Ausstellung "Luther und die deutsche Sprache"

Sprache ausstellen ist natürlich schwer!

Luther-Bibel "Biblia Teutsch" von 1545 im Kloster zum Heiligen Kreuz in Rostock
Luther-Bibel "Biblia Teutsch" von 1545 © picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck
Von Henry Bernhard · 04.05.2016
Mit seiner deutschen Bibelübersetzung schuf der Reformator Martin Luther auch die Grundlage für unser Hochdeutsch: Niedersächsisch, Fränkisch, Ostniederdeutsch und viele weitere Sprachräume sind ins Lutherdeutsch eingegangen. Eine Ausstellung auf der Wartburg macht Luthers Verdienst anschaulich.
Jutta Krauß führt durch die Wartburg. Die studierte Philosophin kennt alles um Luther auf der Wartburg aus eigener Anschauung. Nur nicht den Fleck, den Luther an der Wand seiner Stube hinterlassen haben soll, als er mit dem Tintenfass nach dem Teufel warf.
"Na, der Tintenfleck, der wurde vor weit über 100 Jahren das letzte Mal erneuert. Spannend, dass immer noch Leute kommen und danach fragen und ihn auch noch gesehen haben wollen!"

Elster, Aglaster oder Hetzn?

Die Lutherstube ist ein Ort: ein karg möblierter Raum mit einem Schreibtisch, einem Stuhl, einem Schrank, einem Kachelofen. Nichts davon ist authentisch. Ein Ort, der den Besucher zunächst nichts lehrt. Und doch ist es der Ort, an dem Luther vor knapp 500 Jahren in nur elf Wochen das Neue Testament ins Deutsche übersetzte, als er Worte schuf wie "Geizhals", "Trübsal", "Spitzbube", "Sündenbock"; heute fest in unserer Sprache verankerte Begriffe wie "Milch und Honig", "Mark und Bein". Diese Sprache ist erhalten geblieben – im Gegensatz zum Schreibtisch, den frühere Pilger Span für Span als Reliquie mitgenommen und damit zur Auflösung verholfen haben. Und so kann man Luthers Sprache immer noch leichter ausstellen als seine Möbel.
"Sprache auszustellen ist natürlich sehr schwer! Wir beginnen mit der Überschrift 'Vom Bibelwort zur inszenierten Memoria auf der Wartburg'. Und das nimmt genau darauf Bezug, dass, wer 'Wartburg' hört, eigentlich zuerst an Luther denkt. Hier geht’s um die Lutherstube und ihre Besonderheiten per Text."
Luther war nicht nur äußerst sprachgewandt, er hatte auch Glück. Denn er lebte, reiste und studierte im Grenzbereich zwischen dem Ostniederdeutschen, dem Niedersächsischen, dem West- und Ostmitteldeutschen und dem Fränkischen. Auf Reisen zwischen dem Mansfeld, Eisenach, Erfurt, Wittenberg, Magdeburg, seinen gar nicht weit auseinanderliegenden Lebensorten, überschritt er jedes Mal die Grenzen zwischen großen Sprachräumen. Dies schulte seine Wortmacht.
"Und das versuchen wir dann im Heft auch zu zeigen anhand von Worten, die eben völlig verschieden sind. Eine Sache hatte halt in jeder Region ihren besonderen Begriff. Die Elster war ein hessisches Wort, ich sag jetzt nur mal ein Beispiel, und woanders hieß sie Aglaster. Und noch woanders hieß sie Hetzn. Wenn die Leute dann davon redeten, dann wurden sie einfach nicht verstanden."

Innerhalb von 14 Tagen verbreiteten sich Luthers Thesen in Deutschland

Dennoch war Luthers Deutsch damals kein überragender Sonderfall, sondern unter Gelehrten durchaus gängig. Luthers Besonderheit aber lag in der immens schnellen und tiefen Verbreitung seiner Werke.
"Er hatte ja auch was mitzuteilen, das war ja keine hohle Hülse, sondern bekanntgeworden mit einem Schlag durch die Thesen. Luther selbst sagte, die Thesen sind in 14 Tagen durch ganz Deutschland gelaufen. Man hat sie abgeschrieben und sofort überall in ganz Deutschland verbreitet. Und die haben auch dort eingeschlagen wie eben der zündende Funke im Pulverfass."
Luther war nicht der erste Bibelübersetzer, aber der erste, der sich auf den griechischen Urtext und nicht die lateinische Übersetzung, die Vulgata, bezog. Aus dem historischen Text übersetzte er mit Kraft, Poesie und Bildhaftigkeit in ein Deutsch, das alle anderen Übersetzungen übertraf. "Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln", ist für jeden verständlich und prägt sich sofort als Metapher ein.

Katholiken warnten vor den "Honigworten" Luthers

Die Ausstellung zeigt als sehr schönes Stück eine Bibel eines Verlegers aus Basel, der ein Wortregister mit Übersetzungen von Luthers Deutsch in den Baseler Dialekt angehängt ist. "Imbiß" etwa übersetzt er mit "Morgenessen". Sie zeigt auch Luthers Konkurrenz: andere Übersetzungen, spätere, die – im Gegensatz zu Luthers – wieder verschwanden.
"Die hat sich durchgesetzt. Und da wurden auch die Katholiken gewarnt. Vor 'der güldenen Zunge und den Honigworten' der Protestanten. Dem wollte man entgegenwirken. Aber auf lange Sicht hat es nicht geklappt."
Luthers Deutsch setzte sich letztlich durch. In der Kirche und in Deutschland. Aber es dauerte. Etwa 100 Jahre, bis sich das Neuhochdeutsche auch in Norddeutschland durchsetze, 200 Jahre, bis es im bayerisch-österreichischen Sprachraum Standard war. Auch das zeigt die Ausstellung auf der Wartburg anschaulich. Und die Kuratorin Jutta Krauß erkennt am Ende:
"Und hier noch einmal ein Zitat, 'alle Schrift von Gott eingegeben'. Zeigt, dass das, was wir in der Ausstellung gemacht haben, nämlich Luther zu zerhacken, in 'Theologe', 'Lehrer' und so, eigentlich unzulässig ist. Darf man nicht machen. Es ist immer der Theologe! Das ist also nicht irgendwie ein freudiger Übersetzer, das macht er natürlich. Aber er übersetzt als Theologe, und das leitet ihn auch."
Wartburg in Thüringen
Wartburg in Thüringen: Weniger als drei Monate brauchte Martin Luther während seines Wartburg-Aufenthalts 1521/22 für die Übersetzung des Neuen Testaments.© dpa/picture alliance/Klaus Nowottnick
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