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Is was?!
Eiszeit nicht nur am Bahnhof

Die Zeit der Züge ist vorbei. Nicht nur in Köln und Mainz. Auch auf sämtlichen Bahnhöfen unserer kleinen Republik stehen die Zeichen auf Zuglosigkeit.

Von Stefan Reusch | 20.02.2015
    "Dieser Betrieb wird bestreikt!" steht am 01.09.2014 auf dem Schild eines Lokführers in der Eingangshalle des Hauptbahnhofs in Hannover
    Streikandrohung für die Bahn (picture-alliance / dpa / Ole Spata)
    Wieder mal Streik in Sicht. Ein Zug hält nur. Pardon: Einzug hält nur Kälte. Eiszeit überall. Zwischen Bahn und Lokführergewerkschaft, Griechenland und Deutschland, von Osteuropa ganz zu schweigen.
    Und dann auch noch das: Das deutsche Schützenwesen wird nicht Weltkulturerbe. Die UNESCO-Kommission will nicht, weil das deutsche Schützenwesen einem türkischstämmigen Schützenkönig ganz schnell die Königswürde absprechen wollte, da der nicht den – Zitat - biodeutschen Maßstäben entsprach. Heißt das, hätten die gutchristlichen Schützen dem Manne gehuldigt, so, als sei er einer von ihnen, dann wäre das trachtenfröhliche Geknalle und Marschiere jetzt immaterielles Welt-Kulturerbe? Und heißt das: Wenn diese ganze Schützenpracht eines schönen Tages mal aussterben sollte, werden wir dann Zwangserben der Schützenkultur? Kann man so ein Erbe auch ausschlagen?
    Zum Besitz von Bertolt Brecht. Der hat auch einiges hinterlassen, manchmal will es scheinen: hauptsächlich Erben. Aktuell ging über die Bühne des Münchner Residenztheaters Brechts erstes Stück "Baal", aber nicht so, wie es die Erben wollten, sondern der Regisseur Frank Castorf. Dann lieber gar nicht, so die Erben. Kompromiss: Na gut, noch zweimal. Gestern nun kündigte der Münchner Intendant Martin Kusej einen "kreativen Umgang mit der entstandenen Situation" an. "Man kann uns nicht das Theaterspielen verbieten", sagte er, "sondern nur die Verwendung bestimmter Texte in bestimmten Zusammenhängen". Aha. Kriegt das Kind am End einfach einen neuen Namen und – schwupps - schon ist es nicht mehr das Kind von Brecht und Erben. Heißt dann statt "Baal" "Baalu". Nee, mutiger: "Je suis Baal" oder eine kritische Hommage an Russland "Baal i like ya," also "Balaleika", verfremdet mit Putin als Baal der "im dunklen Erdenschoße faulte". Aber ich will dem – wie war das – dem "kreativen Umgang mit der entstandenen Situation" nichts vorwegnehmen.
    Und wer erbt die Sammlung von Cornelius Gurlitt? Das Kunstmuseum Bern? Glaubt seine Cousine nicht: "Die Biografie meines Cousins legt die Vermutung nahe, dass es nicht seine eigentliche Absicht war, seine Sammlung ins Ausland zu geben", sagte sie. Mit andern Worten: Der wird den Teufel getan haben, dem Ausländer was zu schenken. Kunst kommt zu Cousine, weil Cousine nix Ausländer.
    Bekäme die Dame mit ihrer Argumentation recht, so hätte das Haus Gurlitt zum zweiten Mal aus Gesinnung Kapital geschlagen. Bei soviel Kontinuität kriecht einem doch schon ein wenig die Kälte den Rücken hoch. Eiszeit.