellungsansicht: „Medea muckt auf. Radikale Künstlerinnen hinter dem Eisernen Vorhang“. © SKD / Christine Starke
Susanne Altmann im Gespräch mit Gesa Ufer · 10.12.2018
Antike Frauenfiguren wie Medea wurden bei Künstlerinnen im Ostblock zum Sinnbild der modernen Frau. Das zeigt die Ausstellung "Medea muckt auf" in Dresden. "Es geht um Figuren, die aufmüpfig werden und Reibung suchen", sagt Kuratorin Susanne Altmann.
Leidenschaftlich, unbestechlich und konsequent bis in den Tod – das sind die Eigenschaften der Seherin Kassandra aus der griechischen Mythologie. Durch die DDR-Schriftstellerin Christa Wolf wurde diese 3000 Jahre alte Figur zum Sinnbild der modernen Frau. Das ist eines der Beispiele dafür, dass mythologische Stoffe in der Kunst, Literatur und vor allem Gegenkultur der DDR eine große Rolle spielten.
Einem besonderen Kapitel dieser Zeit widmet sich nun die Ausstellung "Medea muckt auf. Radikale Künstlerinnen hinter dem Eisernen Vorhang" in Dresden. Sie zeigt Werke von 36 Künsterinnen und Künsterinnengruppen – alle aus sozialistischen Ländern und vor 1989 entstanden.
Im Titel der Ausstellung könnte statt Medea auch Kassandra oder Penthesilea stehen, sagt die Kuratorin der Schau, Susanne Altmann, im Deutschlandfunk Kultur.
"Sie steht als ganz wichtige Platzhalterin für Radikalität, für Grenzüberschreitung, für Selbstermächtigung und eine unbändige weibliche Energie, die in diesen Kunstszenen herrschte und nachweisbar ist", so die Kunsthistorikerin und Publizistin.

Gendergerechte Trennlinie bei Reizfiguren

Bei der Frage, wann und warum Figuren wie Medea oder Kassandra zu einem Symbol für politischen Widerstand werden konnten, gehe es um "Figuren, die aufmüpfig werden und Reibung suchen - und lesbar bleiben, wenn sie in der Kunst verwendet werden", erklärt Altmann. Medea ist - ähnlich wie Kassandra - eine Frau mit übernatürlichen Kräften, die ihrem Mann gegenüber gegen alle Widerstände loyal bleibt, die für die Liebe alles tut, und sich ganz bewusst für diesen leidenschaftlichen Weg entscheidet.
Erstaunlicherweis gebe es eine - mit heutigen Worten - "saubere, gendergerechte Trennlinie" dabei, mit welchen Figuren sich Künstler und welchen Figuren sich Künstlerinnen beschäftigten.
"Die Maler fanden Sisyphos sehr interessant, diese Metaphern des Scheiterns. Und die Frauen wie Angela Hampel, Karla Woisnitza, Christine Schlegel - um die ostdeutschen Malerinnen zu nennen - fanden wiederum Medea interessant und Kassandra und Penthesilea und Elektra.

In Deutschland noch immer als Subkultur gesehen

Dass auch die Geschichten dieser weiblichen Figuren oft sehr tragisch ausgehen, habe ihre Anziehungskraft nicht geschmälert, erklärt Altmann:
"Es geht um diese Energie und Selbstermächtigung, die vielleicht aus matriarchalischen, antiken oder vorantiken Zeiten noch rührt, die einen besonderen Reiz auf die Künstlerinnen, insbesondere Malerinnen ausübten."
Ihr gehe es bei der Ausstellung auch darum zu zeigen, "dass in den osteuropäischen Ländern eine viel konsistentere Kunstgeschichte geschrieben wird, was das kreative Treiben vor 1989 anbelangt". In Deutschland werde diese Zeit "noch immer als Subkultur, also jenseits von ernsthaften kunsthistorischen Einordnungen verhandelt", so Altmann.
"Da sind diese Länder Polen, Ungarn, Rumänien, meilenweit voraus." Dort beriefen sich auch jüngere Künstlerinnen und Künstler auf "Leitfiguren" aus dieser Zeit. Das sehe man etwa auch bei Biennale-Pavillons oder Teilnehmern an der documenta in Kassel.
(abr)

Info: Die Ausstellung "Medea muckt auf. Radikale Künstlerinnen hinter dem Eisernen Vorhang" ist noch bis 31.3.2019 in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zu sehen.

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