Ausstellung "Pop Romano" in Rom

Vom süßen Leben der 60er Jahre

Filmplakat des Kinoklassikers "La Dolce Vita" von Frederico Fellini.
Erinnerungen an das süße Leben der 60er in Rom: Filmplakat des Kinoklassikers "La Dolce Vita" von Frederico Fellini. © FILIPPO MONTEFORTE / AFP
Von Thomas Migge · 14.07.2016
Die Ausstellung "Pop Romano" im römischen Museum für Zeitgenössische Kunst zeigt italienische Kunstwerke der 1960er: der Zeit des "Dolce Vita", als Hollywoodstars in Rom lebten und liebten - und die städtisch-zeitgenössische Kunstszene noch etwas zu sagen hatte.
Paolo Sorrentinos Meisterwerk "La grande Bellezza" von 2013 bringt den typisch römischen Traum des mentalen Zurückkatapultierens in die Epoche des Dolce Vita, des süßen Lebens, wie kein anderer Film auf den Punkt.
Fellinis "La dolce vita" in den 1960er-Jahren: als Hollywoodstars am Tiber drehten, lebten und liebten und die städtisch-zeitgenössische Kunstszene noch etwas zu sagen hatte, das sich von dem in Mailand, Paris, New York und London unterschied. Als, meint der römische Musikkritiker Franco Soda, die Ewige Stadt noch eine eigene kulturelle Identität besaß.
"Die Künstler, vor allem aber die Maler, die die Ausstellung unter dem Namen 'Pop Romano' zusammenfasst, hießen Mario Schifano, Tano Festa, Franco Angeli und Giosetta Fioroni. Warum man die 'Pop' nannte ist unbekannt, das war ein Modebegriff, der viel bedeuten konnte, aber mit Andy Warhol hatten diese Künstler nichts zu schaffen."
Der Begriff Pop wird im Fall der 1960er-Jahre "alla romana" als Synonym für Tabubruch benutzt. Genau das macht die Kunstschau im städtischen Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, MACRO, deutlich - mit Gemälden, Skulpturen, Fotografien, Videos und Musik - und genau das macht ihren Besuch so reizvoll.

Das süße Leben der Künstler kannte keine Tabus mehr

Der Kunstkritiker Achille Bonito Oliva, Ko-Kurator der Kunstschau, war in den 1960er-Jahren einer der jungen Protagonisten der damaligen Szene:
"Der Krieg, das Ende des Faschismus und aller Sicherheiten und dann der Wirtschaftsaufschwung: Ein Teil der Gesellschaft verlor seine Sicherheiten. Die Kulturszene wurde anamorph, dezentriert und asymmetrisch."
In einfachen Worten: die Künste befreiten sich von alten Schemata. Das süße Leben der Künstler kannte keine Tabus mehr.
Alle Protagonisten des Pop Romano, wie der Maler Mario Schifano, der, wie auch andere Künstler in der Ausstellung mit Videos zu Wort kommt, gaben sich als überzeugte Kommunisten und Revolutionäre aus. Das unterschied sie grundlegend von den Künstlern der Pop Art in den USA und anderswo.
In der Regel traf man sich in den beiden schicken und wenig revolutionären Cafés auf der Piazza del Popolo – daher auch der Name "Schule der Piazza del Popolo" für die bildenden Künstler des Pop Romano, zu denen später auch Jannis Kounellis und Renato Mambor gehörten. Ohne Mitgliedschaft in der KPI war es unmöglich, Teil der römischen Kulturszene zu sein, meint der Maler Sergio Lombardo, Jahrgang 1939.

Zwischen Stalin-Verehrung und High-Society-Dasein

"Wir hatten ja damals das Gefühl, dass der Gewinner des Zweiten Weltkriegs, die USA, auch den Kunstmarkt dominieren würde, mit Entwicklungen, die von dort kamen und unsere Kreativität einzuschränken versuchten. Wir fühlten uns von den USA kulturell an die Wand gedrückt."
Die Kunstschau im MACRO zeigt - mit politischen Gemälden von Renato Guttuso, mit literarischen Texten von Alberto Moravia und kulturkritischen Schriften von Bonito Oliva und anderen, dass man den Italo-Kommunismus als Traum von der wahren Demokratie begriff - und letztendlich missverstand.
Dass die gleiche KPI Stalin verehrte und man selbst ein komfortables High-Society-Dasein auf römischen Dachterrassen, in Luxusapartments und mit Dienerschaft zelebrierte, scheint die Protagonisten des Pop Romano nicht gestört zu haben. Der scharf-bissig-ironische Kritiker dieses scheinheiligen Politik- und Gesellschaftsverständnisses war der Schriftsteller Pier Paolo Pasolini. Ihn warf man auch deshalb - nicht nur wegen seines damals für einen aufrechten Kommunisten unakzeptierbaren Schwulseins - aus der KPI.
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