Ausstellung "Ludwig Van" in der Philharmonie de Paris

Allzweck-Mythos Beethoven

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Skulpturen und Büsten von Beethoven in der Ausstellung "Ludwig Van" in der Philharmonie de Paris in Paris © picture alliance / dpa / Ian Langsdon
Von Kathrin Hondl · 16.10.2016
Ludwig van Beethoven war ein Genie und wirkte weit über seinen Tod hinaus. Sein Gesicht wurde zum Motiv vieler Künstler, seine Musik nutzen Politiker aller Couleur für ihre Inszenierung. Eine Pariser Ausstellung zeigt, was die Welt noch aus Beethoven gemacht hat.
Peanuts, Pop und Politik. Er ist tatsächlich überall, dieser Beethoven. Mit einer beeindruckenden Flut von Videos veranschaulicht die Pariser Ausstellung gleich zu Beginn Stationen dieser erstaunlichen Weltkarriere, die am 26. März 1827 begann. Beethovens Todestag war zugleich der Geburtstag eines neuen, romantischen Idealbildes des Künstlers, sagt Kurator Colin Lemoine.
"Mit Beethovens Tod änderte sich das Bild des Künstlers radikal. Von da an waren Innerlichkeit, und Temperament entscheidend. Ein Künstler musste bis ins Innerste aufwühlen, mit dramatischen, mächtigen Werken. Und Beethoven verkörperte das wie kein anderer."

Andy Warhol machte ihn zum Popstar

Und er verkörperte es nicht nur durch seine Musik, sondern auch im Wortsinn: Denn mit seinem Tod wird Beethovens Gesicht zu einem Lieblingsmotiv vieler Künstler, die sein Antlitz benutzen und zur Ikone stilisieren – bis heute: Beethovens Totenmaske begegnet uns in der Malerei von Joseph-Benjamin Constant und hundert Jahre später bei Arnulf Rainer, der österreichische Maler Carl Schweninger verewigte einen "Beethoven in Gewitterlandschaft" und Andy Warhol machte den Komponisten zum Popstar. Ein ganzer Raum in der Ausstellung ist dreidimensionalen "tragischen Köpfen" gewidmet – Beethovenbüsten, geschaffen von Antoine Bourdelle und Auguste Rodin am Anfang des 20., von Markus Lüpertz am Anfang des 21. Jahrhunderts oder 1939 von Arno Breker, dem sogenannten "Michelangelo des Nationalsozialismus".
Beethoven, das wird beim Gang durch die Ausstellung immer deutlicher, wurde zu einer Art Allzweck-Mythos der Moderne. Auch in der Politik. Beethovens Musik – insbesondere seine 9. Sinfonie – scheint sich da problemlos für jegliche Ideologie und politische Absicht zu eignen.

Neunte Sinfonie zu Hitlers Geburtstagsparty

Die "Ode an die Freude" wurde im November 2015 als Protest des Mainzer Staatstheaters gegen eine AfD-Demonstration gesungen. Sie ist die Europahymne, war aber auch der Sound der Meetings des französischen Rechtsradikalen und Anti-Europäers Jean-Marie Le Pen. Beethovens Neunte untermalte 1981 einen feierlichen Auftritt des sozialistischen Präsidenten François Mitterrand am Pariser Pantheon und 1942 die Geburtstagsparty von Adolf Hitler. Und im Zweiten Weltkrieg war Beethovens Musik an allen Fronten präsent, erzählt Kuratorin Marie-Pauline Martin:
"Im Morseaplphabet wird das V – für Victory oder Victoire – mit drei Punkten und einem Strich dargestellt. Dreimal kurz, einmal lang. Was papapa pam ergibt. Und weil das V auch die römische Ziffer für 5 ist, wurde die 5. Sinfonie von Beethoven die Musik der Allierten auf der anderen Seite der Front. Als grenzenloses Genie gehörte er nicht den Deutschen allein."

Intelligente Dekonstruktion des Beethoven-Mythos

Wenn Beethovens Musik aber schlicht alles zu sagen scheint, was sagt sie dann eigentlich noch? Fragt man sich auch angesichts der vielen Beethoven-Szenen in Kinofilmen, die in der Ausstellung präsentiert werden: Von Ingmar Bergmans Ehedrama "An die Freude" über Gus van Sants Amoklauf-Film "Elephant" bis Stanley Kubricks "Clockwork Orange" und dem ultrabrutalen Beethovenfan Alex.
"Ludwig Van" in der Philharmonie de Paris rekonstruiert und dekonstruiert sehr intelligent und anschaulich den "Mythos Beethoven" – und ist so die ideale Vorbereitung auf das bevorstehende Beethoven-Jahr 2020, das nächste Kapitel in dieser faszinierenden und ambivalenten Erfolgsstory.
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