Ausstellung "Grenzen" in Paris

Trennendes überwinden

Bauern arbeiten auf einem Feld direkt an der durch einen Zaun gesicherten indisch-pakistanischen Grenze.
Bauern arbeiten auf einem Feld direkt an der durch einen Zaun gesicherten indisch-pakistanischen Grenze. © imago/ZUMA Press
Von Kerstin Gallmeyer · 10.11.2015
Angesichts der Flüchtlingskrise werden in Europa Forderungen laut, die Grenzen wieder dicht zu machen. Eine Ausstellung im Pariser Museum für Immigrationsgeschichte zeigt derzeit, was Grenzen mit Menschen machen. Aber auch, wie gefährlich ihre Überwindung ist.
Schiffsmotoren brummen. Die sitzen Männer eng zusammen auf den Booten, die über das Mittelmeer schaukeln. Ton- und Bildqualität sind eher dürftig. Trotzdem sind die neun Filme, die gleichzeitig auf die dunkle Wand projiziert werden, eindrücklich. "Harragas" heißt die Videoinstallation des franko-algerischen Künstlers Bruno Boudjelal.
"Mit Harragas bezeichnet man in Algerien traditionell junge Männer, die das Mittelmehr in behelfsmäßigen Booten überqueren, um Europa zu erreichen."
Auch diese jungen Männer hatten es im Jahr 2011 versucht. Und sich dabei mit dem Handy gefilmt. Das Telefon ist sehr wichtig, sagt Bruno Boudjelal, weil es den Männern als eine Art Kompass dient:
"Wenn sie spanisches oder italienisches Netz haben, dann fahren sie in die richtige Richtung. Wenn man kein Netz hat, dann muss man die Richtung ändern. Und was man auf diesen Bildern sieht, ist eher eine warme Atmosphäre, obwohl die Situation an sich ja dramatisch ist. Einer macht ein Panoramabild von der Umgebung. Sie fotografieren sich, während sie singen oder sich rasieren. Oder machen ein Foto von einem Delfin, der sie ein Stück begleitet."
Manche Länder wollen sich einmauern
Es geht um Grenzen in der neuen Ausstellung des Pariser Museums für Immigrationsgeschichte. Nicht nur um natürliche Grenzen wie das Mittelmeer, sondern auch von Menschen hochgezogene Mauern wie zwischen Indien und Bangladesch oder zwischen Israel und dem Westjordanland. Und um die Grenzen, die Europa nun wieder zieht.
"Was man ja ganz aktuell in den letzten Wochen und Monaten feststellen musste, ist, dass die europäischen Länder ihre Grenzen wiederaufbauen wollen. Und manche Länder wollen nicht nur Grenzen aufstellen, sondern sich einmauern."
- sagt Yvan Gastaut. Er ist Historiker an der Universität Nizza und einer der beiden Kuratoren. Für die Ausstellungsmacher gehört zu den Grenzen aber auch ihre permanente Überwindung.
"Die Frage nach den Grenzen ist auch eine Frage, die uns dazu bringt, über die ständige Umgehung der Grenzen nachzudenken. Klar, es gibt Grenzen, eine Abriegelung. Aber es wird einem auch bewusst, dass die Grenzen oft auf heimlichen Wegen umgangen werden. Oft auf sehr geschickte. Und manchmal ist es auch sehr gefährlich."
Komplexer Grenzübertritt
Ob nun zu Zeiten der Berliner Mauer oder in der Gegenwart: Die Ausstellung zeigt Dokumente aus der Geschichte der Grenzen Europas – von den Weltkriegen bis heute, Fotos von Flüchtlingen aus Nigeria und Eritrea auf Sizilien, und sie lässt einen jungen Afghanen seine Fluchtgeschichte über den Iran, die Türkei, Griechenland und Italien nach Frankreich erzählen. Sie vereint Historisches mit Hochaktuellem.
Konkrete Lösungsvorschläge für die Flüchtlingskrise geben die Ausstellungsmacher nicht. Aber sie wollen eine Botschaft vermitteln.
"Die Botschaft ist, dass man versuchen sollte zu begreifen. Zu begreifen, wie komplex ein Grenzübertritt ist. Zu begreifen, dass es dabei um Menschen geht. Und auch zu begreifen, wie man aus dieser unbefriedigenden Lösung herauskommt, einer Zukunft mit Mauern entgegenzusteuern."
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