Ausstellung "Theater of Operations“

Das künstlerische Vermächtnis der Golfkriege

05:43 Minuten
Ein Soldat vor einer grünen Hauswand hält ein fotokopiertes Porträt von Saddam Hussein vor sein Gesicht.
Ein Exponat der Ausstellung: Jamal Penjwenys Fotoarbeit aus seiner Serie "Saddam is Here" aus dem Jahr 2010. © MoMA PS1 / Eigentum des Künstlers
Von Andreas Robertz · 02.11.2019
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Das MoMA PS1 in New York zeigt künstlerische Auseinandersetzungen mit den Golfkriegen. In einer Gruppenausstellung werden Arbeiten westlicher Künstler in einen Dialog mit Werken unbekannterer Künstler aus dem Mittleren Osten und der Diaspora gebracht.
"Strength and clarity lead to peace - weakness and ambivalence lead to war." Stärke und Klarheit führten zu Frieden, Schwäche und Uneindeutigkeit zu Krieg, sagte George Bush 1989 bei einer Rede nach seiner Wahl zum Präsidenten. Auf acht Bildschirmen, die auf einer Stahlstütze übereinander hängen, flimmert der Präsident abwechselnd mit dem Dichter Alan Ginsberg, der sein Anti-Kriegsgedicht "Ham Bom" rezitiert, von oben nach unten, als wären die Worte Raketen, die irgendwo einschlagen werden:
Zwei Jahre später befiehlt er die Operation "Desert Storm" und die Bombardierung Bagdads als Antwort auf Saddam Husseins Angriff auf Kuwait. Er werde nicht zulassen, dass die USA schwach gemacht würden, sagte Bush.

Einen neuen Kontext kreieren

Direkt neben Dara Birnbaums "Transmission Tower" von 1992 hängt das Ölbild "The Deep Wound" des kuwaitischen Malers Khalifa Qattan aus seiner "Prophetic Paintings"-Serie, entstanden in den Jahren 1983 und 1984. Es zeigt ihn im Vordergrund hinter Gittern, und brennende Ölfelder und zerbombte Städte im Hintergrund.
Die Kuratorin Ruba Katrib hat Arbeiten westlicher Künstler in einen Dialog mit Werken unbekannterer Künstler aus dem Mittleren Osten und der Diaspora gebracht: "Wir wollten hier wirklich einen neuen Kontext kreieren. Einige der Arbeiten sind sehr bekannt, andere waren hier noch nie zu sehen. Wir wollten, dass die Betrachter die Situation verstehen, in der diese Arbeiten entstanden sind. Einige sind sehr eindeutig, andere mehr abstrakt."
Ein bemalter kleiner und ein bemalter großer Metallkanister. In den Öffnungen stecken Zeichnungen von Zain Habboo.
Ebenfalls in der Ausstellung zu sehen: Nuha Al-Radis "Portrait of Zain Habboo" aus dem Jahr 1995.© Collection Aysar Akrawi. Foto: Kris Graves
Das PS1 zeigt in der Ausstellung "Theater of Operations" über 80 Künstler mit ihren Positionen zum Krieg im Irak. Fotografien in Großformat und Polaroid, Bilder, Skulpturen, Video- und Rauminstallationen, Texte, Collagen, Karikaturen – die Fülle des Materials ist überwältigend, die Auseinandersetzung komplex und emotional, oftmals schockierend.

Gegen die Stereotypisierung des Iraks

Zum Beispiel in der Videoarbeit "It Was Just a Job" des schweizerisch-irakischen Künstlers Samir. Zwei Wohnzimmer sind gleichzeitig auf dem Bildschirm zu sehen: eine feiernde irakische Familie mit vielen Kindern vor der Bombardierung Bagdads und ein älteres Paar in der Schweiz, das stumm auf dem Sofa gerade CNN schaut, dazwischen Bilder einer amerikanischen Zielerfassungskamera von einschlagenden Geschossen.
Oder das Bild "Gulf War" der niederländisch-irakischen Künstlerin Afifa Aleiby, auf dem eine Frau schützend ihre Hände vor ein Relief Hammurabis hält. Frau und Relief sind von Gewehrkugeln durchsiebt. Viele Arbeiten richten sich gegen die Stereotypisierung des Iraks durch westliche Propaganda als unzivilisierte, karge Wüste ohne Geschichte, voller Terroristen und Frauen mit schwarzen Gewändern.
Ein aufgeschlagen aufgestelltes Notizbuch aus Holz, Tape und weiteren Materialien. Darin zu sehen sind Ausschnitte von Landkarten und grüne Sterne auf absichtlich verbrannten und geschwärzten Seiten.
Notizbücher wie dieses von Hanaa Malallah aus dem Jahr 2007 sind ein durchlaufendes Motiv in der Ausstellung. Den Künstlern blieb aufgrund wirtschaftlicher Sanktionen oft nichts anderes übrig, als diese Bücher zu machen und herumzureichen.© Courtesy the artist and Azzawi Collection, London. Foto: Anthony Dawton
Die Ausstellung nimmt das gesamte PS1 auf drei Geschossen ein. In vielen Galerien stehen Vitrinen mit Skizzenbüchern irakischer Künstler, oft mit absichtlich verbrannten und geschwärzten Seiten. Die Zeichnungen erinnern in ihrer Emotionalität und Kraft an die Arbeiten von Käthe Kollwitz. Kuratorin Ruba Katrib erklärt:
"Es gibt ein durchlaufendes Motiv in der Ausstellung: die 'Dafatia', was Notizbuch im Arabischen bedeutet. Die Notizbücher waren die materielle Antwort auf den Krieg, die Sanktionen, das wirtschaftliche Embargo, das Problem, überhaupt Künstlerbedarf ins Land zu bekommen. Selbst Bleistifte waren verboten. Also fingen die Künstler an, diese Bücher zu machen und sie herumzureichen."

Eine Ausstellung, die überfordert und verstört

Eine besonders bewegende Arbeit ist Hanaa Malallahs großformatiges Bild "Ruins Roar". Aus Tausenden von Fetzen verbrannter Leinwand entsteht eine fast monochrome dunkelbraune Fläche. Ein einziges Stück weiße Leinwand am oberen Rand hat die Form eines menschlichen Schädels.
"Theater of Operations: The Gulf Wars 1991–2011" ist eine mutige, mit unglaublicher Akribie zusammengetragene Ausstellung: überfordernd und verstörend. Und sie ist auch eine Entdeckungsreise in eine hochaktive irakische Kunstszene, die im Westen weitgehend unbekannt ist.
Die Tatsache, dass Präsident Trump vor wenigen Tagen bei einer Wahlkampfveranstaltung wieder behauptet hat, dass es in der Region – in diesem Fall Syrien - sowieso nur Staub und Sand gebe, macht deutlich, wie hochaktuell diese Ausstellung ist.

Das New Yorker MoMA PS1 zeigt die Ausstellung "Theater of Operations. The Gulf Wars 1991–2011" vom 3. November 2019 bis zum 1. März 2020.

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